Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Nachtfeier.
1810.
Decket Schlaf die weite Runde,
Muß ich oft am Fenster lauschen,
Wie die Ströme unten rauschen,
Räder sausen kühl im Grunde,
Und mir ist so wohl zur Stunde;
Denn hinab vom Felsenrande
Spür' ich Freiheit, uralt Sehnen,
Fromm zerbrechend alle Bande,
Ueber Wälder, Strom und Lande
Keck die großen Flügel dehnen.
Was je Großes brach die Schranken,
Seh' ich durch die Stille gehen,
Helden auf den Wolken stehen,
Ernsten Blickes, ohne Wanken,
Und es wollen die Gedanken
Mit den guten Alten hausen,
Sich in ihr Gespräch vermischen,
Das da kommt in Waldes-Brausen.
Manchem füllt's die Brust mit Grausen,
Mich soll's laben und erfrischen!
Tag und Regung war entflohen,
Ueber'n See nur kam Geläute
Durch die monderhellte Weite,
Und rings brannten auf den hohen
Alpen still die bleichen Lohen,
10 *
Nachtfeier.
1810.
Decket Schlaf die weite Runde,
Muß ich oft am Fenſter lauſchen,
Wie die Stroͤme unten rauſchen,
Raͤder ſauſen kuͤhl im Grunde,
Und mir iſt ſo wohl zur Stunde;
Denn hinab vom Felſenrande
Spuͤr' ich Freiheit, uralt Sehnen,
Fromm zerbrechend alle Bande,
Ueber Waͤlder, Strom und Lande
Keck die großen Fluͤgel dehnen.
Was je Großes brach die Schranken,
Seh' ich durch die Stille gehen,
Helden auf den Wolken ſtehen,
Ernſten Blickes, ohne Wanken,
Und es wollen die Gedanken
Mit den guten Alten hauſen,
Sich in ihr Geſpraͤch vermiſchen,
Das da kommt in Waldes-Brauſen.
Manchem fuͤllt's die Bruſt mit Grauſen,
Mich ſoll's laben und erfriſchen!
Tag und Regung war entflohen,
Ueber'n See nur kam Gelaͤute
Durch die monderhellte Weite,
Und rings brannten auf den hohen
Alpen ſtill die bleichen Lohen,
10 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0165" n="147"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b #g">Nachtfeier</hi><hi rendition="#b">.</hi><lb/>
1810.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>ecket Schlaf die weite Runde,</l><lb/>
            <l>Muß ich oft am Fen&#x017F;ter lau&#x017F;chen,</l><lb/>
            <l>Wie die Stro&#x0364;me unten rau&#x017F;chen,</l><lb/>
            <l>Ra&#x0364;der &#x017F;au&#x017F;en ku&#x0364;hl im Grunde,</l><lb/>
            <l>Und mir i&#x017F;t &#x017F;o wohl zur Stunde;</l><lb/>
            <l>Denn hinab vom Fel&#x017F;enrande</l><lb/>
            <l>Spu&#x0364;r' ich Freiheit, uralt Sehnen,</l><lb/>
            <l>Fromm zerbrechend alle Bande,</l><lb/>
            <l>Ueber Wa&#x0364;lder, Strom und Lande</l><lb/>
            <l>Keck die großen Flu&#x0364;gel dehnen.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Was je Großes brach die Schranken,</l><lb/>
            <l>Seh' ich durch die Stille gehen,</l><lb/>
            <l>Helden auf den Wolken &#x017F;tehen,</l><lb/>
            <l>Ern&#x017F;ten Blickes, ohne Wanken,</l><lb/>
            <l>Und es wollen die Gedanken</l><lb/>
            <l>Mit den guten Alten hau&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Sich in ihr Ge&#x017F;pra&#x0364;ch vermi&#x017F;chen,</l><lb/>
            <l>Das da kommt in Waldes-Brau&#x017F;en.</l><lb/>
            <l>Manchem fu&#x0364;llt's die Bru&#x017F;t mit Grau&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Mich &#x017F;oll's laben und erfri&#x017F;chen!</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Tag und Regung war entflohen,</l><lb/>
            <l>Ueber'n See nur kam Gela&#x0364;ute</l><lb/>
            <l>Durch die monderhellte Weite,</l><lb/>
            <l>Und rings brannten auf den hohen</l><lb/>
            <l>Alpen &#x017F;till die bleichen Lohen,</l><lb/>
          </lg>
          <fw place="bottom" type="sig">10 *<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0165] Nachtfeier. 1810. Decket Schlaf die weite Runde, Muß ich oft am Fenſter lauſchen, Wie die Stroͤme unten rauſchen, Raͤder ſauſen kuͤhl im Grunde, Und mir iſt ſo wohl zur Stunde; Denn hinab vom Felſenrande Spuͤr' ich Freiheit, uralt Sehnen, Fromm zerbrechend alle Bande, Ueber Waͤlder, Strom und Lande Keck die großen Fluͤgel dehnen. Was je Großes brach die Schranken, Seh' ich durch die Stille gehen, Helden auf den Wolken ſtehen, Ernſten Blickes, ohne Wanken, Und es wollen die Gedanken Mit den guten Alten hauſen, Sich in ihr Geſpraͤch vermiſchen, Das da kommt in Waldes-Brauſen. Manchem fuͤllt's die Bruſt mit Grauſen, Mich ſoll's laben und erfriſchen! Tag und Regung war entflohen, Ueber'n See nur kam Gelaͤute Durch die monderhellte Weite, Und rings brannten auf den hohen Alpen ſtill die bleichen Lohen, 10 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/165
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/165>, abgerufen am 24.04.2024.