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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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alles nach ihrer Ratione Status zirckeln und drehen wollen, zu de-
nen Fürstenthümern, welche in der Wahl bestehen, gantz untüch-
tig und ungeschickt.

Eine sehr curieuse Relation ist auch diese.

DEmnach in dem Parnasso die Fastnacht angegangen, binnen welcher Zeit die
Gelehrten sich mit mancherley Freudenspielen zu ergötzen pflegen: als ha-
ben Ihro Parnassische Majestät durch öffentlichen Trompeten-Schall ausbla-
sen lassen, daß männiglich, des Macrobii Saturnalia, Auli Gellii welcher, bey
denen heutigen Schulfüchsen und Criticis mit Gewalt Agellius heissen muß)
Noctes Atticas, Alexandri ad Alexandro seine Dies Geniales, und endlich derer
Römer; als Herren über die gantze Welt und Obristen inspectores derer
freyen Künste, ihre Bachanalia hoch-feyerlich begehen, und sich dabey lustig erzei-
gen solten. Es befahle Apollo aber auch insonderheit allen Nationen, so sich in
dem Parnasso befinden, daß eine jedwede solche Feste und Feyertage, nach ih-
res Landes Sitten und Gebrauch celebriren solte. Sobald diese fröliche Zei-
tungen mit männigliches grossen Frolocken publiciret waren, wurden die köstlich-
sten Bibliothequen eröffnet, in welche einem jedweden, so lange diese Feyerta-
ge währen, zu gehen, seines Gefallens darinnen zu verharren, und sich an de-
nen köstlichen Scriptis derer berühmtesten Autorum zu ersättigen erlaubet wur-
de. Es ist derohalben nicht zu sagen, mit was grosser Lust und Freude man
in allen Gassen und Häusern die stattlichsten und herrlichsten offenen Mahlzeiten,
so allda von Platone und andern angestellet worden, gehalten habe, bey welcher
die Gelehrten alle mit einander von dem köstlichen Wein derer freyen Künste
sehr truncken wurden. Die Rechts-Gelehrten allein, nachdem sie sahen, daß
man keine Gerichte hielte, und die Zanck-Läden alle verschlossen waren, erzeig-
ten sich sehr traurig, hingen die Köpffe, und wolten gar Hungers sterben, da
doch, bey dieser frölichen Zeit, sonst jederman genug und voll auf hatte. Sol-
ches kommet eintzig und allein daher, weil Ihro Parnassifche Majestät schon vor
etlich hundert Jahren die blossen Juristen, so sonsten in andern Sachen nichts
studieret haben, vor pur lautere grobe Esel und Ignoranten declariret, und ih-
nen zugleich die liebliche Speise der Theologie, der reinen Philosophie, der an-
genehmen Historie, der Poesie und anderer Wissenschafften verboten hat, wel-
che nur vor treffliche und großmüthige Leute gehören. Es giengen dannenhe-
[r]o die armen Tropffen nur in denen Küchen umher, allwo sie Schüsseln und

Teller

alles nach ihrer Ratione Status zirckeln und drehen wollen, zu de-
nen Fuͤrſtenthuͤmern, welche in der Wahl beſtehen, gantz untuͤch-
tig und ungeſchickt.

Eine ſehr curieuſe Relation iſt auch dieſe.

DEmnach in dem Parnaſſo die Faſtnacht angegangen, binnen welcher Zeit die
Gelehrten ſich mit mancherley Freudenſpielen zu ergoͤtzen pflegen: als ha-
ben Ihro Parnaſſiſche Majeſtaͤt durch oͤffentlichen Trompeten-Schall ausbla-
ſen laſſen, daß maͤnniglich, des Macrobii Saturnalia, Auli Gellii welcher, bey
denen heutigen Schulfuͤchſen und Criticis mit Gewalt Agellius heiſſen muß)
Noctes Atticas, Alexandri ad Alexandro ſeine Dies Geniales, und endlich derer
Roͤmer; als Herren uͤber die gantze Welt und Obriſten inſpectores derer
freyen Kuͤnſte, ihre Bachanalia hoch-feyerlich begehen, und ſich dabey luſtig erzei-
gen ſolten. Es befahle Apollo aber auch inſonderheit allen Nationen, ſo ſich in
dem Parnaſſo befinden, daß eine jedwede ſolche Feſte und Feyertage, nach ih-
res Landes Sitten und Gebrauch celebriren ſolte. Sobald dieſe froͤliche Zei-
tungen mit maͤnnigliches groſſen Frolocken publiciret waren, wurden die koͤſtlich-
ſten Bibliothequen eroͤffnet, in welche einem jedweden, ſo lange dieſe Feyerta-
ge waͤhren, zu gehen, ſeines Gefallens darinnen zu verharren, und ſich an de-
nen koͤſtlichen Scriptis derer beruͤhmteſten Autorum zu erſaͤttigen erlaubet wur-
de. Es iſt derohalben nicht zu ſagen, mit was groſſer Luſt und Freude man
in allen Gaſſen und Haͤuſern die ſtattlichſten und herrlichſten offenen Mahlzeiten,
ſo allda von Platone und andern angeſtellet worden, gehalten habe, bey welcher
die Gelehrten alle mit einander von dem koͤſtlichen Wein derer freyen Kuͤnſte
ſehr truncken wurden. Die Rechts-Gelehrten allein, nachdem ſie ſahen, daß
man keine Gerichte hielte, und die Zanck-Laͤden alle verſchloſſen waren, erzeig-
ten ſich ſehr traurig, hingen die Koͤpffe, und wolten gar Hungers ſterben, da
doch, bey dieſer froͤlichen Zeit, ſonſt jederman genug und voll auf hatte. Sol-
ches kommet eintzig und allein daher, weil Ihro Parnaſſifche Majeſtaͤt ſchon vor
etlich hundert Jahren die bloſſen Juriſten, ſo ſonſten in andern Sachen nichts
ſtudieret haben, vor pur lautere grobe Eſel und Ignoranten declariret, und ih-
nen zugleich die liebliche Speiſe der Theologie, der reinen Philoſophie, der an-
genehmen Hiſtorie, der Poëſie und anderer Wiſſenſchafften verboten hat, wel-
che nur vor treffliche und großmuͤthige Leute gehoͤren. Es giengen dannenhe-
[r]o die armen Tropffen nur in denen Kuͤchen umher, allwo ſie Schuͤſſeln und

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[136/0180] alles nach ihrer Ratione Status zirckeln und drehen wollen, zu de- nen Fuͤrſtenthuͤmern, welche in der Wahl beſtehen, gantz untuͤch- tig und ungeſchickt. Eine ſehr curieuſe Relation iſt auch dieſe. DEmnach in dem Parnaſſo die Faſtnacht angegangen, binnen welcher Zeit die Gelehrten ſich mit mancherley Freudenſpielen zu ergoͤtzen pflegen: als ha- ben Ihro Parnaſſiſche Majeſtaͤt durch oͤffentlichen Trompeten-Schall ausbla- ſen laſſen, daß maͤnniglich, des Macrobii Saturnalia, Auli Gellii welcher, bey denen heutigen Schulfuͤchſen und Criticis mit Gewalt Agellius heiſſen muß) Noctes Atticas, Alexandri ad Alexandro ſeine Dies Geniales, und endlich derer Roͤmer; als Herren uͤber die gantze Welt und Obriſten inſpectores derer freyen Kuͤnſte, ihre Bachanalia hoch-feyerlich begehen, und ſich dabey luſtig erzei- gen ſolten. Es befahle Apollo aber auch inſonderheit allen Nationen, ſo ſich in dem Parnaſſo befinden, daß eine jedwede ſolche Feſte und Feyertage, nach ih- res Landes Sitten und Gebrauch celebriren ſolte. Sobald dieſe froͤliche Zei- tungen mit maͤnnigliches groſſen Frolocken publiciret waren, wurden die koͤſtlich- ſten Bibliothequen eroͤffnet, in welche einem jedweden, ſo lange dieſe Feyerta- ge waͤhren, zu gehen, ſeines Gefallens darinnen zu verharren, und ſich an de- nen koͤſtlichen Scriptis derer beruͤhmteſten Autorum zu erſaͤttigen erlaubet wur- de. Es iſt derohalben nicht zu ſagen, mit was groſſer Luſt und Freude man in allen Gaſſen und Haͤuſern die ſtattlichſten und herrlichſten offenen Mahlzeiten, ſo allda von Platone und andern angeſtellet worden, gehalten habe, bey welcher die Gelehrten alle mit einander von dem koͤſtlichen Wein derer freyen Kuͤnſte ſehr truncken wurden. Die Rechts-Gelehrten allein, nachdem ſie ſahen, daß man keine Gerichte hielte, und die Zanck-Laͤden alle verſchloſſen waren, erzeig- ten ſich ſehr traurig, hingen die Koͤpffe, und wolten gar Hungers ſterben, da doch, bey dieſer froͤlichen Zeit, ſonſt jederman genug und voll auf hatte. Sol- ches kommet eintzig und allein daher, weil Ihro Parnaſſifche Majeſtaͤt ſchon vor etlich hundert Jahren die bloſſen Juriſten, ſo ſonſten in andern Sachen nichts ſtudieret haben, vor pur lautere grobe Eſel und Ignoranten declariret, und ih- nen zugleich die liebliche Speiſe der Theologie, der reinen Philoſophie, der an- genehmen Hiſtorie, der Poëſie und anderer Wiſſenſchafften verboten hat, wel- che nur vor treffliche und großmuͤthige Leute gehoͤren. Es giengen dannenhe- ro die armen Tropffen nur in denen Kuͤchen umher, allwo ſie Schuͤſſeln und Teller

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/180>, abgerufen am 28.03.2024.