Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Exercitium nochmahls bekräfftiget und versichert ist? welchen Frieden die Cro-
ne Franckreich selber garantiret hat. Aber da schweiget Matztasche gantz stille
davon, entweder aus grosser Ignorantz, oder aus einer mehr als teuffelischen
Boßheit.

Er hat seinem Läster-Buch einen weitläufftigen Extract aus Lutheri
Tisch-Reden beygefüget, der aber keinesweges unverfälscht, sondern da und
dorten mit Unwahrheiten angefüllet. Hernach so muß dieser Lästerer auch
wissen, daß obgleich Bücher verhanden seynd, welche Lutheri Tisch-Reden
heissen, dieselben dennoch von ihm keineswegen ediret worden, sondern daß sol-
ches andere Leute etlich und zwantzig Jahre nach seinem Tode gethan, die nach
ihrem Gefallen hinein geschmiert haben, was sie gewolt.



Vierdte Abandlung.

VOn denen Vorurtheilen, welche die Menschen bißweilen von Kindes-
Beinen an, einzusaugen pflegen, kommet allerdings ein sehr grosser
Theil des Verderbs in dem Gelehrten Wesen her. Der geehrte
Herr Magister, oder der Herr Informator plaudert sie zu Hause hinterm Ka-
chel-Ofen oder beym Camin seinen Untergebenen vor. Als dann hält der liebe
Herr Rector und Conrector auf Schulen eben dergleichen Discurse, und der
Lernende wird in denen bereits zu Hause eingesogenen Vorurtheilen bekräffti-
get. Ziehet er hernach auf Universitaeten, füget es sich gar leichtlich, daß er
abermahl solche Professores, Doctores und Magistros legentes antrifft, die eben
so schwatzen, wie der Herr Praeceptor zu Hause und pedantische Schul-Mo-
narchen getahn. O da muß nun vollends in dem Gemüthe des Studierenden
diese und jene falsche Meynung, dieser und jene falsche Lehr-Satz, vor eine
ewige Wahrheit passiren.

Wann ich den Menschen, nach seinen innwohnenden Kräfften des Ver-
standes betrachte, er mag unter die Zahl derer Gelehrten oder Ungelehrten ge-
hören, so sehe ich, daß er nach der erlangten Klugheit vernünfftig zu raisoniren,

und

Exercitium nochmahls bekraͤfftiget und verſichert iſt? welchen Frieden die Cro-
ne Franckreich ſelber garantiret hat. Aber da ſchweiget Matztaſche gantz ſtille
davon, entweder aus groſſer Ignorantz, oder aus einer mehr als teuffeliſchen
Boßheit.

Er hat ſeinem Laͤſter-Buch einen weitlaͤufftigen Extract aus Lutheri
Tiſch-Reden beygefuͤget, der aber keinesweges unverfaͤlſcht, ſondern da und
dorten mit Unwahrheiten angefuͤllet. Hernach ſo muß dieſer Laͤſterer auch
wiſſen, daß obgleich Buͤcher verhanden ſeynd, welche Lutheri Tiſch-Reden
heiſſen, dieſelben dennoch von ihm keineswegen ediret worden, ſondern daß ſol-
ches andere Leute etlich und zwantzig Jahre nach ſeinem Tode gethan, die nach
ihrem Gefallen hinein geſchmiert haben, was ſie gewolt.



Vierdte Abandlung.

VOn denen Vorurtheilen, welche die Menſchen bißweilen von Kindes-
Beinen an, einzuſaugen pflegen, kommet allerdings ein ſehr groſſer
Theil des Verderbs in dem Gelehrten Weſen her. Der geehrte
Herr Magiſter, oder der Herr Informator plaudert ſie zu Hauſe hinterm Ka-
chel-Ofen oder beym Camin ſeinen Untergebenen vor. Als dann haͤlt der liebe
Herr Rector und Conrector auf Schulen eben dergleichen Diſcurſe, und der
Lernende wird in denen bereits zu Hauſe eingeſogenen Vorurtheilen bekraͤffti-
get. Ziehet er hernach auf Univerſitæten, fuͤget es ſich gar leichtlich, daß er
abermahl ſolche Profeſſores, Doctores und Magiſtros legentes antrifft, die eben
ſo ſchwatzen, wie der Herr Præceptor zu Hauſe und pedantiſche Schul-Mo-
narchen getahn. O da muß nun vollends in dem Gemuͤthe des Studierenden
dieſe und jene falſche Meynung, dieſer und jene falſche Lehr-Satz, vor eine
ewige Wahrheit paſſiren.

Wann ich den Menſchen, nach ſeinen innwohnenden Kraͤfften des Ver-
ſtandes betrachte, er mag unter die Zahl derer Gelehrten oder Ungelehrten ge-
hoͤren, ſo ſehe ich, daß er nach der erlangten Klugheit vernuͤnfftig zu raiſoniren,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0216" n="172"/><hi rendition="#aq">Exercitium</hi> nochmahls bekra&#x0364;fftiget und ver&#x017F;ichert i&#x017F;t? welchen Frieden die Cro-<lb/>
ne Franckreich &#x017F;elber <hi rendition="#aq">garanti</hi>ret hat. Aber da &#x017F;chweiget Matzta&#x017F;che gantz &#x017F;tille<lb/>
davon, entweder aus gro&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#aq">Ignoran</hi>tz, oder aus einer mehr als teuffeli&#x017F;chen<lb/>
Boßheit.</p><lb/>
        <p>Er hat &#x017F;einem La&#x0364;&#x017F;ter-Buch einen weitla&#x0364;ufftigen <hi rendition="#aq">Extract</hi> aus Lutheri<lb/>
Ti&#x017F;ch-Reden beygefu&#x0364;get, der aber keinesweges unverfa&#x0364;l&#x017F;cht, &#x017F;ondern da und<lb/>
dorten mit Unwahrheiten angefu&#x0364;llet. Hernach &#x017F;o muß die&#x017F;er La&#x0364;&#x017F;terer auch<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, daß obgleich Bu&#x0364;cher verhanden &#x017F;eynd, welche Lutheri Ti&#x017F;ch-Reden<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en, die&#x017F;elben dennoch von ihm keineswegen <hi rendition="#aq">edi</hi>ret worden, &#x017F;ondern daß &#x017F;ol-<lb/>
ches andere Leute etlich und zwantzig Jahre nach &#x017F;einem Tode gethan, die nach<lb/>
ihrem Gefallen hinein ge&#x017F;chmiert haben, was &#x017F;ie gewolt.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Vierdte <choice><sic>Ahandlung</sic><corr>Abandlung</corr></choice>.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">V</hi>On denen Vorurtheilen, welche die Men&#x017F;chen bißweilen von Kindes-<lb/>
Beinen an, einzu&#x017F;augen pflegen, kommet allerdings ein &#x017F;ehr gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Theil des Verderbs in dem Gelehrten We&#x017F;en her. Der geehrte<lb/>
Herr <hi rendition="#aq">Magi&#x017F;ter,</hi> oder der Herr <hi rendition="#aq">Informator</hi> plaudert &#x017F;ie zu Hau&#x017F;e hinterm Ka-<lb/>
chel-Ofen oder beym Camin &#x017F;einen Untergebenen vor. Als dann ha&#x0364;lt der liebe<lb/>
Herr <hi rendition="#aq">Rector</hi> und <hi rendition="#aq">Conrector</hi> auf Schulen eben dergleichen <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cur&#x017F;e,</hi> und der<lb/>
Lernende wird in denen bereits zu Hau&#x017F;e einge&#x017F;ogenen Vorurtheilen bekra&#x0364;ffti-<lb/>
get. Ziehet er hernach auf <hi rendition="#aq">Univer&#x017F;itæ</hi>ten, fu&#x0364;get es &#x017F;ich gar leichtlich, daß er<lb/>
abermahl &#x017F;olche <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;ores, Doctores</hi> und <hi rendition="#aq">Magi&#x017F;tros legentes</hi> antrifft, die eben<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chwatzen, wie der Herr <hi rendition="#aq">Præceptor</hi> zu Hau&#x017F;e und <hi rendition="#aq">pedanti</hi>&#x017F;che Schul-Mo-<lb/>
narchen getahn. O da muß nun vollends in dem Gemu&#x0364;the des Studierenden<lb/>
die&#x017F;e und jene fal&#x017F;che Meynung, die&#x017F;er und jene fal&#x017F;che Lehr-Satz, vor eine<lb/>
ewige Wahrheit <hi rendition="#aq">pa&#x017F;&#x017F;i</hi>ren.</p><lb/>
        <p>Wann ich den Men&#x017F;chen, nach &#x017F;einen innwohnenden Kra&#x0364;fften des Ver-<lb/>
&#x017F;tandes betrachte, er mag unter die Zahl derer Gelehrten oder Ungelehrten ge-<lb/>
ho&#x0364;ren, &#x017F;o &#x017F;ehe ich, daß er nach der erlangten Klugheit vernu&#x0364;nfftig zu <hi rendition="#aq">rai&#x017F;oni</hi>ren,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0216] Exercitium nochmahls bekraͤfftiget und verſichert iſt? welchen Frieden die Cro- ne Franckreich ſelber garantiret hat. Aber da ſchweiget Matztaſche gantz ſtille davon, entweder aus groſſer Ignorantz, oder aus einer mehr als teuffeliſchen Boßheit. Er hat ſeinem Laͤſter-Buch einen weitlaͤufftigen Extract aus Lutheri Tiſch-Reden beygefuͤget, der aber keinesweges unverfaͤlſcht, ſondern da und dorten mit Unwahrheiten angefuͤllet. Hernach ſo muß dieſer Laͤſterer auch wiſſen, daß obgleich Buͤcher verhanden ſeynd, welche Lutheri Tiſch-Reden heiſſen, dieſelben dennoch von ihm keineswegen ediret worden, ſondern daß ſol- ches andere Leute etlich und zwantzig Jahre nach ſeinem Tode gethan, die nach ihrem Gefallen hinein geſchmiert haben, was ſie gewolt. Vierdte Abandlung. VOn denen Vorurtheilen, welche die Menſchen bißweilen von Kindes- Beinen an, einzuſaugen pflegen, kommet allerdings ein ſehr groſſer Theil des Verderbs in dem Gelehrten Weſen her. Der geehrte Herr Magiſter, oder der Herr Informator plaudert ſie zu Hauſe hinterm Ka- chel-Ofen oder beym Camin ſeinen Untergebenen vor. Als dann haͤlt der liebe Herr Rector und Conrector auf Schulen eben dergleichen Diſcurſe, und der Lernende wird in denen bereits zu Hauſe eingeſogenen Vorurtheilen bekraͤffti- get. Ziehet er hernach auf Univerſitæten, fuͤget es ſich gar leichtlich, daß er abermahl ſolche Profeſſores, Doctores und Magiſtros legentes antrifft, die eben ſo ſchwatzen, wie der Herr Præceptor zu Hauſe und pedantiſche Schul-Mo- narchen getahn. O da muß nun vollends in dem Gemuͤthe des Studierenden dieſe und jene falſche Meynung, dieſer und jene falſche Lehr-Satz, vor eine ewige Wahrheit paſſiren. Wann ich den Menſchen, nach ſeinen innwohnenden Kraͤfften des Ver- ſtandes betrachte, er mag unter die Zahl derer Gelehrten oder Ungelehrten ge- hoͤren, ſo ſehe ich, daß er nach der erlangten Klugheit vernuͤnfftig zu raiſoniren, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/216
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/216>, abgerufen am 28.03.2024.