Diejenigen Poeten, so sich auf den vor sie eingeführten Lorbeer-Crantz allzuviel einbilden, mögen die jetzt-kom- mende Relation in reiffe Uberle- gung ziehen.
ES wurde gestriges Tages das hohe Fest, dem berühmten Lorbeer-Baum zu Ehren, von denen sämtlichen Gelehrten in dem Parnasso hochfeyerlich begangen, welches Fest an dem Tage, da sich der denckwürdige Fall mit der Daphne zugetragen, angeordnet worden, damit Ihro Parnassische Majestät, so biß dato, wegen dieser traurigen und betrübten Verwandelung sehr be- kümmert gewesen, Ihr Gemüthe in etwas wieder ergötzen möchten. An die- sem hohen Fest ist niemand als denen Poeten, denen Kaysern und andern Hel- den erlaubet, mit Lorbeer-Cräntzen gecrönet, in das Collegium derer Gelehr- ten einzutreten. Denenjenigen aber, so diese Ehre und Praerogativ nicht ha- ben, ist anbefohlen worden, damit sie dieses Fest mit ihren blossen Häuptern nicht verunehreten, sich unterdessen zu Hause zu halten. Franciscus Petrarcha, welchem von Alters her dieses Amt vom Apolline aufgetragen ist, hielte eine sehr schöne Oration, dem Lorbeer-Baum zu Ehren. Da er aber perorirte, begegnete ihm ein denckwürdiger Zufall. Er striche erstlich gedachten Baum auf das allerbeste heraus, so gar daß er auch vom Donner nnd Blitz verscho- net und nicht berühret würde, ja daß er allein das Privilegium und die Gnade habe derer Poeten, derer Käyser und anderer tapfferer Helden Häupter zu crönen und zu zieren, und mit höchsten Eyffer sich wieder die Vermessenheit der heutigen unglückseligen Welt heraus liesse, und selbige auf das aller un- barmhertzigste durchhechelte, wie nemlich die freyen Künste so gar in Verach- tung kommen wären, daß auch dieser herrliche Baum, so in vorigen Zeiten so hoch gehalten worden, nunmehro so verachtet wäre, daß auch die Wirthe und Weinschencken, zum Zeichen ihrer Wirthschafft sich seiner gebrauchten, ja man schäme sich so gar nicht, denselben zu allerhand Speisen zu nehmen, und be- diene sich seiner Blätter zu denen gebratenen Aalen, Lebern und andern Le- cker-Bißlein. Solche nahmhaffte Mißbräuche und schändliche Gewohnhei- ten nun erzehlte Petrarcha mit solcher Vehementz und Eyffer, daß er darüber in eine Ohnmacht geriethe, und gantz Krafftloß darnieder fiele, also daß er nicht vermochte seine Oration zu Ende zu bringen. Er kunte auch nicht ehe
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Diejenigen Poëten, ſo ſich auf den vor ſie eingefuͤhrten Lorbeer-Crantz allzuviel einbilden, moͤgen die jetzt-kom- mende Relation in reiffe Uberle- gung ziehen.
ES wurde geſtriges Tages das hohe Feſt, dem beruͤhmten Lorbeer-Baum zu Ehren, von denen ſaͤmtlichen Gelehrten in dem Parnaſſo hochfeyerlich begangen, welches Feſt an dem Tage, da ſich der denckwuͤrdige Fall mit der Daphne zugetragen, angeordnet worden, damit Ihro Parnaſſiſche Majeſtaͤt, ſo biß dato, wegen dieſer traurigen und betruͤbten Verwandelung ſehr be- kuͤmmert geweſen, Ihr Gemuͤthe in etwas wieder ergoͤtzen moͤchten. An die- ſem hohen Feſt iſt niemand als denen Poëten, denen Kayſern und andern Hel- den erlaubet, mit Lorbeer-Craͤntzen gecroͤnet, in das Collegium derer Gelehr- ten einzutreten. Denenjenigen aber, ſo dieſe Ehre und Prærogativ nicht ha- ben, iſt anbefohlen worden, damit ſie dieſes Feſt mit ihren bloſſen Haͤuptern nicht verunehreten, ſich unterdeſſen zu Hauſe zu halten. Franciſcus Petrarcha, welchem von Alters her dieſes Amt vom Apolline aufgetragen iſt, hielte eine ſehr ſchoͤne Oration, dem Lorbeer-Baum zu Ehren. Da er aber perorirte, begegnete ihm ein denckwuͤrdiger Zufall. Er ſtriche erſtlich gedachten Baum auf das allerbeſte heraus, ſo gar daß er auch vom Donner nnd Blitz verſcho- net und nicht beruͤhret wuͤrde, ja daß er allein das Privilegium und die Gnade habe derer Poëten, derer Kaͤyſer und anderer tapfferer Helden Haͤupter zu croͤnen und zu zieren, und mit hoͤchſten Eyffer ſich wieder die Vermeſſenheit der heutigen ungluͤckſeligen Welt heraus lieſſe, und ſelbige auf das aller un- barmhertzigſte durchhechelte, wie nemlich die freyen Kuͤnſte ſo gar in Verach- tung kommen waͤren, daß auch dieſer herrliche Baum, ſo in vorigen Zeiten ſo hoch gehalten worden, nunmehro ſo verachtet waͤre, daß auch die Wirthe und Weinſchencken, zum Zeichen ihrer Wirthſchafft ſich ſeiner gebrauchten, ja man ſchaͤme ſich ſo gar nicht, denſelben zu allerhand Speiſen zu nehmen, und be- diene ſich ſeiner Blaͤtter zu denen gebratenen Aalen, Lebern und andern Le- cker-Bißlein. Solche nahmhaffte Mißbraͤuche und ſchaͤndliche Gewohnhei- ten nun erzehlte Petrarcha mit ſolcher Vehementz und Eyffer, daß er daruͤber in eine Ohnmacht geriethe, und gantz Krafftloß darnieder fiele, alſo daß er nicht vermochte ſeine Oration zu Ende zu bringen. Er kunte auch nicht ehe
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Diejenigen Poëten, ſo ſich auf den vor ſie eingefuͤhrten
Lorbeer-Crantz allzuviel einbilden, moͤgen die jetzt-kom-
mende Relation in reiffe Uberle-
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ES wurde geſtriges Tages das hohe Feſt, dem beruͤhmten Lorbeer-Baum
zu Ehren, von denen ſaͤmtlichen Gelehrten in dem Parnaſſo hochfeyerlich
begangen, welches Feſt an dem Tage, da ſich der denckwuͤrdige Fall mit der
Daphne zugetragen, angeordnet worden, damit Ihro Parnaſſiſche Majeſtaͤt,
ſo biß dato, wegen dieſer traurigen und betruͤbten Verwandelung ſehr be-
kuͤmmert geweſen, Ihr Gemuͤthe in etwas wieder ergoͤtzen moͤchten. An die-
ſem hohen Feſt iſt niemand als denen Poëten, denen Kayſern und andern Hel-
den erlaubet, mit Lorbeer-Craͤntzen gecroͤnet, in das Collegium derer Gelehr-
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ben, iſt anbefohlen worden, damit ſie dieſes Feſt mit ihren bloſſen Haͤuptern
nicht verunehreten, ſich unterdeſſen zu Hauſe zu halten. Franciſcus Petrarcha,
welchem von Alters her dieſes Amt vom Apolline aufgetragen iſt, hielte eine
ſehr ſchoͤne Oration, dem Lorbeer-Baum zu Ehren. Da er aber perorirte,
begegnete ihm ein denckwuͤrdiger Zufall. Er ſtriche erſtlich gedachten Baum
auf das allerbeſte heraus, ſo gar daß er auch vom Donner nnd Blitz verſcho-
net und nicht beruͤhret wuͤrde, ja daß er allein das Privilegium und die Gnade
habe derer Poëten, derer Kaͤyſer und anderer tapfferer Helden Haͤupter zu
croͤnen und zu zieren, und mit hoͤchſten Eyffer ſich wieder die Vermeſſenheit
der heutigen ungluͤckſeligen Welt heraus lieſſe, und ſelbige auf das aller un-
barmhertzigſte durchhechelte, wie nemlich die freyen Kuͤnſte ſo gar in Verach-
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ſo hoch gehalten worden, nunmehro ſo verachtet waͤre, daß auch die Wirthe und
Weinſchencken, zum Zeichen ihrer Wirthſchafft ſich ſeiner gebrauchten, ja man
ſchaͤme ſich ſo gar nicht, denſelben zu allerhand Speiſen zu nehmen, und be-
diene ſich ſeiner Blaͤtter zu denen gebratenen Aalen, Lebern und andern Le-
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ten nun erzehlte Petrarcha mit ſolcher Vehementz und Eyffer, daß er daruͤber
in eine Ohnmacht geriethe, und gantz Krafftloß darnieder fiele, alſo daß er
nicht vermochte ſeine Oration zu Ende zu bringen. Er kunte auch nicht ehe
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/193>, abgerufen am 10.12.2023.
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