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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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brachte Academische Responsa beweisen wollen, daß er aus dem Fürstlichen
Geschlechte
derer von Scala zu Verona entsprossen seye, und hat sich zugleich
hochtrabender gelehrter Titel angemasset. Dieser aber, nachdem er seine
hochadeliche Herkunfft gleichfalls durch endlich abgehörte Zeugen bekräffti-
gen lassen, gebrauchte sich ordentlicher Weise folgenden Titels: Caspar
Schoppius, Römischer Patricius, Ritter des Heil. Petri, Kayserlicher,
wie auch Königlich-Spanischer, und Ertz-Hertzoglich-Oesterreichischer
Rath, Pfaltzgraf, und Graf von
Clartvalle.

Uber unserer gelehrten Vorfahren greulichen Hochmuth muß man sich bil-
lig wundern, als welche die prächtigen Beywörter, Durchlauchtig, Excel-
len
tz, Hochberühmt, Hochansehnlich, womit man ehemahls nur Fürsten
und Könige, oder, wann es weit kam, Römische Raths-Herren zu beehren
pflegte, auf die Schul-Leute gebracht, haben. Indessen siehet man heut zu
Tage, daß viele wollen Hochberühmt heissen, welche doch kaum 20. Schrit-
te hinter ihrer Mauer bekannt sind. Andere nennen sich Viel vermögend,
die in ihrem eigenen Hause wenig oder nichts zu sprechen haben. Wieder an-
dere Hocherfahren und Hochgelehrt, die sich kaum selbst zu helffen wissen.
Und endlich schreyet man viele gar vor Unvergleichlich aus, denen sich, mit
gutem Recht, mancher Schul-Knabe in der Wissenschafft nicht nur vergleichen,
sondern vielleicht ziemlich weit vorziehen könte.

Wir wissen, daß der Römische Kayser, Carolus Magnus, in der Uber-
schrifft seines Buches, welches er von Verehrung derer Bilder wider die
Grichen solle geschrieben haben, mit dem Ehren Nahmen eines vortreffli-
chen
und ansehnlichen Mannes, Excellentis & Spectabilis Viri, ist beleget
worden. Aber wer ist wohl heute unter denen Gelehrten so geringe, welchem
nicht düncke, ob gebührten ihm diese Bey-Worte mit Recht? und man wür-
de, zu unserer Zeit, denjenigen vor sehr einfältig halten, welcher, wie ehemahls
Boulliau bey denen Pohlacken, den Titel Ihro Excellentz nicht annehmen
wolte. Ja, gleich anfangs, da die Gelehrsamkeit sich kaum wieder etwas aus
dem Staube erhoben, war doch dieser Ehrgeitz und Titel-Sucht schon so
groß, daß es nicht an Leuten gefehlet, welche den Juristen Bartolum, gleich als
wäre er ein neues Ober-Haupt der politen Welt, den Allerunüberwünd-
lichsten
genannt haben. Und man sehe die Lobsprüche an, womit die Scho-
lasti
schen Lehrer sind beleget worden, indem man sie bald, vor Englische

bald
B b

brachte Academiſche Reſponſa beweiſen wollen, daß er aus dem Fuͤrſtlichen
Geſchlechte
derer von Scala zu Verona entſproſſen ſeye, und hat ſich zugleich
hochtrabender gelehrter Titel angemaſſet. Dieſer aber, nachdem er ſeine
hochadeliche Herkunfft gleichfalls durch endlich abgehoͤrte Zeugen bekraͤffti-
gen laſſen, gebrauchte ſich ordentlicher Weiſe folgenden Titels: Caſpar
Schoppius, Roͤmiſcher Patricius, Ritter des Heil. Petri, Kayſerlicher,
wie auch Koͤniglich-Spaniſcher, und Ertz-Hertzoglich-Oeſterreichiſcher
Rath, Pfaltzgraf, und Graf von
Clartvalle.

Uber unſerer gelehrten Vorfahren greulichen Hochmuth muß man ſich bil-
lig wundern, als welche die praͤchtigen Beywoͤrter, Durchlauchtig, Excel-
len
tz, Hochberuͤhmt, Hochanſehnlich, womit man ehemahls nur Fuͤrſten
und Koͤnige, oder, wann es weit kam, Roͤmiſche Raths-Herren zu beehren
pflegte, auf die Schul-Leute gebracht, haben. Indeſſen ſiehet man heut zu
Tage, daß viele wollen Hochberuͤhmt heiſſen, welche doch kaum 20. Schrit-
te hinter ihrer Mauer bekannt ſind. Andere nennen ſich Viel vermoͤgend,
die in ihrem eigenen Hauſe wenig oder nichts zu ſprechen haben. Wieder an-
dere Hocherfahren und Hochgelehrt, die ſich kaum ſelbſt zu helffen wiſſen.
Und endlich ſchreyet man viele gar vor Unvergleichlich aus, denen ſich, mit
gutem Recht, mancher Schul-Knabe in der Wiſſenſchafft nicht nur vergleichen,
ſondern vielleicht ziemlich weit vorziehen koͤnte.

Wir wiſſen, daß der Roͤmiſche Kayſer, Carolus Magnus, in der Uber-
ſchrifft ſeines Buches, welches er von Verehrung derer Bilder wider die
Grichen ſolle geſchrieben haben, mit dem Ehren Nahmen eines vortreffli-
chen
und anſehnlichen Mannes, Excellentis & Spectabilis Viri, iſt beleget
worden. Aber wer iſt wohl heute unter denen Gelehrten ſo geringe, welchem
nicht duͤncke, ob gebuͤhrten ihm dieſe Bey-Worte mit Recht? und man wuͤr-
de, zu unſerer Zeit, denjenigen vor ſehr einfaͤltig halten, welcher, wie ehemahls
Boulliau bey denen Pohlacken, den Titel Ihro Excellentz nicht annehmen
wolte. Ja, gleich anfangs, da die Gelehrſamkeit ſich kaum wieder etwas aus
dem Staube erhoben, war doch dieſer Ehrgeitz und Titel-Sucht ſchon ſo
groß, daß es nicht an Leuten gefehlet, welche den Juriſten Bartolum, gleich als
waͤre er ein neues Ober-Haupt der politen Welt, den Allerunuͤberwuͤnd-
lichſten
genannt haben. Und man ſehe die Lobſpruͤche an, womit die Scho-
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[193/0237] brachte Academiſche Reſponſa beweiſen wollen, daß er aus dem Fuͤrſtlichen Geſchlechte derer von Scala zu Verona entſproſſen ſeye, und hat ſich zugleich hochtrabender gelehrter Titel angemaſſet. Dieſer aber, nachdem er ſeine hochadeliche Herkunfft gleichfalls durch endlich abgehoͤrte Zeugen bekraͤffti- gen laſſen, gebrauchte ſich ordentlicher Weiſe folgenden Titels: Caſpar Schoppius, Roͤmiſcher Patricius, Ritter des Heil. Petri, Kayſerlicher, wie auch Koͤniglich-Spaniſcher, und Ertz-Hertzoglich-Oeſterreichiſcher Rath, Pfaltzgraf, und Graf von Clartvalle. Uber unſerer gelehrten Vorfahren greulichen Hochmuth muß man ſich bil- lig wundern, als welche die praͤchtigen Beywoͤrter, Durchlauchtig, Excel- lentz, Hochberuͤhmt, Hochanſehnlich, womit man ehemahls nur Fuͤrſten und Koͤnige, oder, wann es weit kam, Roͤmiſche Raths-Herren zu beehren pflegte, auf die Schul-Leute gebracht, haben. Indeſſen ſiehet man heut zu Tage, daß viele wollen Hochberuͤhmt heiſſen, welche doch kaum 20. Schrit- te hinter ihrer Mauer bekannt ſind. Andere nennen ſich Viel vermoͤgend, die in ihrem eigenen Hauſe wenig oder nichts zu ſprechen haben. Wieder an- dere Hocherfahren und Hochgelehrt, die ſich kaum ſelbſt zu helffen wiſſen. Und endlich ſchreyet man viele gar vor Unvergleichlich aus, denen ſich, mit gutem Recht, mancher Schul-Knabe in der Wiſſenſchafft nicht nur vergleichen, ſondern vielleicht ziemlich weit vorziehen koͤnte. Wir wiſſen, daß der Roͤmiſche Kayſer, Carolus Magnus, in der Uber- ſchrifft ſeines Buches, welches er von Verehrung derer Bilder wider die Grichen ſolle geſchrieben haben, mit dem Ehren Nahmen eines vortreffli- chen und anſehnlichen Mannes, Excellentis & Spectabilis Viri, iſt beleget worden. Aber wer iſt wohl heute unter denen Gelehrten ſo geringe, welchem nicht duͤncke, ob gebuͤhrten ihm dieſe Bey-Worte mit Recht? und man wuͤr- de, zu unſerer Zeit, denjenigen vor ſehr einfaͤltig halten, welcher, wie ehemahls Boulliau bey denen Pohlacken, den Titel Ihro Excellentz nicht annehmen wolte. Ja, gleich anfangs, da die Gelehrſamkeit ſich kaum wieder etwas aus dem Staube erhoben, war doch dieſer Ehrgeitz und Titel-Sucht ſchon ſo groß, daß es nicht an Leuten gefehlet, welche den Juriſten Bartolum, gleich als waͤre er ein neues Ober-Haupt der politen Welt, den Allerunuͤberwuͤnd- lichſten genannt haben. Und man ſehe die Lobſpruͤche an, womit die Scho- laſtiſchen Lehrer ſind beleget worden, indem man ſie bald, vor Engliſche bald B b

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/237>, abgerufen am 28.03.2024.