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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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es fahre, als wie dorten, mit dem Bissen, in Judam den Ertz-Schelm, der
Teuffel mit dem Magister-Titel in einige Leute, die ihn annehmen. Ich ken-
ne alte Magistros, die viertzig, funffzig, sechtzig und mehr Jahre alt sind. Die-
selben wünschen, daß sie diesen Academischen Gradum und Titel nimmermehr
angenommen haben möchten, wann sie achzehen- und zwantzig jährige Jüng-
linge damit prangen sehen, die sich vor Hochmuth selber nicht kennen. Der ge-
neigte Leser verstehe mich wohl, und sehe mich nicht davor an, als wolte ich es
blamiren, daß man auch junge Leute zu der Magister-Würde gelangen lässet.
Nein, daß ist meine Meynung keinesweges. Allein dieses solten lauter sol-
che Subjecta seyn, die den herrlichen Titel in Ansehung ihrer Gelehrsamkeit,
wie auch wegen ihrer guten Sitten, klugen und vernünfftigen Aufführung,
wircklich meritirten. Darauf siehet man, leider! am allerwenigsten, sondern pfle-
get gemeiniglich alle und jede Studenten, ohne Unterscheid, welche nur, die
zwantzig, dreyßig, viertzig biß funfftzig Thaler Unkosten daran wenden wol-
len, zu admittiren, dergestalt, daß öffters zwantzig, dreyßig, viertzig, und
noch mehr Magistri auf einmal und auf einen Schuß gebacken werden, wie der
Becker das Brod becket.

Daß ich wahr rede, solches wissen alle und jede, die den Statum einer
und der andern derer heutigen Universitaeten kennen, und es können, es abson-
derlich diejenigen Städte bezeugen, wo sich so viele Magistri befinden, daß
man, im Fall der Noth, ein gantzes Corps davon formiren, und es die Ma-
gister-Esquadron
nennen könte. Unter solcher nun sind allerdings, gemeini-
glich, nicht wenig Narren, Matzen und Lappen anzutreffen, und es ist nur noch
die Frage, ob nicht die Zahl dieser die übrigen, an deren Klugheit, Gelehrsamkeit
und vernünfftigen Conduite nichts auszusetzen, bißweilen weit übertrifft. Der
Unterschied zwischen einem solchen Matzen und Lappen, und einem andern Ge-
lehrten Narren aber bestehet darinnen, daß dieser von wircklicher hohen Gelehr-
samkeit, und vielem Wissen, zu einem stoltzen und aufgeblasenen Narren wor-
den; der Herr Magister Matz und Lappe hingegen ein junges Närrgen ist, das
sich nur einbildet, es müsse etwas wissen, weil es Herr Magister heisset; da
doch in der That nichts dahinter stecket, sondern lauter Wind in der Lade ist.
Ich meines Orts bleibe demnach dabey, daß Eltern unrecht handeln, wann sie
ihre Kinder so gar zeitig Magister werden lassen. Denn der vermeynte Meister
der Weißheit schämet sich hernach etwas mehr zu lernen. Gedencket, es hange
die gantze Gelehrsamkeit, und alle Wissenschafften an dem Magister-Titel, und
bleibet folglich, Zeit seines Lebens, ein armer Stümper.

Ein

es fahre, als wie dorten, mit dem Biſſen, in Judam den Ertz-Schelm, der
Teuffel mit dem Magiſter-Titel in einige Leute, die ihn annehmen. Ich ken-
ne alte Magiſtros, die viertzig, funffzig, ſechtzig und mehr Jahre alt ſind. Die-
ſelben wuͤnſchen, daß ſie dieſen Academiſchen Gradum und Titel nimmermehr
angenommen haben moͤchten, wann ſie achzehen- und zwantzig jaͤhrige Juͤng-
linge damit prangen ſehen, die ſich vor Hochmuth ſelber nicht kennen. Der ge-
neigte Leſer verſtehe mich wohl, und ſehe mich nicht davor an, als wolte ich es
blamiren, daß man auch junge Leute zu der Magiſter-Wuͤrde gelangen laͤſſet.
Nein, daß iſt meine Meynung keinesweges. Allein dieſes ſolten lauter ſol-
che Subjecta ſeyn, die den herrlichen Titel in Anſehung ihrer Gelehrſamkeit,
wie auch wegen ihrer guten Sitten, klugen und vernuͤnfftigen Auffuͤhrung,
wircklich meritirten. Darauf ſiehet man, leider! am allerwenigſten, ſondern pfle-
get gemeiniglich alle und jede Studenten, ohne Unterſcheid, welche nur, die
zwantzig, dreyßig, viertzig biß funfftzig Thaler Unkoſten daran wenden wol-
len, zu admittiren, dergeſtalt, daß oͤffters zwantzig, dreyßig, viertzig, und
noch mehr Magiſtri auf einmal und auf einen Schuß gebacken werden, wie der
Becker das Brod becket.

Daß ich wahr rede, ſolches wiſſen alle und jede, die den Statum einer
und der andern derer heutigen Univerſitæten kennen, und es koͤnnen, es abſon-
derlich diejenigen Staͤdte bezeugen, wo ſich ſo viele Magiſtri befinden, daß
man, im Fall der Noth, ein gantzes Corps davon formiren, und es die Ma-
giſter-Eſquadron
nennen koͤnte. Unter ſolcher nun ſind allerdings, gemeini-
glich, nicht wenig Narren, Matzen und Lappen anzutreffen, und es iſt nur noch
die Frage, ob nicht die Zahl dieſer die uͤbrigen, an deren Klugheit, Gelehrſamkeit
und vernuͤnfftigen Conduite nichts auszuſetzen, bißweilen weit uͤbertrifft. Der
Unterſchied zwiſchen einem ſolchen Matzen und Lappen, und einem andern Ge-
lehrten Narren aber beſtehet darinnen, daß dieſer von wircklicher hohen Gelehr-
ſamkeit, und vielem Wiſſen, zu einem ſtoltzen und aufgeblaſenen Narren wor-
den; der Herr Magiſter Matz und Lappe hingegen ein junges Naͤrrgen iſt, das
ſich nur einbildet, es muͤſſe etwas wiſſen, weil es Herr Magiſter heiſſet; da
doch in der That nichts dahinter ſtecket, ſondern lauter Wind in der Lade iſt.
Ich meines Orts bleibe demnach dabey, daß Eltern unrecht handeln, wann ſie
ihre Kinder ſo gar zeitig Magiſter werden laſſen. Denn der vermeynte Meiſter
der Weißheit ſchaͤmet ſich hernach etwas mehr zu lernen. Gedencket, es hange
die gantze Gelehrſamkeit, und alle Wiſſenſchafften an dem Magiſter-Titel, und
bleibet folglich, Zeit ſeines Lebens, ein armer Stuͤmper.

Ein
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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/50>, abgerufen am 28.03.2024.