Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Geist.
Nächtlich dehnen sich die Stunden,
Unschuld schläft in stiller Bucht,
Fern ab ist die Welt verschwunden,
Die das Herz in Träumen sucht.
Und der Geist tritt auf die Zinne,
Und noch stiller wird's umher,
Schauet mit dem starren Sinne
In das wesenlose Meer.
Wer ihn sah bei Wetterblicken
Steh'n in seiner Rüstung blank:
Den mag nimmermehr erquicken
Reichen Lebens frischer Drang. --
Fröhlich an den öden Mauern
Schweift der Morgensonne Blick,
Da versinkt das Bild mit Schauern
Einsam in sich selbst zurück.

Der Geiſt.
Naͤchtlich dehnen ſich die Stunden,
Unſchuld ſchlaͤft in ſtiller Bucht,
Fern ab iſt die Welt verſchwunden,
Die das Herz in Traͤumen ſucht.
Und der Geiſt tritt auf die Zinne,
Und noch ſtiller wird's umher,
Schauet mit dem ſtarren Sinne
In das weſenloſe Meer.
Wer ihn ſah bei Wetterblicken
Steh'n in ſeiner Ruͤſtung blank:
Den mag nimmermehr erquicken
Reichen Lebens friſcher Drang. —
Froͤhlich an den oͤden Mauern
Schweift der Morgenſonne Blick,
Da verſinkt das Bild mit Schauern
Einſam in ſich ſelbſt zuruͤck.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0162" n="144"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Der Gei&#x017F;t.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">N</hi>a&#x0364;chtlich dehnen &#x017F;ich die Stunden,</l><lb/>
            <l>Un&#x017F;chuld &#x017F;chla&#x0364;ft in &#x017F;tiller Bucht,</l><lb/>
            <l>Fern ab i&#x017F;t die Welt ver&#x017F;chwunden,</l><lb/>
            <l>Die das Herz in Tra&#x0364;umen &#x017F;ucht.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Und der Gei&#x017F;t tritt auf die Zinne,</l><lb/>
            <l>Und noch &#x017F;tiller wird's umher,</l><lb/>
            <l>Schauet mit dem &#x017F;tarren Sinne</l><lb/>
            <l>In das we&#x017F;enlo&#x017F;e Meer.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Wer ihn &#x017F;ah bei Wetterblicken</l><lb/>
            <l>Steh'n in &#x017F;einer Ru&#x0364;&#x017F;tung blank:</l><lb/>
            <l>Den mag nimmermehr erquicken</l><lb/>
            <l>Reichen Lebens fri&#x017F;cher Drang. &#x2014;</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Fro&#x0364;hlich an den o&#x0364;den Mauern</l><lb/>
            <l>Schweift der Morgen&#x017F;onne Blick,</l><lb/>
            <l>Da ver&#x017F;inkt das Bild mit Schauern</l><lb/>
            <l>Ein&#x017F;am in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zuru&#x0364;ck.</l><lb/>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0162] Der Geiſt. Naͤchtlich dehnen ſich die Stunden, Unſchuld ſchlaͤft in ſtiller Bucht, Fern ab iſt die Welt verſchwunden, Die das Herz in Traͤumen ſucht. Und der Geiſt tritt auf die Zinne, Und noch ſtiller wird's umher, Schauet mit dem ſtarren Sinne In das weſenloſe Meer. Wer ihn ſah bei Wetterblicken Steh'n in ſeiner Ruͤſtung blank: Den mag nimmermehr erquicken Reichen Lebens friſcher Drang. — Froͤhlich an den oͤden Mauern Schweift der Morgenſonne Blick, Da verſinkt das Bild mit Schauern Einſam in ſich ſelbſt zuruͤck.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/162
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/162>, abgerufen am 19.04.2024.