Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

sein eignes Wesen, an die Unendlichkeit seiner selbst
-- das göttliche Wesen das menschliche und zwar subjectiv
menschliche Wesen in seiner absoluten Freiheit und Unbe-
schränktheit.

Unsere wesentlichste Aufgabe ist hiermit erfüllt. Wir haben
das außerweltliche, übernatürliche und übermenschliche Wesen
reducirt auf die Bestandtheile des menschlichen Wesens als
seine Grundbestandtheile. Wir sind im Schlusse wieder auf
den Anfang zurückgekommen. Der Mensch ist der Anfang der
Religion, der Mensch ist der Mittelpunkt der Religion, der
Mensch ist das Ende der Religion.

Die Religion ist das von der Welt abgeschlossene Ver-
halten des Menschen zu seinem Wesen -- das innere, das
in sich selbst verborgene Leben des Menschen. Die positive,
wahre Bedeutung und Lehre der Religion ist: Mensch gehe
in Dich! sei bei und in Dir selbst zu Hause
! sammle
Dich: bete! Beten heißt: sich sammeln, den zerstreuenden
Dialog des Lebens in den ernsten Monolog der Selbstbesin-
nung übersetzen. Hierin stimmt die Philosophie mit der Reli-
gion überein; hierin und nur hierin allein liegt die sittliche
Heilkraft und die theoretische Wahrheit der Religion.


ſein eignes Weſen, an die Unendlichkeit ſeiner ſelbſt
— das göttliche Weſen das menſchliche und zwar ſubjectiv
menſchliche Weſen in ſeiner abſoluten Freiheit und Unbe-
ſchränktheit.

Unſere weſentlichſte Aufgabe iſt hiermit erfüllt. Wir haben
das außerweltliche, übernatürliche und übermenſchliche Weſen
reducirt auf die Beſtandtheile des menſchlichen Weſens als
ſeine Grundbeſtandtheile. Wir ſind im Schluſſe wieder auf
den Anfang zurückgekommen. Der Menſch iſt der Anfang der
Religion, der Menſch iſt der Mittelpunkt der Religion, der
Menſch iſt das Ende der Religion.

Die Religion iſt das von der Welt abgeſchloſſene Ver-
halten des Menſchen zu ſeinem Weſen — das innere, das
in ſich ſelbſt verborgene Leben des Menſchen. Die poſitive,
wahre Bedeutung und Lehre der Religion iſt: Menſch gehe
in Dich! ſei bei und in Dir ſelbſt zu Hauſe
! ſammle
Dich: bete! Beten heißt: ſich ſammeln, den zerſtreuenden
Dialog des Lebens in den ernſten Monolog der Selbſtbeſin-
nung überſetzen. Hierin ſtimmt die Philoſophie mit der Reli-
gion überein; hierin und nur hierin allein liegt die ſittliche
Heilkraft und die theoretiſche Wahrheit der Religion.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0265" n="247"/><hi rendition="#g">&#x017F;ein eignes We&#x017F;en, an die Unendlichkeit &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t</hi><lb/>
&#x2014; das göttliche We&#x017F;en das men&#x017F;chliche und zwar &#x017F;ubjectiv<lb/>
men&#x017F;chliche We&#x017F;en in &#x017F;einer ab&#x017F;oluten Freiheit und Unbe-<lb/>
&#x017F;chränktheit.</p><lb/>
          <p>Un&#x017F;ere we&#x017F;entlich&#x017F;te Aufgabe i&#x017F;t hiermit erfüllt. Wir haben<lb/>
das außerweltliche, übernatürliche und übermen&#x017F;chliche We&#x017F;en<lb/>
reducirt auf die Be&#x017F;tandtheile des men&#x017F;chlichen We&#x017F;ens als<lb/>
&#x017F;eine Grundbe&#x017F;tandtheile. Wir &#x017F;ind im Schlu&#x017F;&#x017F;e wieder auf<lb/>
den Anfang zurückgekommen. Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t der Anfang der<lb/>
Religion, der Men&#x017F;ch i&#x017F;t der Mittelpunkt der Religion, der<lb/>
Men&#x017F;ch i&#x017F;t das Ende der Religion.</p><lb/>
          <p>Die Religion i&#x017F;t das von der Welt abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Ver-<lb/>
halten des Men&#x017F;chen zu &#x017F;einem We&#x017F;en &#x2014; das innere, das<lb/>
in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t verborgene Leben des Men&#x017F;chen. Die po&#x017F;itive,<lb/>
wahre Bedeutung und Lehre der Religion i&#x017F;t: Men&#x017F;ch <hi rendition="#g">gehe<lb/>
in Dich! &#x017F;ei bei und in Dir &#x017F;elb&#x017F;t zu Hau&#x017F;e</hi>! &#x017F;ammle<lb/>
Dich: <hi rendition="#g">bete</hi>! Beten heißt: &#x017F;ich &#x017F;ammeln, den zer&#x017F;treuenden<lb/>
Dialog des Lebens in den ern&#x017F;ten Monolog der Selb&#x017F;tbe&#x017F;in-<lb/>
nung über&#x017F;etzen. Hierin &#x017F;timmt die Philo&#x017F;ophie mit der Reli-<lb/>
gion überein; hierin und nur hierin allein liegt die &#x017F;ittliche<lb/>
Heilkraft und die theoreti&#x017F;che Wahrheit der Religion.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0265] ſein eignes Weſen, an die Unendlichkeit ſeiner ſelbſt — das göttliche Weſen das menſchliche und zwar ſubjectiv menſchliche Weſen in ſeiner abſoluten Freiheit und Unbe- ſchränktheit. Unſere weſentlichſte Aufgabe iſt hiermit erfüllt. Wir haben das außerweltliche, übernatürliche und übermenſchliche Weſen reducirt auf die Beſtandtheile des menſchlichen Weſens als ſeine Grundbeſtandtheile. Wir ſind im Schluſſe wieder auf den Anfang zurückgekommen. Der Menſch iſt der Anfang der Religion, der Menſch iſt der Mittelpunkt der Religion, der Menſch iſt das Ende der Religion. Die Religion iſt das von der Welt abgeſchloſſene Ver- halten des Menſchen zu ſeinem Weſen — das innere, das in ſich ſelbſt verborgene Leben des Menſchen. Die poſitive, wahre Bedeutung und Lehre der Religion iſt: Menſch gehe in Dich! ſei bei und in Dir ſelbſt zu Hauſe! ſammle Dich: bete! Beten heißt: ſich ſammeln, den zerſtreuenden Dialog des Lebens in den ernſten Monolog der Selbſtbeſin- nung überſetzen. Hierin ſtimmt die Philoſophie mit der Reli- gion überein; hierin und nur hierin allein liegt die ſittliche Heilkraft und die theoretiſche Wahrheit der Religion.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/265
Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/265>, abgerufen am 24.04.2024.