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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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13) Befindet sich allhier in dem politischen Kauff-Haus die vortreffliche
Dinte so dem Golde gleich geachtet wird, viel köstlicher als das Lasur-Blau,
welche Dinte von berühmten Scribenten verschrieben wird, und ist gleichsam ein
köstlicher Balsam ihre verstorbenen Cörper damit zu balsamiren, und ihnen,
auch nach dem Tode, einen ewigen und guten Geruch zu machen; dahingegen
die Ignoranten und ungelehrte, oder auch gelehrte Narren und Fantasten, einen
unerträglichen Gestanck von sich geben, und bald nach ihrem Tod zu Staub und
Asche werden. Weise und gelehrte Leute machen ihnen mit dieser Dinte allein
einen ewigen und unsterblichen Namen, welcher mit denenjenigen, so nichts
gewust haben, sobald ihnen der Athem ausgehet, zu gleich verlöschet. Dieser
Balsam hat in Wahrheit eine übernatürliche Krafft und Wirckung, dieweil
diejenigen, so sich damit salben, leben, ob sie schon sterben, und allein so viel den
Leib belanget, und aus dieser Welt scheiden, wegen ihrer vortrefflichen Bücher
aber in Ewigkeit darinnen bleiben.
14) Lösen offt-gemeldte politische Handels-Leute viel Geld aus einem
Oele, welches vielmals sehr dienlich befunden worden, denen, so zu Hofe le-
ben, den Magen damit zu stärcken, auf daß sie ohne Verletzung der Complexion
ihrer Gedult, den grossen Wiederwillen, und die hefftigen Verdrießlichkeiten,
so sie zu Hofe einschlucken müssen, desto besser verdauen mögen.
15) Verkauffen sie in einen kleinen Gläßlein, den wohl-riechenden Men-
schen-Schweiß, sehr dienlich, diejenigen damit zu bestreichen, welche durch
den lieblichen Geruch ihrer sauren Müh und Arbeit, mit der Feder in der Hand,
unter denen Gelehrten sich gerne wollen finden lassen.
16) Werden sehr herrliche Morsellen allhier verkaufft, so sehr dienlich sind
etlichen eigensinnigen und wiederspänstigen Stoicis einen Appetit zu machen,
damit sie vor denen Wiederwärtigkeiten dieser Welt nicht so leichtlich einen
Eckel und Grauen bekommen, sondern selbigen mit grösserer Begierde zu sich
nehmen und einschlucken möchten. Denn ob zwar dieselbe vielen einen Grauen
verursachen, und manchen ehrlichen Mann gantz und gar zuwider sind, so muß
man doch vielmals grosser Herren Ungunst nicht auf sich zu laden, auch seine ei-
gene Sachen nicht in Gefahr zu setzen, sich stellen, als ob man einen sonderli-
chen Gefallen daran hätte, und dieselbe mit grosser Begierde und hungerigen Ma-
gen, so warm man es leiden kan, zu sich nehmen.
17) Ver-
13) Befindet ſich allhier in dem politiſchen Kauff-Haus die vortreffliche
Dinte ſo dem Golde gleich geachtet wird, viel koͤſtlicher als das Laſur-Blau,
welche Dinte von beruͤhmten Scribenten verſchrieben wird, und iſt gleichſam ein
koͤſtlicher Balſam ihre verſtorbenen Coͤrper damit zu balſamiren, und ihnen,
auch nach dem Tode, einen ewigen und guten Geruch zu machen; dahingegen
die Ignoranten und ungelehrte, oder auch gelehrte Narren und Fantaſten, einen
unertraͤglichen Geſtanck von ſich geben, und bald nach ihrem Tod zu Staub und
Aſche werden. Weiſe und gelehrte Leute machen ihnen mit dieſer Dinte allein
einen ewigen und unſterblichen Namen, welcher mit denenjenigen, ſo nichts
gewuſt haben, ſobald ihnen der Athem ausgehet, zu gleich verloͤſchet. Dieſer
Balſam hat in Wahrheit eine uͤbernatuͤrliche Krafft und Wirckung, dieweil
diejenigen, ſo ſich damit ſalben, leben, ob ſie ſchon ſterben, und allein ſo viel den
Leib belanget, und aus dieſer Welt ſcheiden, wegen ihrer vortrefflichen Buͤcher
aber in Ewigkeit darinnen bleiben.
14) Loͤſen offt-gemeldte politiſche Handels-Leute viel Geld aus einem
Oele, welches vielmals ſehr dienlich befunden worden, denen, ſo zu Hofe le-
ben, den Magen damit zu ſtaͤrcken, auf daß ſie ohne Verletzung der Complexion
ihrer Gedult, den groſſen Wiederwillen, und die hefftigen Verdrießlichkeiten,
ſo ſie zu Hofe einſchlucken muͤſſen, deſto beſſer verdauen moͤgen.
15) Verkauffen ſie in einen kleinen Glaͤßlein, den wohl-riechenden Men-
ſchen-Schweiß, ſehr dienlich, diejenigen damit zu beſtreichen, welche durch
den lieblichen Geruch ihrer ſauren Muͤh und Arbeit, mit der Feder in der Hand,
unter denen Gelehrten ſich gerne wollen finden laſſen.
16) Werden ſehr herrliche Morſellen allhier verkaufft, ſo ſehr dienlich ſind
etlichen eigenſinnigen und wiederſpaͤnſtigen Stoicis einen Appetit zu machen,
damit ſie vor denen Wiederwaͤrtigkeiten dieſer Welt nicht ſo leichtlich einen
Eckel und Grauen bekommen, ſondern ſelbigen mit groͤſſerer Begierde zu ſich
nehmen und einſchlucken moͤchten. Denn ob zwar dieſelbe vielen einen Grauen
verurſachen, und manchen ehrlichen Mann gantz und gar zuwider ſind, ſo muß
man doch vielmals groſſer Herren Ungunſt nicht auf ſich zu laden, auch ſeine ei-
gene Sachen nicht in Gefahr zu ſetzen, ſich ſtellen, als ob man einen ſonderli-
chen Gefallen daran haͤtte, und dieſelbe mit groſſer Begierde und hungerigen Ma-
gen, ſo warm man es leiden kan, zu ſich nehmen.
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[95/0139] 13) Befindet ſich allhier in dem politiſchen Kauff-Haus die vortreffliche Dinte ſo dem Golde gleich geachtet wird, viel koͤſtlicher als das Laſur-Blau, welche Dinte von beruͤhmten Scribenten verſchrieben wird, und iſt gleichſam ein koͤſtlicher Balſam ihre verſtorbenen Coͤrper damit zu balſamiren, und ihnen, auch nach dem Tode, einen ewigen und guten Geruch zu machen; dahingegen die Ignoranten und ungelehrte, oder auch gelehrte Narren und Fantaſten, einen unertraͤglichen Geſtanck von ſich geben, und bald nach ihrem Tod zu Staub und Aſche werden. Weiſe und gelehrte Leute machen ihnen mit dieſer Dinte allein einen ewigen und unſterblichen Namen, welcher mit denenjenigen, ſo nichts gewuſt haben, ſobald ihnen der Athem ausgehet, zu gleich verloͤſchet. Dieſer Balſam hat in Wahrheit eine uͤbernatuͤrliche Krafft und Wirckung, dieweil diejenigen, ſo ſich damit ſalben, leben, ob ſie ſchon ſterben, und allein ſo viel den Leib belanget, und aus dieſer Welt ſcheiden, wegen ihrer vortrefflichen Buͤcher aber in Ewigkeit darinnen bleiben. 14) Loͤſen offt-gemeldte politiſche Handels-Leute viel Geld aus einem Oele, welches vielmals ſehr dienlich befunden worden, denen, ſo zu Hofe le- ben, den Magen damit zu ſtaͤrcken, auf daß ſie ohne Verletzung der Complexion ihrer Gedult, den groſſen Wiederwillen, und die hefftigen Verdrießlichkeiten, ſo ſie zu Hofe einſchlucken muͤſſen, deſto beſſer verdauen moͤgen. 15) Verkauffen ſie in einen kleinen Glaͤßlein, den wohl-riechenden Men- ſchen-Schweiß, ſehr dienlich, diejenigen damit zu beſtreichen, welche durch den lieblichen Geruch ihrer ſauren Muͤh und Arbeit, mit der Feder in der Hand, unter denen Gelehrten ſich gerne wollen finden laſſen. 16) Werden ſehr herrliche Morſellen allhier verkaufft, ſo ſehr dienlich ſind etlichen eigenſinnigen und wiederſpaͤnſtigen Stoicis einen Appetit zu machen, damit ſie vor denen Wiederwaͤrtigkeiten dieſer Welt nicht ſo leichtlich einen Eckel und Grauen bekommen, ſondern ſelbigen mit groͤſſerer Begierde zu ſich nehmen und einſchlucken moͤchten. Denn ob zwar dieſelbe vielen einen Grauen verurſachen, und manchen ehrlichen Mann gantz und gar zuwider ſind, ſo muß man doch vielmals groſſer Herren Ungunſt nicht auf ſich zu laden, auch ſeine ei- gene Sachen nicht in Gefahr zu ſetzen, ſich ſtellen, als ob man einen ſonderli- chen Gefallen daran haͤtte, und dieſelbe mit groſſer Begierde und hungerigen Ma- gen, ſo warm man es leiden kan, zu ſich nehmen. 17) Ver-

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/139>, abgerufen am 28.03.2024.