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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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Gelehrten in Elicona auf den 8ten Hujus ausgeschrieben, seynd allda auf be-
stimmte Zeit, den 8ten Augusti, die Fürsten derer Poeten, der Adel und die De-
putir
ten derer Universitaeten, in dem grossen Saal zusammen kommen, daselbst
Ihro Parnassische Majestät, unter dem Himmel der Ewigkeit, auf seinem hell-
gläntzenden Thron, mitten unter denen Musen saße. Weil auch Apollo, in
seinem Ausschreiben gemeldet, wie er diese Versammlung darum angestel-
let, einem Tugendhafften die Unsterblichkeit seines Namens wieder-
fahren zu lassen, welchen er alsdann namhafft machen wolte,
hegeten
die Gelehrten vielerley Meynungen, wer doch derselbe seyn möchte? Die mei-
sten schlossen auf Justum Lipsium, dessen auserlesene Schrifften einen solchen
lieblichen Geruch in dem Parnasso von sich gaben, daß sie bey allen Gelehrten
mehr eine Begierde dieselben gar zu verschlingen, als zu versuchen, verursach-
ten. Andere gaben vor, es solte der öffentliche Einritt, nachmahlen die Au-
dien
tz in dem Königlichen Saal, und letzlich die Unsterblichkeit des Cardinals
Seraphini Olivarii
auf dieser Versammlung beschlossen werden. Dieser, als
er kurtz-verwichener Zeit, auf denen Gräntzen dieses Staats angelanget, wur-
de mit ungewöhnlich-herrlichen Ceremonien von denen meisten aus dem Par-
nasso
empfangen und eingeholet. Man verwunderte sich zum höchsten, wie ein
Mensch, der sich die gantze Zeit seines Lebens in der mühseligen Rota Romana
aufgehalten, ihm eine solche Wissenschafft in der Theologie und Philosophie
habe mögen zu wege bringen, wie nicht weniger in der Juristerey, Mathematique
und Astrologie excelliren können. Ja, dem die Griechische Sprache so ge-
mein gewesen, als die Lateinische, und, welches das Wunder noch grösser
machet, daß ein Praelat mit solchen Wissenschafften, und Tugenden begabet und
gezieret, dennoch als ein Schüler gestorben seye. Denn es dünckte ihm ob wis-
se er sehr wenig, und fieng derowegen in seinem achtzigsten Jahre an die Arabi-
se Sprache zu erlernen.

Dieses weitberühmten Namens Reputation wurde nochmehr durch seine
herrliche Bibliothec vermehret, die er mit sich gebracht hatte, und darum von je-
dermann um so viel höher geachtet worden, weil ihr Herr und Besitzer gelehrter
war als die Bücher, welche er dermassen durchlesen und durchstudiret, daß sie von
denen Augen dieses hochgelehrten Mannes gantz durchsichtig worden. Indem
nun das Ehrwürdige Collegium derer Gelehrten mit Verlangen wartete, welcher
unter denen zweyen hochberühmten Männern, deren jetzt-gedacht, die Ehre der Un-
sterblichkeit erlangen würde, proponirten Ihro Parnassische Majestät Vincentium

pin-

Gelehrten in Elicona auf den 8ten Hujus ausgeſchrieben, ſeynd allda auf be-
ſtimmte Zeit, den 8ten Auguſti, die Fuͤrſten derer Poëten, der Adel und die De-
putir
ten derer Univerſitæten, in dem groſſen Saal zuſammen kommen, daſelbſt
Ihro Parnaſſiſche Majeſtaͤt, unter dem Himmel der Ewigkeit, auf ſeinem hell-
glaͤntzenden Thron, mitten unter denen Muſen ſaße. Weil auch Apollo, in
ſeinem Ausſchreiben gemeldet, wie er dieſe Verſammlung darum angeſtel-
let, einem Tugendhafften die Unſterblichkeit ſeines Namens wieder-
fahren zu laſſen, welchen er alsdann namhafft machen wolte,
hegeten
die Gelehrten vielerley Meynungen, wer doch derſelbe ſeyn moͤchte? Die mei-
ſten ſchloſſen auf Juſtum Lipſium, deſſen auserleſene Schrifften einen ſolchen
lieblichen Geruch in dem Parnaſſo von ſich gaben, daß ſie bey allen Gelehrten
mehr eine Begierde dieſelben gar zu verſchlingen, als zu verſuchen, verurſach-
ten. Andere gaben vor, es ſolte der oͤffentliche Einritt, nachmahlen die Au-
dien
tz in dem Koͤniglichen Saal, und letzlich die Unſterblichkeit des Cardinals
Seraphini Olivarii
auf dieſer Verſammlung beſchloſſen werden. Dieſer, als
er kurtz-verwichener Zeit, auf denen Graͤntzen dieſes Staats angelanget, wur-
de mit ungewoͤhnlich-herrlichen Ceremonien von denen meiſten aus dem Par-
naſſo
empfangen und eingeholet. Man verwunderte ſich zum hoͤchſten, wie ein
Menſch, der ſich die gantze Zeit ſeines Lebens in der muͤhſeligen Rota Romana
aufgehalten, ihm eine ſolche Wiſſenſchafft in der Theologie und Philoſophie
habe moͤgen zu wege bringen, wie nicht weniger in der Juriſterey, Mathematique
und Aſtrologie excelliren koͤnnen. Ja, dem die Griechiſche Sprache ſo ge-
mein geweſen, als die Lateiniſche, und, welches das Wunder noch groͤſſer
machet, daß ein Prælat mit ſolchen Wiſſenſchafften, und Tugenden begabet und
gezieret, dennoch als ein Schuͤler geſtorben ſeye. Denn es duͤnckte ihm ob wiſ-
ſe er ſehr wenig, und fieng derowegen in ſeinem achtzigſten Jahre an die Arabi-
ſe Sprache zu erlernen.

Dieſes weitberuͤhmten Namens Reputation wurde nochmehr durch ſeine
herrliche Bibliothec vermehret, die er mit ſich gebracht hatte, und darum von je-
dermann um ſo viel hoͤher geachtet worden, weil ihr Herr und Beſitzer gelehrter
war als die Buͤcher, welche er dermaſſen durchleſen und durchſtudiret, daß ſie von
denen Augen dieſes hochgelehrten Mannes gantz durchſichtig worden. Indem
nun das Ehrwuͤrdige Collegium derer Gelehrten mit Verlangen wartete, welcher
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[110/0154] Gelehrten in Elicona auf den 8ten Hujus ausgeſchrieben, ſeynd allda auf be- ſtimmte Zeit, den 8ten Auguſti, die Fuͤrſten derer Poëten, der Adel und die De- putirten derer Univerſitæten, in dem groſſen Saal zuſammen kommen, daſelbſt Ihro Parnaſſiſche Majeſtaͤt, unter dem Himmel der Ewigkeit, auf ſeinem hell- glaͤntzenden Thron, mitten unter denen Muſen ſaße. Weil auch Apollo, in ſeinem Ausſchreiben gemeldet, wie er dieſe Verſammlung darum angeſtel- let, einem Tugendhafften die Unſterblichkeit ſeines Namens wieder- fahren zu laſſen, welchen er alsdann namhafft machen wolte, hegeten die Gelehrten vielerley Meynungen, wer doch derſelbe ſeyn moͤchte? Die mei- ſten ſchloſſen auf Juſtum Lipſium, deſſen auserleſene Schrifften einen ſolchen lieblichen Geruch in dem Parnaſſo von ſich gaben, daß ſie bey allen Gelehrten mehr eine Begierde dieſelben gar zu verſchlingen, als zu verſuchen, verurſach- ten. Andere gaben vor, es ſolte der oͤffentliche Einritt, nachmahlen die Au- dientz in dem Koͤniglichen Saal, und letzlich die Unſterblichkeit des Cardinals Seraphini Olivarii auf dieſer Verſammlung beſchloſſen werden. Dieſer, als er kurtz-verwichener Zeit, auf denen Graͤntzen dieſes Staats angelanget, wur- de mit ungewoͤhnlich-herrlichen Ceremonien von denen meiſten aus dem Par- naſſo empfangen und eingeholet. Man verwunderte ſich zum hoͤchſten, wie ein Menſch, der ſich die gantze Zeit ſeines Lebens in der muͤhſeligen Rota Romana aufgehalten, ihm eine ſolche Wiſſenſchafft in der Theologie und Philoſophie habe moͤgen zu wege bringen, wie nicht weniger in der Juriſterey, Mathematique und Aſtrologie excelliren koͤnnen. Ja, dem die Griechiſche Sprache ſo ge- mein geweſen, als die Lateiniſche, und, welches das Wunder noch groͤſſer machet, daß ein Prælat mit ſolchen Wiſſenſchafften, und Tugenden begabet und gezieret, dennoch als ein Schuͤler geſtorben ſeye. Denn es duͤnckte ihm ob wiſ- ſe er ſehr wenig, und fieng derowegen in ſeinem achtzigſten Jahre an die Arabi- ſe Sprache zu erlernen. Dieſes weitberuͤhmten Namens Reputation wurde nochmehr durch ſeine herrliche Bibliothec vermehret, die er mit ſich gebracht hatte, und darum von je- dermann um ſo viel hoͤher geachtet worden, weil ihr Herr und Beſitzer gelehrter war als die Buͤcher, welche er dermaſſen durchleſen und durchſtudiret, daß ſie von denen Augen dieſes hochgelehrten Mannes gantz durchſichtig worden. Indem nun das Ehrwuͤrdige Collegium derer Gelehrten mit Verlangen wartete, welcher unter denen zweyen hochberuͤhmten Maͤnnern, deren jetzt-gedacht, die Ehre der Un- ſterblichkeit erlangen wuͤrde, proponirten Ihro Parnaſſiſche Majeſtaͤt Vincentium pin-

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/154>, abgerufen am 18.04.2024.