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Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.

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ters gefraget worden: warum er sich freue / so lange im Leben zu bleiben? zur Antwort geben können: Quia nihil habeo, quod accusem senectutem; darum gefällt mir das lange Leben / weil ich nichts über das Alter zu klagen finde. So sind doch deren sehr viel tausend andere / die alle über das beschwerliche und kranckheits-volle Alter klagen / zumahl jetzo / da die Welt selbst alt und kranck / und es mit ihr auf die Neige kommen ist. Laß seyn / daß unsere seel. Fr. Pröbstinn von GOTT auch in ihrem Alter so getragen worden / daß / da es sonst heißt: senes bis pueri, ihr Verstand biß ans Ende gut geblieben / ihre Leibes-Schwachheit erträglich / und ihre Kräffte biß auf einige Monat vor ihrem Tode über ihr Alter sonderlich; So daß man wol sagen könne: Sie sey nicht eben an Kranckheit / sondern am langen Leben gestorben; so bleibets doch wol dabey / daß nach Aristotelis Ausspruch das Alter an sich selbst [fremdsprachliches Material] eine natürliche Kranckheit sey / und also viel Ungemach mit sich führe. Hier war nun / wie schon gesagt / die Geduld der seel. Fr. Pröbstinn immer jung und muhtig / und erwartete der frölichen Stunde / da Sie solte von der so lang getragenen Last entladen werden. Und siehe / dieses geschahe an dem Morgen des 12. Junii, diß war der Morgen / an welchem es mit der ältesten Person in dieser Stadt Abend worden. Ich zweiffle sehr daran / ob jemand diesen Tod schmertzlich empfinden und darüber trauren werde. Diß möchten wir betrauren / daß / da bißher nun nach einander so vieler frommer Wittwen Seufftzer und Gebeht vor diese Stadt uns entzogen worden / wir auch künfftig derer entbehren müssen / welche die seel. Fr. Pröbstinn zu

ters gefraget worden: warum er sich freue / so lange im Leben zu bleiben? zur Antwort geben können: Quia nihil habeo, quod accusem senectutem; darum gefällt mir das lange Leben / weil ich nichts über das Alter zu klagen finde. So sind doch deren sehr viel tausend andere / die alle über das beschwerliche und kranckheits-volle Alter klagen / zumahl jetzo / da die Welt selbst alt und kranck / und es mit ihr auf die Neige kommen ist. Laß seyn / daß unsere seel. Fr. Pröbstinn von GOTT auch in ihrem Alter so getragen worden / daß / da es sonst heißt: senes bis pueri, ihr Verstand biß ans Ende gut geblieben / ihre Leibes-Schwachheit erträglich / und ihre Kräffte biß auf einige Monat vor ihrem Tode über ihr Alter sonderlich; So daß man wol sagen könne: Sie sey nicht eben an Kranckheit / sondern am langen Leben gestorben; so bleibets doch wol dabey / daß nach Aristotelis Ausspruch das Alter an sich selbst [fremdsprachliches Material] eine natürliche Kranckheit sey / und also viel Ungemach mit sich führe. Hier war nun / wie schon gesagt / die Geduld der seel. Fr. Pröbstinn immer jung und muhtig / und erwartete der frölichen Stunde / da Sie solte von der so lang getragenen Last entladen werden. Und siehe / dieses geschahe an dem Morgen des 12. Junii, diß war der Morgen / an welchem es mit der ältesten Person in dieser Stadt Abend worden. Ich zweiffle sehr daran / ob jemand diesen Tod schmertzlich empfinden und darüber trauren werde. Diß möchten wir betrauren / daß / da bißher nun nach einander so vieler frommer Wittwen Seufftzer und Gebeht vor diese Stadt uns entzogen worden / wir auch künfftig derer entbehren müssen / welche die seel. Fr. Pröbstinn zu

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[147/0153] ters gefraget worden: warum er sich freue / so lange im Leben zu bleiben? zur Antwort geben können: Quia nihil habeo, quod accusem senectutem; darum gefällt mir das lange Leben / weil ich nichts über das Alter zu klagen finde. So sind doch deren sehr viel tausend andere / die alle über das beschwerliche und kranckheits-volle Alter klagen / zumahl jetzo / da die Welt selbst alt und kranck / und es mit ihr auf die Neige kommen ist. Laß seyn / daß unsere seel. Fr. Pröbstinn von GOTT auch in ihrem Alter so getragen worden / daß / da es sonst heißt: senes bis pueri, ihr Verstand biß ans Ende gut geblieben / ihre Leibes-Schwachheit erträglich / und ihre Kräffte biß auf einige Monat vor ihrem Tode über ihr Alter sonderlich; So daß man wol sagen könne: Sie sey nicht eben an Kranckheit / sondern am langen Leben gestorben; so bleibets doch wol dabey / daß nach Aristotelis Ausspruch das Alter an sich selbst _ eine natürliche Kranckheit sey / und also viel Ungemach mit sich führe. Hier war nun / wie schon gesagt / die Geduld der seel. Fr. Pröbstinn immer jung und muhtig / und erwartete der frölichen Stunde / da Sie solte von der so lang getragenen Last entladen werden. Und siehe / dieses geschahe an dem Morgen des 12. Junii, diß war der Morgen / an welchem es mit der ältesten Person in dieser Stadt Abend worden. Ich zweiffle sehr daran / ob jemand diesen Tod schmertzlich empfinden und darüber trauren werde. Diß möchten wir betrauren / daß / da bißher nun nach einander so vieler frommer Wittwen Seufftzer und Gebeht vor diese Stadt uns entzogen worden / wir auch künfftig derer entbehren müssen / welche die seel. Fr. Pröbstinn zu

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Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/153>, abgerufen am 25.04.2024.