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Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.

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gefunden / was wunder / daß Vater und Mutter Thränen vergiessen! Was sie geliebet / lebet nun nicht mehr / worauf sie Hoffnung gesetzet / soll zu Aschen werden / es wird ein Stück von ihren Hertzen abgerissen / das muß wehe thun. Jener Mahler / da er einen über seines Kindes Tod betrübten Vater solte abmahlen / verhüllete er das Angesicht / und schrieb dabey:

Non potest pingi, Der Schmertze zeigt sich nicht durch eines Pinsels-Schrifft / Der bey der Kinder Tod betrübte Eltern trifft.

Ach es ist wol wahr / was Augustinus schreibet: Es muß nothwendig dessen Tod bitter und schmertzlich seyn / dessen Leben so angenehm und erfreulich gewesen. Hat jemand unter M. H. A. jemahls ein Kind beweinet / wird es besser wissen / als ich es sagen kan. Doch wenn der Himmel lang genug geweinet / so zeiget sich ein Regenbogen / und zeiget / daß noch die Sonne übrig sey / welche nach dem Trauren freudig scheine; auch diesen betrübten Weylschen Hause muß nicht alle Sonne untergangen seyn:

Ab imbre serenum, Nach Thränen-Guß und Weinen Muß helle Sonne scheinen.

Sie versichern sich / da das bethränte Kind seiner lieben Mutter die Thränen abgewischet / hat es nicht alles sagen können / was es sagen wollen; und die Thränen-stillende Freude noch nicht genossen / die es jetzo der Seelen nach in der Ewigkeit geniesset. Denn wenn sie die Augen und Gedancken abwenden von der Stelle / da sie es zum letzten mahl gesehen / von der Stelle / da sein Sarck gestanden / von dem Grabe / darin sein Leichnam verscharret / und über sich gen Himmel sehen / ich weiß es wird ihnen gereuen / daß sie so viel Thränen

gefunden / was wunder / daß Vater und Mutter Thränen vergiessen! Was sie geliebet / lebet nun nicht mehr / worauf sie Hoffnung gesetzet / soll zu Aschen werden / es wird ein Stück von ihren Hertzen abgerissen / das muß wehe thun. Jener Mahler / da er einen über seines Kindes Tod betrübten Vater solte abmahlen / verhüllete er das Angesicht / und schrieb dabey:

Non potest pingi, Der Schmertze zeigt sich nicht durch eines Pinsels-Schrifft / Der bey der Kinder Tod betrübte Eltern trifft.

Ach es ist wol wahr / was Augustinus schreibet: Es muß nothwendig dessen Tod bitter und schmertzlich seyn / dessen Leben so angenehm und erfreulich gewesen. Hat jemand unter M. H. A. jemahls ein Kind beweinet / wird es besser wissen / als ich es sagen kan. Doch wenn der Himmel lang genug geweinet / so zeiget sich ein Regenbogen / und zeiget / daß noch die Sonne übrig sey / welche nach dem Trauren freudig scheine; auch diesen betrübten Weylschen Hause muß nicht alle Sonne untergangen seyn:

Ab imbre serenum, Nach Thränen-Guß und Weinen Muß helle Sonne scheinen.

Sie versichern sich / da das bethränte Kind seiner lieben Mutter die Thränen abgewischet / hat es nicht alles sagen können / was es sagen wollen; und die Thränen-stillende Freude noch nicht genossen / die es jetzo der Seelen nach in der Ewigkeit geniesset. Denn wenn sie die Augen und Gedancken abwenden von der Stelle / da sie es zum letzten mahl gesehen / von der Stelle / da sein Sarck gestanden / von dem Grabe / darin sein Leichnam verscharret / und über sich gen Himmel sehen / ich weiß es wird ihnen gereuen / daß sie so viel Thränen

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[85/0091] gefunden / was wunder / daß Vater und Mutter Thränen vergiessen! Was sie geliebet / lebet nun nicht mehr / worauf sie Hoffnung gesetzet / soll zu Aschen werden / es wird ein Stück von ihren Hertzen abgerissen / das muß wehe thun. Jener Mahler / da er einen über seines Kindes Tod betrübten Vater solte abmahlen / verhüllete er das Angesicht / und schrieb dabey: Non potest pingi, Der Schmertze zeigt sich nicht durch eines Pinsels-Schrifft / Der bey der Kinder Tod betrübte Eltern trifft. Ach es ist wol wahr / was Augustinus schreibet: Es muß nothwendig dessen Tod bitter und schmertzlich seyn / dessen Leben so angenehm und erfreulich gewesen. Hat jemand unter M. H. A. jemahls ein Kind beweinet / wird es besser wissen / als ich es sagen kan. Doch wenn der Himmel lang genug geweinet / so zeiget sich ein Regenbogen / und zeiget / daß noch die Sonne übrig sey / welche nach dem Trauren freudig scheine; auch diesen betrübten Weylschen Hause muß nicht alle Sonne untergangen seyn: Ab imbre serenum, Nach Thränen-Guß und Weinen Muß helle Sonne scheinen. Sie versichern sich / da das bethränte Kind seiner lieben Mutter die Thränen abgewischet / hat es nicht alles sagen können / was es sagen wollen; und die Thränen-stillende Freude noch nicht genossen / die es jetzo der Seelen nach in der Ewigkeit geniesset. Denn wenn sie die Augen und Gedancken abwenden von der Stelle / da sie es zum letzten mahl gesehen / von der Stelle / da sein Sarck gestanden / von dem Grabe / darin sein Leichnam verscharret / und über sich gen Himmel sehen / ich weiß es wird ihnen gereuen / daß sie so viel Thränen

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Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/91>, abgerufen am 20.04.2024.