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Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.

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So muß dieser mitten auß seinen Acten herauß gerissen werden. Warum? Er bekam einen Process, darüber er alle Acten muste liegen lassen. Wurde jener Medicus endlich sein eigner Patient, so muste dieser Advocat endlich sein eigner Cliente werden. Beyde aber sind darin glücklich / daß sie dem Ansehen nach / in ihrer letzten Praxi unglücklich gewesen. Dem Medico starb der Patiente / aber durchs sterben ward er so gesund / daß er nimmer wieder kranck werden kan; des Advocaten Client muste den Process verliehren / aber dabey einen Process gewinnen / der ihm in Ewigkeit gut thun wird. M. H. A. haben ihnen die grosse Mühe genommen / und Zuschauer und Zeugen davon seyn wollen / daß diesem Rechts-gelahrten sein Recht wiederfahren und seine Gebeine zur Ruhe gebracht werden / davor soll ich nun dancken. Ehe ich aber dieses thue / muß ich zuvor etwas von dem Sehl. Verstorbenen reden / und zeigen / daß er solcher Mühe noch wol wehrt gewesen. Ich sehe zwar gerne daß diß ein ander thäte / denn ich bin ein Teologus, dieser Sehl. Advocat aber hätte wol einen Advocaten nöhtig / der in gewissen Stücken seine Unschud rettete. Zwar seine Profession selbst macht ihn schon bey der unbilligen bösen Welt verdächtig / denn er war unter denen / die da müssen immer im Streit leben. Er war ein Jurist. Nun ist das Sprichwort wol bekant / weches aber (ich setze dieß mit gutem Bedacht) welches / sage ich / von unverständigen Leuten auffgebracht / die unter schwartz und weiß / und zwischen dem Gebrauch und Mißbrauch eines Dinges nicht zu unterscheiden wissen / da es heist: Juristen böse Christen. Ist aber gut / daß diese enunciatio nicht universalis ist / und müssen das wol böse Christen seyn / die von allen Juristen ohne Unterscheid also urtheilen wolten. Denn ob es zwar wol viele geben möchte / auff welche sich das Sinn-Bild jenes klugen Kopffes nicht

So muß dieser mitten auß seinen Acten herauß gerissen werden. Warum? Er bekam einen Process, darüber er alle Acten muste liegen lassen. Wurde jener Medicus endlich sein eigner Patient, so muste dieser Advocat endlich sein eigner Cliente werden. Beyde aber sind darin glücklich / daß sie dem Ansehen nach / in ihrer letzten Praxi unglücklich gewesen. Dem Medico starb der Patiente / aber durchs sterben ward er so gesund / daß er nimmer wieder kranck werden kan; des Advocaten Client muste den Process verliehren / aber dabey einen Process gewinnen / der ihm in Ewigkeit gut thun wird. M. H. A. haben ihnen die grosse Mühe genommen / und Zuschauer und Zeugen davon seyn wollen / daß diesem Rechts-gelahrten sein Recht wiederfahren und seine Gebeine zur Ruhe gebracht werden / davor soll ich nun dancken. Ehe ich aber dieses thue / muß ich zuvor etwas von dem Sehl. Verstorbenen reden / und zeigen / daß er solcher Mühe noch wol wehrt gewesen. Ich sehe zwar gerne daß diß ein ander thäte / denn ich bin ein Teologus, dieser Sehl. Advocat aber hätte wol einen Advocaten nöhtig / der in gewissen Stücken seine Unschud rettete. Zwar seine Profession selbst macht ihn schon bey der unbilligen bösen Welt verdächtig / denn er war unter denen / die da müssen immer im Streit leben. Er war ein Jurist. Nun ist das Sprichwort wol bekant / weches aber (ich setze dieß mit gutem Bedacht) welches / sage ich / von unverständigen Leuten auffgebracht / die unter schwartz und weiß / und zwischen dem Gebrauch und Mißbrauch eines Dinges nicht zu unterscheiden wissen / da es heist: Juristen böse Christen. Ist aber gut / daß diese enunciatio nicht universalis ist / und müssen das wol böse Christen seyn / die von allen Juristen ohne Unterscheid also urtheilen wolten. Denn ob es zwar wol viele geben möchte / auff welche sich das Sinn-Bild jenes klugen Kopffes nicht

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                     werden. Beyde aber sind darin glücklich / daß sie dem Ansehen nach / in ihrer
                     letzten Praxi unglücklich gewesen. Dem Medico starb der Patiente / aber durchs
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                     Advocaten Client muste den Process verliehren / aber dabey einen Process
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                     in gewissen Stücken seine Unschud rettete. Zwar seine Profession selbst macht
                     ihn schon bey der unbilligen bösen Welt verdächtig / denn er war unter denen /
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[10/0016] So muß dieser mitten auß seinen Acten herauß gerissen werden. Warum? Er bekam einen Process, darüber er alle Acten muste liegen lassen. Wurde jener Medicus endlich sein eigner Patient, so muste dieser Advocat endlich sein eigner Cliente werden. Beyde aber sind darin glücklich / daß sie dem Ansehen nach / in ihrer letzten Praxi unglücklich gewesen. Dem Medico starb der Patiente / aber durchs sterben ward er so gesund / daß er nimmer wieder kranck werden kan; des Advocaten Client muste den Process verliehren / aber dabey einen Process gewinnen / der ihm in Ewigkeit gut thun wird. M. H. A. haben ihnen die grosse Mühe genommen / und Zuschauer und Zeugen davon seyn wollen / daß diesem Rechts-gelahrten sein Recht wiederfahren und seine Gebeine zur Ruhe gebracht werden / davor soll ich nun dancken. Ehe ich aber dieses thue / muß ich zuvor etwas von dem Sehl. Verstorbenen reden / und zeigen / daß er solcher Mühe noch wol wehrt gewesen. Ich sehe zwar gerne daß diß ein ander thäte / denn ich bin ein Teologus, dieser Sehl. Advocat aber hätte wol einen Advocaten nöhtig / der in gewissen Stücken seine Unschud rettete. Zwar seine Profession selbst macht ihn schon bey der unbilligen bösen Welt verdächtig / denn er war unter denen / die da müssen immer im Streit leben. Er war ein Jurist. Nun ist das Sprichwort wol bekant / weches aber (ich setze dieß mit gutem Bedacht) welches / sage ich / von unverständigen Leuten auffgebracht / die unter schwartz und weiß / und zwischen dem Gebrauch und Mißbrauch eines Dinges nicht zu unterscheiden wissen / da es heist: Juristen böse Christen. Ist aber gut / daß diese enunciatio nicht universalis ist / und müssen das wol böse Christen seyn / die von allen Juristen ohne Unterscheid also urtheilen wolten. Denn ob es zwar wol viele geben möchte / auff welche sich das Sinn-Bild jenes klugen Kopffes nicht

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Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/16>, abgerufen am 29.03.2024.