DEr Hochmuth ist an allen Menschen überhaubt, lasterhafft und bla- mable. Aber nichts ist lächerlicher als ein stoltzer und hochmüthiger Gelehrter, welcher vermeynet, daß er einen rechten Geruch der Ge- lehrsamkeit von sich gäbe, der die Nasen nicht nur dererjenigen, die sich in der Nähe bey ihm befinden, sondern auch derer die ihn von weitem sehen oder hören, mit einem balsamischen Geist an- fülle; ja der durch seine hochgelahrte Gegenwart, alles parfumire, und wohl- riechend mache.
Niemand darff zweiffeln, daß nicht dergleichen abgeschmackte, von Stoltz, Hochmuth und eitlen Einbildungen stinckende, Thiere unter denen Gelehrten anzutreffen, welche sich vor Hoffart selber nicht kennen. Die Gelehrsamkeit solte zwar allemal von der Weisheit begleitet seyn, und sie zu einer treuen Ge- sellin und Gespielin haben. Allein diese ist, leider! von jener, öffters weit entfernet; worgegen die Narrheit und Thorheit ihre Stelle bey der Gelehrsam- keit vertritt. Denn wo der Hochmuth wohnet, da mag die Weißheit nicht residiren, und viele Gelehrte seynd dergestalt mit hohen Einbildungen angefül- let, daß sie auch wohl in dem Wahn stehen, sie seyn nicht nur vor ihre Person weit vortefflicher als andere Menschen, sondern es müssen auch ihre Excre- menta viel besser als eines sogenannten Ungelehrten seyn, oder auch eines andern Gelehrten, der ihnen an vermeynter Gelehrsamkeit, nicht gleich, noch mit einem Doctor-Licentiaten-Professor- und Magister oder einem andern geistlichen Titel pranget, als wie sie. Ein Exempel von einem solchen Gelehrten Narren ist einer gewissen gantzen Stadt, mir aber insonderheit bekannt, da ein sicherer, viel- leicht noch jetzo lebender, hochgelahrter Herr seine Magd, deswegen, weil sie bey hinwegtragung und ausräumung seines Nacht-Stuhls gesaget: Pfuy! wie stinckt das, im Zorn, und mit grosser Ernsthafftigkeit angefahren, auch
in
A
Erſte Abhandlung.
DEr Hochmuth iſt an allen Menſchen uͤberhaubt, laſterhafft und bla- mable. Aber nichts iſt laͤcherlicher als ein ſtoltzer und hochmuͤthiger Gelehrter, welcher vermeynet, daß er einen rechten Geruch der Ge- lehrſamkeit von ſich gaͤbe, der die Naſen nicht nur dererjenigen, die ſich in der Naͤhe bey ihm befinden, ſondern auch derer die ihn von weitem ſehen oder hoͤren, mit einem balſamiſchen Geiſt an- fuͤlle; ja der durch ſeine hochgelahrte Gegenwart, alles parfumire, und wohl- riechend mache.
Niemand darff zweiffeln, daß nicht dergleichen abgeſchmackte, von Stoltz, Hochmuth und eitlen Einbildungen ſtinckende, Thiere unter denen Gelehrten anzutreffen, welche ſich vor Hoffart ſelber nicht kennen. Die Gelehrſamkeit ſolte zwar allemal von der Weisheit begleitet ſeyn, und ſie zu einer treuen Ge- ſellin und Geſpielin haben. Allein dieſe iſt, leider! von jener, oͤffters weit entfernet; worgegen die Narrheit und Thorheit ihre Stelle bey der Gelehrſam- keit vertritt. Denn wo der Hochmuth wohnet, da mag die Weißheit nicht reſidiren, und viele Gelehrte ſeynd dergeſtalt mit hohen Einbildungen angefuͤl- let, daß ſie auch wohl in dem Wahn ſtehen, ſie ſeyn nicht nur vor ihre Perſon weit vortefflicher als andere Menſchen, ſondern es muͤſſen auch ihre Excre- menta viel beſſer als eines ſogenannten Ungelehrten ſeyn, oder auch eines andern Gelehrten, der ihnen an vermeynter Gelehrſamkeit, nicht gleich, noch mit einem Doctor-Licentiaten-Profeſſor- und Magiſter oder einem andern geiſtlichen Titel pranget, als wie ſie. Ein Exempel von einem ſolchen Gelehrten Narren iſt einer gewiſſen gantzen Stadt, mir aber inſonderheit bekannt, da ein ſicherer, viel- leicht noch jetzo lebender, hochgelahrter Herr ſeine Magd, deswegen, weil ſie bey hinwegtragung und ausraͤumung ſeines Nacht-Stuhls geſaget: Pfuy! wie ſtinckt das, im Zorn, und mit groſſer Ernſthafftigkeit angefahren, auch
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A
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[[1]/0045]
Erſte Abhandlung.
DEr Hochmuth iſt an allen Menſchen uͤberhaubt, laſterhafft und bla-
mable. Aber nichts iſt laͤcherlicher als ein ſtoltzer und hochmuͤthiger
Gelehrter, welcher vermeynet, daß er einen rechten Geruch der Ge-
lehrſamkeit von ſich gaͤbe, der die Naſen nicht nur dererjenigen,
die ſich in der Naͤhe bey ihm befinden, ſondern auch derer die
ihn von weitem ſehen oder hoͤren, mit einem balſamiſchen Geiſt an-
fuͤlle; ja der durch ſeine hochgelahrte Gegenwart, alles parfumire, und wohl-
riechend mache.
Niemand darff zweiffeln, daß nicht dergleichen abgeſchmackte, von Stoltz,
Hochmuth und eitlen Einbildungen ſtinckende, Thiere unter denen Gelehrten
anzutreffen, welche ſich vor Hoffart ſelber nicht kennen. Die Gelehrſamkeit
ſolte zwar allemal von der Weisheit begleitet ſeyn, und ſie zu einer treuen Ge-
ſellin und Geſpielin haben. Allein dieſe iſt, leider! von jener, oͤffters weit
entfernet; worgegen die Narrheit und Thorheit ihre Stelle bey der Gelehrſam-
keit vertritt. Denn wo der Hochmuth wohnet, da mag die Weißheit nicht
reſidiren, und viele Gelehrte ſeynd dergeſtalt mit hohen Einbildungen angefuͤl-
let, daß ſie auch wohl in dem Wahn ſtehen, ſie ſeyn nicht nur vor ihre Perſon
weit vortefflicher als andere Menſchen, ſondern es muͤſſen auch ihre Excre-
menta viel beſſer als eines ſogenannten Ungelehrten ſeyn, oder auch eines andern
Gelehrten, der ihnen an vermeynter Gelehrſamkeit, nicht gleich, noch mit einem
Doctor-Licentiaten-Profeſſor- und Magiſter oder einem andern geiſtlichen Titel
pranget, als wie ſie. Ein Exempel von einem ſolchen Gelehrten Narren iſt einer
gewiſſen gantzen Stadt, mir aber inſonderheit bekannt, da ein ſicherer, viel-
leicht noch jetzo lebender, hochgelahrter Herr ſeine Magd, deswegen, weil ſie
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/45>, abgerufen am 10.12.2023.
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