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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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überaus herrlicher Pinsel, denenjenigen Fürsten und grossen Herren fast dien-
lich, so in ihren äussersten Nöthen gezwungen werden, denen Unterthanen weiß
für schwartz vorzumahlen. Und ob zwar diese Waare eintzig und allein vor ho-
he Potentaten gehöret, ihnen auch in gewissen Fällen, erlaubt ist, sich derselben zu
bedienen; so versehen sich dennoch damit auch diejenigen falschen und zweyzungi-
gen Leute, so alles auf den äusserlichen Schein richten, und sich auf nichts an-
ders befleißigen als zu lächeln, zu betrügen, den gemeinen Mann mit der Nase
herum zu führen, und das Sprichwort an sich wahr zu machen, daß sie seyn
die bösen Katzen, die forne lecken und hinten kratzen.
3) Haben diese Politici in ihrem Kauff-Haus zu verkauffen allerley seltsame
Brillen, von wunderbarer und unterschiedener Operation, indem etliche sehr
nutz- und dienlich denenjenigen die Augen aufzuthun, welche die böse Lust und
unkeusche Begierden dermassen verblendet, daß sie weder Ehre noch Schande
achten, unter Freunden oder Feinden, Fremden oder nahen Bluts-Verwand-
ten keinen Unterscheid halten, ja unter der Sonnen nichts bedencken, noch zu
Hertzen ziehen. Der Vertrieb, oder Debit dieser Brillen ist bey denen hiesi-
gen, in dem Parnasso etablirten, Handelsleuten dermassen groß, daß man
augenscheinlich siehet und spühret, ja mit Händen greiffet, wie wenig unter de-
nen Menschen gefunden werden, welche in ihren fleischlichen Lüsten ein gutes
Gesichte haben.
4) Noch eine andere Art von Brillen befindet sich allhier, so denen Vori-
gen gantz zuwider, und die Augen dunckel machen. Von diesen berichten gedachte
politische Handelsleute, daß ob sie zwarallen Menschen insgemein, doch aber de-
nenjenigen, welche bey Hofe leben, sehr nothwendig ja viel nöthiger seyn als die an-
dern, dadurch man weit und in die Ferne siehet; und solches um folgender Ur-
sache willen, weil zu Hofe manchem ehrlichen Mann sehr verdrießliche und wie-
derwärtige Sachen vor Augen kommen. Solchen nun den Rücken zu kehren,
verursachet öffters Grosser Herren Zorn und Ungnade. Dieselbe aber scharff
anzusehen, und zu beschauen, bringet nichts als innerliches Hertzfressen und Be-
trübniß. Bey dergleichen Occasion nun sind gemeldte Brillen sehr dienlich,
weil sie einen selbst von denen Beschwerlichkeiten und Unlust der argen und ver-
kehrten Welt befreyen, dem gemeinen Mann aber einbilden, daß man sie ge-
dachte Sachen desto eigentlicher zu beschauen, aufsetze.
5) Die
uͤberaus herrlicher Pinſel, denenjenigen Fuͤrſten und groſſen Herren faſt dien-
lich, ſo in ihren aͤuſſerſten Noͤthen gezwungen werden, denen Unterthanen weiß
fuͤr ſchwartz vorzumahlen. Und ob zwar dieſe Waare eintzig und allein vor ho-
he Potentaten gehoͤret, ihnen auch in gewiſſen Faͤllen, erlaubt iſt, ſich derſelben zu
bedienen; ſo verſehen ſich dennoch damit auch diejenigen falſchen und zweyzungi-
gen Leute, ſo alles auf den aͤuſſerlichen Schein richten, und ſich auf nichts an-
ders befleißigen als zu laͤcheln, zu betruͤgen, den gemeinen Mann mit der Naſe
herum zu fuͤhren, und das Sprichwort an ſich wahr zu machen, daß ſie ſeyn
die boͤſen Katzen, die forne lecken und hinten kratzen.
3) Haben dieſe Politici in ihrem Kauff-Haus zu verkauffen allerley ſeltſame
Brillen, von wunderbarer und unterſchiedener Operation, indem etliche ſehr
nutz- und dienlich denenjenigen die Augen aufzuthun, welche die boͤſe Luſt und
unkeuſche Begierden dermaſſen verblendet, daß ſie weder Ehre noch Schande
achten, unter Freunden oder Feinden, Fremden oder nahen Bluts-Verwand-
ten keinen Unterſcheid halten, ja unter der Sonnen nichts bedencken, noch zu
Hertzen ziehen. Der Vertrieb, oder Débit dieſer Brillen iſt bey denen hieſi-
gen, in dem Parnaſſo etablirten, Handelsleuten dermaſſen groß, daß man
augenſcheinlich ſiehet und ſpuͤhret, ja mit Haͤnden greiffet, wie wenig unter de-
nen Menſchen gefunden werden, welche in ihren fleiſchlichen Luͤſten ein gutes
Geſichte haben.
4) Noch eine andere Art von Brillen befindet ſich allhier, ſo denen Vori-
gen gantz zuwider, und die Augen dunckel machen. Von dieſen berichten gedachte
politiſche Handelsleute, daß ob ſie zwarallen Menſchen insgemein, doch aber de-
nenjenigen, welche bey Hofe leben, ſehr nothwendig ja viel noͤthiger ſeyn als die an-
dern, dadurch man weit und in die Ferne ſiehet; und ſolches um folgender Ur-
ſache willen, weil zu Hofe manchem ehrlichen Mann ſehr verdrießliche und wie-
derwaͤrtige Sachen vor Augen kommen. Solchen nun den Ruͤcken zu kehren,
verurſachet oͤffters Groſſer Herren Zorn und Ungnade. Dieſelbe aber ſcharff
anzuſehen, und zu beſchauen, bringet nichts als innerliches Hertzfreſſen und Be-
truͤbniß. Bey dergleichen Occaſion nun ſind gemeldte Brillen ſehr dienlich,
weil ſie einen ſelbſt von denen Beſchwerlichkeiten und Unluſt der argen und ver-
kehrten Welt befreyen, dem gemeinen Mann aber einbilden, daß man ſie ge-
dachte Sachen deſto eigentlicher zu beſchauen, aufſetze.
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[92/0136] uͤberaus herrlicher Pinſel, denenjenigen Fuͤrſten und groſſen Herren faſt dien- lich, ſo in ihren aͤuſſerſten Noͤthen gezwungen werden, denen Unterthanen weiß fuͤr ſchwartz vorzumahlen. Und ob zwar dieſe Waare eintzig und allein vor ho- he Potentaten gehoͤret, ihnen auch in gewiſſen Faͤllen, erlaubt iſt, ſich derſelben zu bedienen; ſo verſehen ſich dennoch damit auch diejenigen falſchen und zweyzungi- gen Leute, ſo alles auf den aͤuſſerlichen Schein richten, und ſich auf nichts an- ders befleißigen als zu laͤcheln, zu betruͤgen, den gemeinen Mann mit der Naſe herum zu fuͤhren, und das Sprichwort an ſich wahr zu machen, daß ſie ſeyn die boͤſen Katzen, die forne lecken und hinten kratzen. 3) Haben dieſe Politici in ihrem Kauff-Haus zu verkauffen allerley ſeltſame Brillen, von wunderbarer und unterſchiedener Operation, indem etliche ſehr nutz- und dienlich denenjenigen die Augen aufzuthun, welche die boͤſe Luſt und unkeuſche Begierden dermaſſen verblendet, daß ſie weder Ehre noch Schande achten, unter Freunden oder Feinden, Fremden oder nahen Bluts-Verwand- ten keinen Unterſcheid halten, ja unter der Sonnen nichts bedencken, noch zu Hertzen ziehen. Der Vertrieb, oder Débit dieſer Brillen iſt bey denen hieſi- gen, in dem Parnaſſo etablirten, Handelsleuten dermaſſen groß, daß man augenſcheinlich ſiehet und ſpuͤhret, ja mit Haͤnden greiffet, wie wenig unter de- nen Menſchen gefunden werden, welche in ihren fleiſchlichen Luͤſten ein gutes Geſichte haben. 4) Noch eine andere Art von Brillen befindet ſich allhier, ſo denen Vori- gen gantz zuwider, und die Augen dunckel machen. Von dieſen berichten gedachte politiſche Handelsleute, daß ob ſie zwarallen Menſchen insgemein, doch aber de- nenjenigen, welche bey Hofe leben, ſehr nothwendig ja viel noͤthiger ſeyn als die an- dern, dadurch man weit und in die Ferne ſiehet; und ſolches um folgender Ur- ſache willen, weil zu Hofe manchem ehrlichen Mann ſehr verdrießliche und wie- derwaͤrtige Sachen vor Augen kommen. Solchen nun den Ruͤcken zu kehren, verurſachet oͤffters Groſſer Herren Zorn und Ungnade. Dieſelbe aber ſcharff anzuſehen, und zu beſchauen, bringet nichts als innerliches Hertzfreſſen und Be- truͤbniß. Bey dergleichen Occaſion nun ſind gemeldte Brillen ſehr dienlich, weil ſie einen ſelbſt von denen Beſchwerlichkeiten und Unluſt der argen und ver- kehrten Welt befreyen, dem gemeinen Mann aber einbilden, daß man ſie ge- dachte Sachen deſto eigentlicher zu beſchauen, aufſetze. 5) Die

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/136>, abgerufen am 19.04.2024.