Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.

Bild:
<< vorherige Seite

ein; Ich aber deutete es auf das / was an der Erden vorzugehen pflegte / und gedachte: O wie wol könte man dieses Wort Unbeständig bey alle Tage in dem Calender schreiben / denn wie die Welt selbst der Veränderung unterworffen / so arten die Kinder der Mutter nach. Unbeständig das Glück; wenn die Blume in der schönsten Blüte stehet / so ist sie den Verwelcken nahe / und diese Rose / wenn man sie meinet fest zu halten / so kommt ein Nebenbuhler / dem sie anreucht / und schlägt sie aus der Hand. Unbeständig unsere Ehre / unsere Güter / das sind die Federn / welche ein leichter Wind verwehet; der des Morgens reich und hochgeehrt aufgestanden / der liegt offt des Abends arm auf einem schlechten Streu im Tode nieder. Unbeständig unser Leben; wie man von dem Grase saget: Es ist bald welck worden / von den rohten Aepffeln / sie sind vermodert / von wolanlassenden Bäumen: sie sind ausgangen / so bald gehet es auch zum Ende mit unserm Leben. Ach ich konte ohne Bewegung dieses Wort Unbeständig nicht ansehen / weil mir das Exempel vor Augen stund / da ich das Leben einer dem Ansehen nach munteren und frischen / und auch nach ihren Jahren / deren sie erst 51. und etliche Monath zurück gelegt / noch lange nicht zum Grabe zeitigen Frauen so unbeständig befunden. Doch was beklage ich doch wol des Lebens Unbeständigkeit / gewiß mehr Ursach hätten wir zu klagen / wenn diß Leben beständig wäre. Denn bey allen Ungemach / bey allen Verdrießlichkeiten / welche unser Leben mit sich führet / ist dieses noch das beste / daß solches nicht ewig wäret / sondern im Tode aufhöret / und diese Unbeständigkeit bringet einen frommen Christen zu der rechten beständigen Glückseligkeit / ja wenn er auch im Leben was gutes und Sehliges genossen / so machet des Lebens Unbeständigkeit dieses Gute besser / dieses Sehlige noch sehliger.

ein; Ich aber deutete es auf das / was an der Erden vorzugehen pflegte / und gedachte: O wie wol könte man dieses Wort Unbeständig bey alle Tage in dem Calender schreiben / denn wie die Welt selbst der Veränderung unterworffen / so arten die Kinder der Mutter nach. Unbeständig das Glück; wenn die Blume in der schönsten Blüte stehet / so ist sie den Verwelcken nahe / und diese Rose / wenn man sie meinet fest zu halten / so kommt ein Nebenbuhler / dem sie anreucht / und schlägt sie aus der Hand. Unbeständig unsere Ehre / unsere Güter / das sind die Federn / welche ein leichter Wind verwehet; der des Morgens reich und hochgeehrt aufgestanden / der liegt offt des Abends arm auf einem schlechten Streu im Tode nieder. Unbeständig unser Leben; wie man von dem Grase saget: Es ist bald welck worden / von den rohten Aepffeln / sie sind vermodert / von wolanlassenden Bäumen: sie sind ausgangen / so bald gehet es auch zum Ende mit unserm Leben. Ach ich konte ohne Bewegung dieses Wort Unbeständig nicht ansehen / weil mir das Exempel vor Augen stund / da ich das Leben einer dem Ansehen nach munteren und frischen / und auch nach ihren Jahren / deren sie erst 51. und etliche Monath zurück gelegt / noch lange nicht zum Grabe zeitigen Frauen so unbeständig befunden. Doch was beklage ich doch wol des Lebens Unbeständigkeit / gewiß mehr Ursach hätten wir zu klagen / wenn diß Leben beständig wäre. Denn bey allen Ungemach / bey allen Verdrießlichkeiten / welche unser Leben mit sich führet / ist dieses noch das beste / daß solches nicht ewig wäret / sondern im Tode aufhöret / und diese Unbeständigkeit bringet einen frommen Christen zu der rechten beständigen Glückseligkeit / ja wenn er auch im Leben was gutes und Sehliges genossen / so machet des Lebens Unbeständigkeit dieses Gute besser / dieses Sehlige noch sehliger.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0102" n="96"/>
ein; Ich
                     aber deutete es auf das / was an der Erden vorzugehen pflegte / und gedachte: O
                     wie wol könte man dieses Wort Unbeständig bey alle Tage in dem Calender
                     schreiben / denn wie die Welt selbst der Veränderung unterworffen / so arten die
                     Kinder der Mutter nach. Unbeständig das Glück; wenn die Blume in der schönsten
                     Blüte stehet / so ist sie den Verwelcken nahe / und diese Rose / wenn man sie
                     meinet fest zu halten / so kommt ein Nebenbuhler / dem sie anreucht / und
                     schlägt sie aus der Hand. Unbeständig unsere Ehre / unsere Güter / das sind die
                     Federn / welche ein leichter Wind verwehet; der des Morgens reich und hochgeehrt
                     aufgestanden / der liegt offt des Abends arm auf einem schlechten Streu im Tode
                     nieder. Unbeständig unser Leben; wie man von dem Grase saget: Es ist bald welck
                     worden / von den rohten Aepffeln / sie sind vermodert / von wolanlassenden
                     Bäumen: sie sind ausgangen / so bald gehet es auch zum Ende mit unserm Leben.
                     Ach ich konte ohne Bewegung dieses Wort Unbeständig nicht ansehen / weil mir das
                     Exempel vor Augen stund / da ich das Leben einer dem Ansehen nach munteren und
                     frischen / und auch nach ihren Jahren / deren sie erst 51. und etliche Monath
                     zurück gelegt / noch lange nicht zum Grabe zeitigen Frauen so unbeständig
                     befunden. Doch was beklage ich doch wol des Lebens Unbeständigkeit / gewiß mehr
                     Ursach hätten wir zu klagen / wenn diß Leben beständig wäre. Denn bey allen
                     Ungemach / bey allen Verdrießlichkeiten / welche unser Leben mit sich führet /
                     ist dieses noch das beste / daß solches nicht ewig wäret / sondern im Tode
                     aufhöret / und diese Unbeständigkeit bringet einen frommen Christen zu der
                     rechten beständigen Glückseligkeit / ja wenn er auch im Leben was gutes und
                     Sehliges genossen / so machet des Lebens Unbeständigkeit dieses Gute besser /
                     dieses Sehlige noch sehliger.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0102] ein; Ich aber deutete es auf das / was an der Erden vorzugehen pflegte / und gedachte: O wie wol könte man dieses Wort Unbeständig bey alle Tage in dem Calender schreiben / denn wie die Welt selbst der Veränderung unterworffen / so arten die Kinder der Mutter nach. Unbeständig das Glück; wenn die Blume in der schönsten Blüte stehet / so ist sie den Verwelcken nahe / und diese Rose / wenn man sie meinet fest zu halten / so kommt ein Nebenbuhler / dem sie anreucht / und schlägt sie aus der Hand. Unbeständig unsere Ehre / unsere Güter / das sind die Federn / welche ein leichter Wind verwehet; der des Morgens reich und hochgeehrt aufgestanden / der liegt offt des Abends arm auf einem schlechten Streu im Tode nieder. Unbeständig unser Leben; wie man von dem Grase saget: Es ist bald welck worden / von den rohten Aepffeln / sie sind vermodert / von wolanlassenden Bäumen: sie sind ausgangen / so bald gehet es auch zum Ende mit unserm Leben. Ach ich konte ohne Bewegung dieses Wort Unbeständig nicht ansehen / weil mir das Exempel vor Augen stund / da ich das Leben einer dem Ansehen nach munteren und frischen / und auch nach ihren Jahren / deren sie erst 51. und etliche Monath zurück gelegt / noch lange nicht zum Grabe zeitigen Frauen so unbeständig befunden. Doch was beklage ich doch wol des Lebens Unbeständigkeit / gewiß mehr Ursach hätten wir zu klagen / wenn diß Leben beständig wäre. Denn bey allen Ungemach / bey allen Verdrießlichkeiten / welche unser Leben mit sich führet / ist dieses noch das beste / daß solches nicht ewig wäret / sondern im Tode aufhöret / und diese Unbeständigkeit bringet einen frommen Christen zu der rechten beständigen Glückseligkeit / ja wenn er auch im Leben was gutes und Sehliges genossen / so machet des Lebens Unbeständigkeit dieses Gute besser / dieses Sehlige noch sehliger.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/102
Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/102>, abgerufen am 23.04.2024.