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Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.

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nug geredt. Und billig räumen wir der Liebe eines so empfindlich getroffenen Mutter-Hertzens hier etwas ein / und stehen Ihr gerne zu / daß Sie die höchste Ursach habe / die so frühe Entziehung eines so wol gerahtenen Sohnes zu beweinen. Trauret doch ein Gärtner / wenn bey itzigen Sommer-Tagen die gar zu heisse Lufft eine anmuhtige Blume nicht nur nicht fortkommen läst / soudern auch wol in der besten Blühte sich niedersencken und verdorren macht; Wie solte denn eine Mutter nicht klagen und trauren / da sie nicht eine blosse Blume / sondern einen mit der schönsten Tugend-Blühte schon prangenden und seinen Stamm so herrlich zierenden Zweig verwelcken / verdorren und abfallen siehet.

Pericles hielte sich so hart / daß er bey allen zu Grabe begleiteten Leichen der Seinigen die Thränen zurück hielte / endlich aber rächete sich die Natur an ihm / da er seinem letzten Sohn den Todten-Krantz auffsetzete / und zwang seine beyde Augen bey dessen Sarck die nassen Zeugen der Wehmuht häuffig fallen zu lassen; That dieses ein Mann und ein Philosophus, was Wunder denn / wenn ein Frauenzimmer / da die Thränen nicht so feste sitzen / weinet / daß eine Mutter ihren letzten Sohn bethränet? Was ließ nicht dieser Sohn vor Tugenden und herrliche Gemühts-Gaben von sich spühren? und was vor Hoffnung kunte sich nicht seine ansehnliche Familie und das Vaterland selbst von einem solchen machen? von dem man mit fug sagen mögen / was der Jesuit Mansenius über einen in der Blühte stehenden Weinstock schriebe:

Fructus in flore videntur: Bleib nur bey der Blühte stehen / So kanst du schon Früchte sehen.

Seine Gottesfurcht / welche der Leitstern aller seiner Handlungen war / er warb Ihm den Segen zu seinem studieren / dergestalt / daß Er nun höhere Studia zu tractiren sich unterstehen dürffen. Sein fleißiges Rückdencken auf seine Vor-El-

nug geredt. Und billig räumen wir der Liebe eines so empfindlich getroffenen Mutter-Hertzens hier etwas ein / und stehen Ihr gerne zu / daß Sie die höchste Ursach habe / die so frühe Entziehung eines so wol gerahtenen Sohnes zu beweinen. Trauret doch ein Gärtner / wenn bey itzigen Sommer-Tagen die gar zu heisse Lufft eine anmuhtige Blume nicht nur nicht fortkommen läst / soudern auch wol in der besten Blühte sich niedersencken und verdorren macht; Wie solte denn eine Mutter nicht klagen und trauren / da sie nicht eine blosse Blume / sondern einen mit der schönsten Tugend-Blühte schon prangenden und seinen Stamm so herrlich zierenden Zweig verwelcken / verdorren und abfallen siehet.

Pericles hielte sich so hart / daß er bey allen zu Grabe begleiteten Leichen der Seinigen die Thränen zurück hielte / endlich aber rächete sich die Natur an ihm / da er seinem letzten Sohn den Todten-Krantz auffsetzete / und zwang seine beyde Augen bey dessen Sarck die nassen Zeugen der Wehmuht häuffig fallen zu lassen; That dieses ein Mann und ein Philosophus, was Wunder denn / wenn ein Frauenzimmer / da die Thränen nicht so feste sitzen / weinet / daß eine Mutter ihren letzten Sohn bethränet? Was ließ nicht dieser Sohn vor Tugenden und herrliche Gemühts-Gaben von sich spühren? und was vor Hoffnung kunte sich nicht seine ansehnliche Familie uñ das Vaterland selbst von einem solchen machen? von dem man mit fug sagen mögen / was der Jesuit Mansenius über einen in der Blühte stehenden Weinstock schriebe:

Fructus in flore videntur: Bleib nur bey der Blühte stehen / So kanst du schon Früchte sehen.

Seine Gottesfurcht / welche der Leitstern aller seiner Handlungen war / er warb Ihm den Segen zu seinem studieren / dergestalt / daß Er nun höhere Studia zu tractiren sich unterstehen dürffen. Sein fleißiges Rückdencken auf seine Vor-El-

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                     nicht nur nicht fortkommen läst / soudern auch wol in der besten Blühte sich
                     niedersencken und verdorren macht; Wie solte denn eine Mutter nicht klagen und
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[36/0042] nug geredt. Und billig räumen wir der Liebe eines so empfindlich getroffenen Mutter-Hertzens hier etwas ein / und stehen Ihr gerne zu / daß Sie die höchste Ursach habe / die so frühe Entziehung eines so wol gerahtenen Sohnes zu beweinen. Trauret doch ein Gärtner / wenn bey itzigen Sommer-Tagen die gar zu heisse Lufft eine anmuhtige Blume nicht nur nicht fortkommen läst / soudern auch wol in der besten Blühte sich niedersencken und verdorren macht; Wie solte denn eine Mutter nicht klagen und trauren / da sie nicht eine blosse Blume / sondern einen mit der schönsten Tugend-Blühte schon prangenden und seinen Stamm so herrlich zierenden Zweig verwelcken / verdorren und abfallen siehet. Pericles hielte sich so hart / daß er bey allen zu Grabe begleiteten Leichen der Seinigen die Thränen zurück hielte / endlich aber rächete sich die Natur an ihm / da er seinem letzten Sohn den Todten-Krantz auffsetzete / und zwang seine beyde Augen bey dessen Sarck die nassen Zeugen der Wehmuht häuffig fallen zu lassen; That dieses ein Mann und ein Philosophus, was Wunder denn / wenn ein Frauenzimmer / da die Thränen nicht so feste sitzen / weinet / daß eine Mutter ihren letzten Sohn bethränet? Was ließ nicht dieser Sohn vor Tugenden und herrliche Gemühts-Gaben von sich spühren? und was vor Hoffnung kunte sich nicht seine ansehnliche Familie uñ das Vaterland selbst von einem solchen machen? von dem man mit fug sagen mögen / was der Jesuit Mansenius über einen in der Blühte stehenden Weinstock schriebe: Fructus in flore videntur: Bleib nur bey der Blühte stehen / So kanst du schon Früchte sehen. Seine Gottesfurcht / welche der Leitstern aller seiner Handlungen war / er warb Ihm den Segen zu seinem studieren / dergestalt / daß Er nun höhere Studia zu tractiren sich unterstehen dürffen. Sein fleißiges Rückdencken auf seine Vor-El-

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Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/42>, abgerufen am 18.04.2024.