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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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Bäume bereits als eine Wohlthat empfunden ward
"Bey großer Sommerhitze, sagte Goethe, weiß ich keine
bessere Zuflucht als diese Stelle. Ich habe die Bäume
vor vierzig Jahren alle eigenhändig gepflanzt, ich habe
die Freude gehabt, sie heranwachsen zu sehen und ge¬
nieße nun schon seit geraumer Zeit die Erquickung ihres
Schattens. Das Laub dieser Eichen und Buchen ist
der mächtigsten Sonne undurchdringlich; ich sitze hier
gerne an warmen Sommertagen nach Tische, wo denn
auf diesen Wiesen und auf dem ganzen Park umher oft
eine Stille herrscht, von der die Alten sagen würden:
daß der Pan schlafe."

Indessen hörten wir es in der Stadt zwey Uhr
schlagen und fuhren zurück.


Abends bey Goethe. -- Ich war alleine mit ihm,
wir sprachen vielerley und tranken eine Flasche Wein
dazu. Wir sprachen über das französische Theater im
Gegensatz zum deutschen.

"Es wird schwer halten, sagte Goethe, daß das
deutsche Publicum zu einer Art von reinem Urtheil
komme, wie man es etwa in Italien und Frankreich
findet. Und zwar ist uns besonders hinderlich, daß auf
unseren Bühnen alles durch einander gegeben wird. An

Baͤume bereits als eine Wohlthat empfunden ward
„Bey großer Sommerhitze, ſagte Goethe, weiß ich keine
beſſere Zuflucht als dieſe Stelle. Ich habe die Baͤume
vor vierzig Jahren alle eigenhaͤndig gepflanzt, ich habe
die Freude gehabt, ſie heranwachſen zu ſehen und ge¬
nieße nun ſchon ſeit geraumer Zeit die Erquickung ihres
Schattens. Das Laub dieſer Eichen und Buchen iſt
der maͤchtigſten Sonne undurchdringlich; ich ſitze hier
gerne an warmen Sommertagen nach Tiſche, wo denn
auf dieſen Wieſen und auf dem ganzen Park umher oft
eine Stille herrſcht, von der die Alten ſagen wuͤrden:
daß der Pan ſchlafe.“

Indeſſen hoͤrten wir es in der Stadt zwey Uhr
ſchlagen und fuhren zuruͤck.


Abends bey Goethe. — Ich war alleine mit ihm,
wir ſprachen vielerley und tranken eine Flaſche Wein
dazu. Wir ſprachen uͤber das franzoͤſiſche Theater im
Gegenſatz zum deutſchen.

„Es wird ſchwer halten, ſagte Goethe, daß das
deutſche Publicum zu einer Art von reinem Urtheil
komme, wie man es etwa in Italien und Frankreich
findet. Und zwar iſt uns beſonders hinderlich, daß auf
unſeren Buͤhnen alles durch einander gegeben wird. An

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[139/0159] Baͤume bereits als eine Wohlthat empfunden ward „Bey großer Sommerhitze, ſagte Goethe, weiß ich keine beſſere Zuflucht als dieſe Stelle. Ich habe die Baͤume vor vierzig Jahren alle eigenhaͤndig gepflanzt, ich habe die Freude gehabt, ſie heranwachſen zu ſehen und ge¬ nieße nun ſchon ſeit geraumer Zeit die Erquickung ihres Schattens. Das Laub dieſer Eichen und Buchen iſt der maͤchtigſten Sonne undurchdringlich; ich ſitze hier gerne an warmen Sommertagen nach Tiſche, wo denn auf dieſen Wieſen und auf dem ganzen Park umher oft eine Stille herrſcht, von der die Alten ſagen wuͤrden: daß der Pan ſchlafe.“ Indeſſen hoͤrten wir es in der Stadt zwey Uhr ſchlagen und fuhren zuruͤck. Dienſtag den 30. Maͤrz 1824. Abends bey Goethe. — Ich war alleine mit ihm, wir ſprachen vielerley und tranken eine Flaſche Wein dazu. Wir ſprachen uͤber das franzoͤſiſche Theater im Gegenſatz zum deutſchen. „Es wird ſchwer halten, ſagte Goethe, daß das deutſche Publicum zu einer Art von reinem Urtheil komme, wie man es etwa in Italien und Frankreich findet. Und zwar iſt uns beſonders hinderlich, daß auf unſeren Buͤhnen alles durch einander gegeben wird. An

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/159>, abgerufen am 28.03.2024.