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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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zimmer. Die meisten Räume quadratisch und groß. Alle haben
sie jene Patina, die alten Schlössern so wohl kleidet und An-
gesichts welcher es gleichgültig ist, ob Raum und Inhalt sich in
Epoche und Jahreszahlen einander decken. Nicht wie alt die
Dinge sind, sondern ob alt überhaupt, das ist es, was die
Entscheidung giebt. So auch hier. Die verblaßten oder auch
verdunkelten Tapeten, die Geräthschaften und Nippsachen, -- es
sind nicht Erinnerungsstücke genau aus jener Zeit Caputischen
Glanzes, aber sie haben doch auch ihr Alter und wir nehmen
sie hin wie etwa einen gothischen Pfeiler an einem romanischen
Bau. Beide haben ihr Alter überhaupt, das genügt; und
unsere Empfindung übersieht es gern, daß zwei Jahrhunderte
zwischen dem einen und dem anderen liegen.

Die Tapeten, das Mobiliar, die hundert kleinen Gegen-
stände häuslicher Einrichtung, sie sind weder aus den Tagen
der strengen, noch aus den Tagen der heitern Kurfürstin, die
damals hier einander ablösten; die Hand der Zerstörung hat
mitleidlos aufgeräumt an dieser Stelle. Aber wohin die Hand
der Zerstörung buchstäblich nicht reichen konnte, -- die hohen
Deckengemälde, sie sind geblieben und sprechen zu uns von jener
Morgenzeit brandenburgischer Macht und brandenburgischer Kunst.
Die großen Staatsbilder haben wir bereits in dem kurzen histo-
rischen Abriß, den wir gaben, beschrieben, aber viel reizvoller
sind die kleinen. Ich schwelgte im Anblick dieser wonnigen
Nichtigkeiten. Kaum ein Inhalt und gewiß keine Idee, und
doch, bei so wenigem, so viel! Ein bequemes Symbolisiren
nach der Tradition; in gewissem Sinne fabrikmäßig; alles
aus der Werkstatt, in der die Dinge einfach gemacht wurden
ohne besondere Anstrengung. Aber wie gemacht! welche Tech-
nik, welche Sicherheit und Grazie. Wie wohlthuend das Ganze,
wie erheiternd. Jetzt setzen die Künstler ihre Kraft an eine
Idee und bleiben dann, neun Mal von zehn, hinter dieser
und oft auch hinter sich selbst zurück. Wie anders damals.
Die Maler konnten malen und gingen ans Werk. Kam ihnen
nichts, nun, so war es immer noch eine hübsche Tapete; erwies

zimmer. Die meiſten Räume quadratiſch und groß. Alle haben
ſie jene Patina, die alten Schlöſſern ſo wohl kleidet und An-
geſichts welcher es gleichgültig iſt, ob Raum und Inhalt ſich in
Epoche und Jahreszahlen einander decken. Nicht wie alt die
Dinge ſind, ſondern ob alt überhaupt, das iſt es, was die
Entſcheidung giebt. So auch hier. Die verblaßten oder auch
verdunkelten Tapeten, die Geräthſchaften und Nippſachen, — es
ſind nicht Erinnerungsſtücke genau aus jener Zeit Caputiſchen
Glanzes, aber ſie haben doch auch ihr Alter und wir nehmen
ſie hin wie etwa einen gothiſchen Pfeiler an einem romaniſchen
Bau. Beide haben ihr Alter überhaupt, das genügt; und
unſere Empfindung überſieht es gern, daß zwei Jahrhunderte
zwiſchen dem einen und dem anderen liegen.

Die Tapeten, das Mobiliar, die hundert kleinen Gegen-
ſtände häuslicher Einrichtung, ſie ſind weder aus den Tagen
der ſtrengen, noch aus den Tagen der heitern Kurfürſtin, die
damals hier einander ablöſten; die Hand der Zerſtörung hat
mitleidlos aufgeräumt an dieſer Stelle. Aber wohin die Hand
der Zerſtörung buchſtäblich nicht reichen konnte, — die hohen
Deckengemälde, ſie ſind geblieben und ſprechen zu uns von jener
Morgenzeit brandenburgiſcher Macht und brandenburgiſcher Kunſt.
Die großen Staatsbilder haben wir bereits in dem kurzen hiſto-
riſchen Abriß, den wir gaben, beſchrieben, aber viel reizvoller
ſind die kleinen. Ich ſchwelgte im Anblick dieſer wonnigen
Nichtigkeiten. Kaum ein Inhalt und gewiß keine Idee, und
doch, bei ſo wenigem, ſo viel! Ein bequemes Symboliſiren
nach der Tradition; in gewiſſem Sinne fabrikmäßig; alles
aus der Werkſtatt, in der die Dinge einfach gemacht wurden
ohne beſondere Anſtrengung. Aber wie gemacht! welche Tech-
nik, welche Sicherheit und Grazie. Wie wohlthuend das Ganze,
wie erheiternd. Jetzt ſetzen die Künſtler ihre Kraft an eine
Idee und bleiben dann, neun Mal von zehn, hinter dieſer
und oft auch hinter ſich ſelbſt zurück. Wie anders damals.
Die Maler konnten malen und gingen ans Werk. Kam ihnen
nichts, nun, ſo war es immer noch eine hübſche Tapete; erwies

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[182/0200] zimmer. Die meiſten Räume quadratiſch und groß. Alle haben ſie jene Patina, die alten Schlöſſern ſo wohl kleidet und An- geſichts welcher es gleichgültig iſt, ob Raum und Inhalt ſich in Epoche und Jahreszahlen einander decken. Nicht wie alt die Dinge ſind, ſondern ob alt überhaupt, das iſt es, was die Entſcheidung giebt. So auch hier. Die verblaßten oder auch verdunkelten Tapeten, die Geräthſchaften und Nippſachen, — es ſind nicht Erinnerungsſtücke genau aus jener Zeit Caputiſchen Glanzes, aber ſie haben doch auch ihr Alter und wir nehmen ſie hin wie etwa einen gothiſchen Pfeiler an einem romaniſchen Bau. Beide haben ihr Alter überhaupt, das genügt; und unſere Empfindung überſieht es gern, daß zwei Jahrhunderte zwiſchen dem einen und dem anderen liegen. Die Tapeten, das Mobiliar, die hundert kleinen Gegen- ſtände häuslicher Einrichtung, ſie ſind weder aus den Tagen der ſtrengen, noch aus den Tagen der heitern Kurfürſtin, die damals hier einander ablöſten; die Hand der Zerſtörung hat mitleidlos aufgeräumt an dieſer Stelle. Aber wohin die Hand der Zerſtörung buchſtäblich nicht reichen konnte, — die hohen Deckengemälde, ſie ſind geblieben und ſprechen zu uns von jener Morgenzeit brandenburgiſcher Macht und brandenburgiſcher Kunſt. Die großen Staatsbilder haben wir bereits in dem kurzen hiſto- riſchen Abriß, den wir gaben, beſchrieben, aber viel reizvoller ſind die kleinen. Ich ſchwelgte im Anblick dieſer wonnigen Nichtigkeiten. Kaum ein Inhalt und gewiß keine Idee, und doch, bei ſo wenigem, ſo viel! Ein bequemes Symboliſiren nach der Tradition; in gewiſſem Sinne fabrikmäßig; alles aus der Werkſtatt, in der die Dinge einfach gemacht wurden ohne beſondere Anſtrengung. Aber wie gemacht! welche Tech- nik, welche Sicherheit und Grazie. Wie wohlthuend das Ganze, wie erheiternd. Jetzt ſetzen die Künſtler ihre Kraft an eine Idee und bleiben dann, neun Mal von zehn, hinter dieſer und oft auch hinter ſich ſelbſt zurück. Wie anders damals. Die Maler konnten malen und gingen ans Werk. Kam ihnen nichts, nun, ſo war es immer noch eine hübſche Tapete; erwies

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/200>, abgerufen am 29.04.2024.