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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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planlos und auf gutes Glück, sondern nach
einer festen, und ihr wohl bekannten Regel
einher, und ist ihres Erfolges gewiß. Ihr
Zögling geht zu rechter Zeit als ein festes, und
unwandelbares Kunstwerk dieser ihrer Kunst
hervor, das nicht etwa auch anders gehen
könne, denn also, wie es durch sie gestellt wor¬
den, und das nicht etwa einer Nachhülfe be¬
dürfe, sondern das durch sich selbst nach sei¬
nem eignen Gesetze fortgeht.

Zwar bildet diese Erziehung auch den Geist
ihres Zöglings; und diese geistige Bildung ist
sogar ihr erstes, mit welchem sie ihr Geschäft
anhebt. Doch ist diese geistige Entwicklung
nicht erster, und selbstständiger Zweck, sondern
nur das bedingende Mittel, um sittliche Bil¬
dung an den Zögling zu bringen. Inzwischen
bleibt auch diese nur gelegentlich erworbene
geistige Bildung ein aus dem Leben des Zög¬
lings unaustilgbarer Besitz, und die ewig fort¬
brennende Leuchte seiner sittlichen Liebe. Wie
groß auch, oder wie geringfügig die Summe der
Erkenntnisse seyn möge, die er aus der Erzie¬
hung mitgebracht; einen Geist, der sein gan¬
zes Leben hindurch jedwede Wahrheit, deren

planlos und auf gutes Gluͤck, ſondern nach
einer feſten, und ihr wohl bekannten Regel
einher, und iſt ihres Erfolges gewiß. Ihr
Zoͤgling geht zu rechter Zeit als ein feſtes, und
unwandelbares Kunſtwerk dieſer ihrer Kunſt
hervor, das nicht etwa auch anders gehen
koͤnne, denn alſo, wie es durch ſie geſtellt wor¬
den, und das nicht etwa einer Nachhuͤlfe be¬
duͤrfe, ſondern das durch ſich ſelbſt nach ſei¬
nem eignen Geſetze fortgeht.

Zwar bildet dieſe Erziehung auch den Geiſt
ihres Zoͤglings; und dieſe geiſtige Bildung iſt
ſogar ihr erſtes, mit welchem ſie ihr Geſchaͤft
anhebt. Doch iſt dieſe geiſtige Entwicklung
nicht erſter, und ſelbſtſtaͤndiger Zweck, ſondern
nur das bedingende Mittel, um ſittliche Bil¬
dung an den Zoͤgling zu bringen. Inzwiſchen
bleibt auch dieſe nur gelegentlich erworbene
geiſtige Bildung ein aus dem Leben des Zoͤg¬
lings unaustilgbarer Beſitz, und die ewig fort¬
brennende Leuchte ſeiner ſittlichen Liebe. Wie
groß auch, oder wie geringfuͤgig die Summe der
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hung mitgebracht; einen Geiſt, der ſein gan¬
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[82/0088] planlos und auf gutes Gluͤck, ſondern nach einer feſten, und ihr wohl bekannten Regel einher, und iſt ihres Erfolges gewiß. Ihr Zoͤgling geht zu rechter Zeit als ein feſtes, und unwandelbares Kunſtwerk dieſer ihrer Kunſt hervor, das nicht etwa auch anders gehen koͤnne, denn alſo, wie es durch ſie geſtellt wor¬ den, und das nicht etwa einer Nachhuͤlfe be¬ duͤrfe, ſondern das durch ſich ſelbſt nach ſei¬ nem eignen Geſetze fortgeht. Zwar bildet dieſe Erziehung auch den Geiſt ihres Zoͤglings; und dieſe geiſtige Bildung iſt ſogar ihr erſtes, mit welchem ſie ihr Geſchaͤft anhebt. Doch iſt dieſe geiſtige Entwicklung nicht erſter, und ſelbſtſtaͤndiger Zweck, ſondern nur das bedingende Mittel, um ſittliche Bil¬ dung an den Zoͤgling zu bringen. Inzwiſchen bleibt auch dieſe nur gelegentlich erworbene geiſtige Bildung ein aus dem Leben des Zoͤg¬ lings unaustilgbarer Beſitz, und die ewig fort¬ brennende Leuchte ſeiner ſittlichen Liebe. Wie groß auch, oder wie geringfuͤgig die Summe der Erkenntniſſe ſeyn moͤge, die er aus der Erzie¬ hung mitgebracht; einen Geiſt, der ſein gan¬ zes Leben hindurch jedwede Wahrheit, deren

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/88>, abgerufen am 25.04.2024.