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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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Gottvater, Gottsohn, Gott h. Geist, Gott ist in allen Dreien gleich,
Dasselbe. "Ein anderer ist der Vater, ein anderer der Sohn,
ein anderer der heilige Geist, aber nichts Anderes, sondern das,
was der Vater ist auch der Sohn und der h. Geist" d. h. es sind
verschiedene Personen, aber ohne Verschiedenheit des Wesens.
Die Persönlichkeit geht also lediglich in das Verhältniß der
Vaterschaft auf, d. h. der Begriff der Person ist hier nur ein
relativer Begriff, der Begriff einer Relation. Der Mensch als
Vater ist gerade darin, daß er Vater ist, unselbstständig, we-
sentlich in Bezug auf den Sohn; er ist nicht ohne den Sohn
Vater; durch die Vaterschaft setzt sich der Mensch zu einem re-
lativen, unselbstständigen, unpersönlichen Wesen herab. Es
ist vor Allem nöthig, sich nicht täuschen zu lassen durch diese
Verhältnisse, wie sie in der Wirklichkeit, im Menschen existiren.
Der menschliche Vater ist außer seiner Vaterschaft noch selbst-
ständiges, persönliches Wesen; er hat wenigstens ein formelles
Fürsichsein, eine Existenz außer seinem Sohne; er ist nicht
nur Vater mit Ausschluß aller andern Prädicate eines wirk-
lichen persönlichen Wesens. Die Vaterschaft ist ein Verhält-
niß, das der schlechte Mensch sogar zu einer ganz äußerlichen,
sein persönliches Wesen nicht tangirenden Relation machen
kann. Aber im Gottvater ist kein Unterschied zwischen dem
Gottvater und dem Gottsohn als Gott; nur die abstracte Va-
terschaft constituirt seine Persönlichkeit, seinen Unterschied von
dem Sohne, dessen Persönlichkeit gleichfalls nur die abstracte
Sohnschaft begründet.

Aber zugleich sollen diese Relationen, wie gesagt, nicht
bloße Relationen, Unselbstständigkeiten, sondern wirkliche Per-
sonen, Wesen, Substanzen sein. Es wird also wieder die
Wahrheit des Plurals, die Wahrheit des Polytheismus be-

Gottvater, Gottſohn, Gott h. Geiſt, Gott iſt in allen Dreien gleich,
Daſſelbe. „Ein anderer iſt der Vater, ein anderer der Sohn,
ein anderer der heilige Geiſt, aber nichts Anderes, ſondern das,
was der Vater iſt auch der Sohn und der h. Geiſt“ d. h. es ſind
verſchiedene Perſonen, aber ohne Verſchiedenheit des Weſens.
Die Perſönlichkeit geht alſo lediglich in das Verhältniß der
Vaterſchaft auf, d. h. der Begriff der Perſon iſt hier nur ein
relativer Begriff, der Begriff einer Relation. Der Menſch als
Vater iſt gerade darin, daß er Vater iſt, unſelbſtſtändig, we-
ſentlich in Bezug auf den Sohn; er iſt nicht ohne den Sohn
Vater; durch die Vaterſchaft ſetzt ſich der Menſch zu einem re-
lativen, unſelbſtſtändigen, unperſönlichen Weſen herab. Es
iſt vor Allem nöthig, ſich nicht täuſchen zu laſſen durch dieſe
Verhältniſſe, wie ſie in der Wirklichkeit, im Menſchen exiſtiren.
Der menſchliche Vater iſt außer ſeiner Vaterſchaft noch ſelbſt-
ſtändiges, perſönliches Weſen; er hat wenigſtens ein formelles
Fürſichſein, eine Exiſtenz außer ſeinem Sohne; er iſt nicht
nur Vater mit Ausſchluß aller andern Prädicate eines wirk-
lichen perſönlichen Weſens. Die Vaterſchaft iſt ein Verhält-
niß, das der ſchlechte Menſch ſogar zu einer ganz äußerlichen,
ſein perſönliches Weſen nicht tangirenden Relation machen
kann. Aber im Gottvater iſt kein Unterſchied zwiſchen dem
Gottvater und dem Gottſohn als Gott; nur die abſtracte Va-
terſchaft conſtituirt ſeine Perſönlichkeit, ſeinen Unterſchied von
dem Sohne, deſſen Perſönlichkeit gleichfalls nur die abſtracte
Sohnſchaft begründet.

Aber zugleich ſollen dieſe Relationen, wie geſagt, nicht
bloße Relationen, Unſelbſtſtändigkeiten, ſondern wirkliche Per-
ſonen, Weſen, Subſtanzen ſein. Es wird alſo wieder die
Wahrheit des Plurals, die Wahrheit des Polytheismus be-

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[319/0337] Gottvater, Gottſohn, Gott h. Geiſt, Gott iſt in allen Dreien gleich, Daſſelbe. „Ein anderer iſt der Vater, ein anderer der Sohn, ein anderer der heilige Geiſt, aber nichts Anderes, ſondern das, was der Vater iſt auch der Sohn und der h. Geiſt“ d. h. es ſind verſchiedene Perſonen, aber ohne Verſchiedenheit des Weſens. Die Perſönlichkeit geht alſo lediglich in das Verhältniß der Vaterſchaft auf, d. h. der Begriff der Perſon iſt hier nur ein relativer Begriff, der Begriff einer Relation. Der Menſch als Vater iſt gerade darin, daß er Vater iſt, unſelbſtſtändig, we- ſentlich in Bezug auf den Sohn; er iſt nicht ohne den Sohn Vater; durch die Vaterſchaft ſetzt ſich der Menſch zu einem re- lativen, unſelbſtſtändigen, unperſönlichen Weſen herab. Es iſt vor Allem nöthig, ſich nicht täuſchen zu laſſen durch dieſe Verhältniſſe, wie ſie in der Wirklichkeit, im Menſchen exiſtiren. Der menſchliche Vater iſt außer ſeiner Vaterſchaft noch ſelbſt- ſtändiges, perſönliches Weſen; er hat wenigſtens ein formelles Fürſichſein, eine Exiſtenz außer ſeinem Sohne; er iſt nicht nur Vater mit Ausſchluß aller andern Prädicate eines wirk- lichen perſönlichen Weſens. Die Vaterſchaft iſt ein Verhält- niß, das der ſchlechte Menſch ſogar zu einer ganz äußerlichen, ſein perſönliches Weſen nicht tangirenden Relation machen kann. Aber im Gottvater iſt kein Unterſchied zwiſchen dem Gottvater und dem Gottſohn als Gott; nur die abſtracte Va- terſchaft conſtituirt ſeine Perſönlichkeit, ſeinen Unterſchied von dem Sohne, deſſen Perſönlichkeit gleichfalls nur die abſtracte Sohnſchaft begründet. Aber zugleich ſollen dieſe Relationen, wie geſagt, nicht bloße Relationen, Unſelbſtſtändigkeiten, ſondern wirkliche Per- ſonen, Weſen, Subſtanzen ſein. Es wird alſo wieder die Wahrheit des Plurals, die Wahrheit des Polytheismus be-

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/337>, abgerufen am 18.04.2024.