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Finen, Eberhard: Der unbewegliche Damm der Gläubigen. Braunschweig, [1716].

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Tage vor seinem seeligen Abschiede besuchte / und mein hertzliches Mitleiden über die noch immer anhaltende Schwachheit bezeugete / ließ er die Worte JEsu von sich hören: Meine Stunde ist noch nicht kommen? und als ich darauf antwortete: Sie wird aber gewißlich kommen / versetzte er mit grosser Freudigkeit: Ach ja! Meine Zeit steht in GOttes Händen. Warlich / dieses war eine deutliche Anzeige / sowol einer frölichen Hoffnung als stiller Gelassenheit; Diese war mit dem Noch nicht zufrieden / jene aber / die Hoffnung / verließ sich darauf / daß auf das Noch nicht ein erwündschtes Endlich folgen würde. Und siehe! es ist erfolget / als sein JEsus am verwichenen zweyten Septembris seines Jammers durch eine seelige Auflösung ein Ende machte. Es geschahe solches währender Hora, als dem bey hiesigem Stiffte gewöhnlichen Gottesdienste / und fielen mir daher die vorangeführte Worte des Wol-seeligen Herrn Assessoris bey; Meine Stunde ist noch nicht kommen. Ich richtete mich daher in meinen grössesten Betrübniß über den Verlust dieses lieben Mannes mit diesen Gedancken auf: Siehe / so ist eben unter der Hora die Hora die Stunde / die Hülffs-Stunde JEsu kommen. Zwar den seelig Verstorbenen zu rechter Stunde / aber ach! nach menschlichen Gedancken viel zu früh vor die höchstbetrübte Frau Wittwe / viel zu früh vor einen Vater- und Mutter-losen noch nicht berahtenen Sohn / viel zu frühe vor Vier Vater-lose Waysen / viel zu frühe vor dieses löbliche Stifft / viel zu frühe vor sämtliche vornehme Angehörige und Verwandten / viel zu frühe vor Seine Clienten und gute Freunde. Wenn ein Damm durchgebrochen / hat man ja eine Fluht zu befürchten / und was für Fluhten stellen ihnen nicht itzt angeführte Leydtragende vor / da der unbescheidene Todt ihren Damm hat eingerissen?

Doch / ich bin nicht aufgetreten allein zum klagen / sondern E. L. nach Des Wolseel. Herrn Assessoris Anwei-

Tage vor seinem seeligen Abschiede besuchte / und mein hertzliches Mitleiden über die noch immer anhaltende Schwachheit bezeugete / ließ er die Worte JEsu von sich hören: Meine Stunde ist noch nicht kommen? und als ich darauf antwortete: Sie wird aber gewißlich kommen / versetzte er mit grosser Freudigkeit: Ach ja! Meine Zeit steht in GOttes Händen. Warlich / dieses war eine deutliche Anzeige / sowol einer frölichen Hoffnung als stiller Gelassenheit; Diese war mit dem Noch nicht zufrieden / jene aber / die Hoffnung / verließ sich darauf / daß auf das Noch nicht ein erwündschtes Endlich folgen würde. Und siehe! es ist erfolget / als sein JEsus am verwichenen zweyten Septembris seines Jammers durch eine seelige Auflösung ein Ende machte. Es geschahe solches währender Hora, als dem bey hiesigem Stiffte gewöhnlichen Gottesdienste / und fielen mir daher die vorangeführte Worte des Wol-seeligen Herrn Assessoris bey; Meine Stunde ist noch nicht kommen. Ich richtete mich daher in meinen grössesten Betrübniß über den Verlust dieses lieben Mannes mit diesen Gedancken auf: Siehe / so ist eben unter der Hora die Hora die Stunde / die Hülffs-Stunde JEsu kom̃en. Zwar den seelig Verstorbenen zu rechter Stunde / aber ach! nach menschlichen Gedancken viel zu früh vor die höchstbetrübte Frau Wittwe / viel zu früh vor einen Vater- und Mutter-losen noch nicht berahtenen Sohn / viel zu frühe vor Vier Vater-lose Waysen / viel zu frühe vor dieses löbliche Stifft / viel zu frühe vor sämtliche vornehme Angehörige und Verwandten / viel zu frühe vor Seine Clienten und gute Freunde. Wenn ein Damm durchgebrochen / hat man ja eine Fluht zu befürchten / und was für Fluhten stellen ihnen nicht itzt angeführte Leydtragende vor / da der unbescheidene Todt ihren Damm hat eingerissen?

Doch / ich bin nicht aufgetreten allein zum klagen / sondern E. L. nach Des Wolseel. Herrn Assessoris Anwei-

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[3/0009] Tage vor seinem seeligen Abschiede besuchte / und mein hertzliches Mitleiden über die noch immer anhaltende Schwachheit bezeugete / ließ er die Worte JEsu von sich hören: Meine Stunde ist noch nicht kommen? und als ich darauf antwortete: Sie wird aber gewißlich kommen / versetzte er mit grosser Freudigkeit: Ach ja! Meine Zeit steht in GOttes Händen. Warlich / dieses war eine deutliche Anzeige / sowol einer frölichen Hoffnung als stiller Gelassenheit; Diese war mit dem Noch nicht zufrieden / jene aber / die Hoffnung / verließ sich darauf / daß auf das Noch nicht ein erwündschtes Endlich folgen würde. Und siehe! es ist erfolget / als sein JEsus am verwichenen zweyten Septembris seines Jammers durch eine seelige Auflösung ein Ende machte. Es geschahe solches währender Hora, als dem bey hiesigem Stiffte gewöhnlichen Gottesdienste / und fielen mir daher die vorangeführte Worte des Wol-seeligen Herrn Assessoris bey; Meine Stunde ist noch nicht kommen. Ich richtete mich daher in meinen grössesten Betrübniß über den Verlust dieses lieben Mannes mit diesen Gedancken auf: Siehe / so ist eben unter der Hora die Hora die Stunde / die Hülffs-Stunde JEsu kom̃en. Zwar den seelig Verstorbenen zu rechter Stunde / aber ach! nach menschlichen Gedancken viel zu früh vor die höchstbetrübte Frau Wittwe / viel zu früh vor einen Vater- und Mutter-losen noch nicht berahtenen Sohn / viel zu frühe vor Vier Vater-lose Waysen / viel zu frühe vor dieses löbliche Stifft / viel zu frühe vor sämtliche vornehme Angehörige und Verwandten / viel zu frühe vor Seine Clienten und gute Freunde. Wenn ein Damm durchgebrochen / hat man ja eine Fluht zu befürchten / und was für Fluhten stellen ihnen nicht itzt angeführte Leydtragende vor / da der unbescheidene Todt ihren Damm hat eingerissen? Doch / ich bin nicht aufgetreten allein zum klagen / sondern E. L. nach Des Wolseel. Herrn Assessoris Anwei-

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Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Der unbewegliche Damm der Gläubigen. Braunschweig, [1716], S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_damm_1716/9>, abgerufen am 20.04.2024.