Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
auf den Schau-Platz der gelehrten Welt, da die
Welt-Weisheit, und mit derselben fast die gantze
Gelehrsamkeit, durch tausend häßliche Larven de-
rer schädlichsten Vorurtheile, insonderheit des
Ehransehens und Alterthums, auf das abscheu-
lichste verunstaltet war. Aristoteles, Thomas,
Scotus, Occam, Lombardus, Porcianus, Car-
tesius,
wurden, wo nicht als Philosophische Göt-
ter, doch zum wenigsten als allgewaltige Monar-
chen des Reichs der Welt-Weisheit angebetet.
Man hatte ihren Meynungen, unverdient, die
Verbindlichkeit gestrenger Gesetze beygeleget,
und hielte es gleichsam vor ein Verbrechen der be-
leidigten Majestät, von denenselben nur eine
Haar-breit abzuweichen. Vernunfft-Natur- und
Sitten-Lehre waren durch die ungereimte Ver-
mischung der Scholastischen Metaphysic, nichts
als ein reicher Vorrath von leeren und duncklen
Wörtern. Der hohe Geist des Thomasius kun-
te sich unmöglich zu einer so niederträchtigen
Sclaverey bequemen, und die noch so Centner-

schwe-

Vorrede.
auf den Schau-Platz der gelehrten Welt, da die
Welt-Weisheit, und mit derſelben faſt die gantze
Gelehrſamkeit, durch tauſend haͤßliche Larven de-
rer ſchaͤdlichſten Vorurtheile, inſonderheit des
Ehranſehens und Alterthums, auf das abſcheu-
lichſte verunſtaltet war. Ariſtoteles, Thomas,
Scotus, Occam, Lombardus, Porcianus, Car-
teſius,
wurden, wo nicht als Philoſophiſche Goͤt-
ter, doch zum wenigſten als allgewaltige Monar-
chen des Reichs der Welt-Weisheit angebetet.
Man hatte ihren Meynungen, unverdient, die
Verbindlichkeit geſtrenger Geſetze beygeleget,
und hielte es gleichſam vor ein Verbrechen der be-
leidigten Majeſtaͤt, von denenſelben nur eine
Haar-breit abzuweichen. Vernunfft-Natur- und
Sitten-Lehre waren durch die ungereimte Ver-
miſchung der Scholaſtiſchen Metaphyſic, nichts
als ein reicher Vorrath von leeren und duncklen
Woͤrtern. Der hohe Geiſt des Thomaſius kun-
te ſich unmoͤglich zu einer ſo niedertraͤchtigen
Sclaverey bequemen, und die noch ſo Centner-

ſchwe-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0035"/>
          <fw place="top" type="header">Vorrede.</fw><lb/> <hi rendition="#fr">auf den Schau-Platz der gelehrten Welt, da die<lb/>
Welt-Weisheit, und mit der&#x017F;elben fa&#x017F;t die gantze<lb/>
Gelehr&#x017F;amkeit, durch tau&#x017F;end ha&#x0364;ßliche Larven de-<lb/>
rer &#x017F;cha&#x0364;dlich&#x017F;ten Vorurtheile, in&#x017F;onderheit des<lb/>
Ehran&#x017F;ehens und Alterthums, auf das ab&#x017F;cheu-<lb/>
lich&#x017F;te verun&#x017F;taltet war. <hi rendition="#aq">Ari&#x017F;toteles, Thomas,<lb/>
Scotus, Occam, Lombardus, Porcianus, Car-<lb/>
te&#x017F;ius,</hi> wurden, wo nicht als <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophi</hi>&#x017F;che Go&#x0364;t-<lb/>
ter, doch zum wenig&#x017F;ten als allgewaltige Monar-<lb/>
chen des Reichs der Welt-Weisheit angebetet.<lb/>
Man hatte ihren Meynungen, unverdient, die<lb/>
Verbindlichkeit ge&#x017F;trenger Ge&#x017F;etze beygeleget,<lb/>
und hielte es gleich&#x017F;am vor ein Verbrechen der be-<lb/>
leidigten Maje&#x017F;ta&#x0364;t, von denen&#x017F;elben nur eine<lb/>
Haar-breit abzuweichen. Vernunfft-Natur- und<lb/>
Sitten-Lehre waren durch die ungereimte Ver-<lb/>
mi&#x017F;chung der <hi rendition="#aq">Schola&#x017F;ti</hi>&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Metaphy&#x017F;ic,</hi> nichts<lb/>
als ein reicher Vorrath von leeren und duncklen<lb/>
Wo&#x0364;rtern. Der hohe Gei&#x017F;t des <hi rendition="#aq">Thoma&#x017F;ius</hi> kun-<lb/>
te &#x017F;ich unmo&#x0364;glich zu einer &#x017F;o niedertra&#x0364;chtigen<lb/>
Sclaverey bequemen, und die noch &#x017F;o Centner-</hi><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">&#x017F;chwe-</hi> </fw><lb/>
        </p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0035] Vorrede. auf den Schau-Platz der gelehrten Welt, da die Welt-Weisheit, und mit derſelben faſt die gantze Gelehrſamkeit, durch tauſend haͤßliche Larven de- rer ſchaͤdlichſten Vorurtheile, inſonderheit des Ehranſehens und Alterthums, auf das abſcheu- lichſte verunſtaltet war. Ariſtoteles, Thomas, Scotus, Occam, Lombardus, Porcianus, Car- teſius, wurden, wo nicht als Philoſophiſche Goͤt- ter, doch zum wenigſten als allgewaltige Monar- chen des Reichs der Welt-Weisheit angebetet. Man hatte ihren Meynungen, unverdient, die Verbindlichkeit geſtrenger Geſetze beygeleget, und hielte es gleichſam vor ein Verbrechen der be- leidigten Majeſtaͤt, von denenſelben nur eine Haar-breit abzuweichen. Vernunfft-Natur- und Sitten-Lehre waren durch die ungereimte Ver- miſchung der Scholaſtiſchen Metaphyſic, nichts als ein reicher Vorrath von leeren und duncklen Woͤrtern. Der hohe Geiſt des Thomaſius kun- te ſich unmoͤglich zu einer ſo niedertraͤchtigen Sclaverey bequemen, und die noch ſo Centner- ſchwe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/35
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/35>, abgerufen am 25.04.2024.