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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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An v. Printzen, der sieben hohe Staatsämter bekleidete
und eben so viele Titel führte, läßt sich die Phrase vom "un-
sterblichen Namen" mustergültig studiren. Wer kennt ihn
noch
? Und doch war der Ruhm, den er seiner Zeit genoß,
ein so allgemeiner und wohlverdienter, daß selbst der medisante
Herr v. Poellnitz nicht umhin konnte, in seinen Memoiren zu
schreiben: "Um 1710 wurde v. Printzen zum Oberhof-
marschall
ernannt. Seine Verdienste machten ihn dieser
Stelle vollkommen würdig. Der Hof, bei welchem er schon
sehr jung angestellt worden war, hatte weder seine Sitten noch
sein Herz verdorben. Treue und Redlichkeit waren die Trieb-
federn aller seiner Handlungen, und man kann mit Wahrheit
sagen, daß unter allen Ministern des Königs er derjenige war,
der den Meinders und Fuchs, welche Deutschland unter seine
größten Männer rechnete, am meisten gleichkam. Seine Auf-
richtigkeit hatte ihm Jedermanns Liebe zugezogen. Selbst der
Kronprinz, der ein geborener Feind aller Minister war, konnte
ihm seine Hochachtung nicht versagen, so daß er, als der
Prinz zur Regierung kam, der Einzige war, der seine Stelle
behielt."

So Poellnitz über v. Printzen. Ein Glück, daß sieben
Hof- und Staatsämter ihn bei Lebzeiten schadlos hielten
für die Undankbarkeit der Nachwelt. Er bezog 40,000 Thlr.
jährlich. Unter seinen vielen Aemtern war auch das eines
"Direktors des Lehnswesens," was die Anhäufung von Lehns-
briefen des gesammten Havellandes im Marquardter Archive
erklären mag.

v. Printzen starb 1725; schon sechs Jahre früher (1719)
war das anmuthige Schorin, nunmehr Marquardt, in die Hände
der Familie v. Wykerslot übergegangen, die, zu Anfang des
Jahrhunderts, vom Niederrhein, dem Jülichschen und Cleveschen
her, ins Land gekommen war. Vater und Sohn folgten
einander im Besitz, jagten und processirten ein halbes Jahr-
hundert lang und erwarben sich das im engsten Zusammenhang
damit stehende fragwürdige Verdienst, das Gutsarchiv mit den

Fontane, Wanderungen. III. 17

An v. Printzen, der ſieben hohe Staatsämter bekleidete
und eben ſo viele Titel führte, läßt ſich die Phraſe vom „un-
ſterblichen Namen“ muſtergültig ſtudiren. Wer kennt ihn
noch
? Und doch war der Ruhm, den er ſeiner Zeit genoß,
ein ſo allgemeiner und wohlverdienter, daß ſelbſt der mediſante
Herr v. Poellnitz nicht umhin konnte, in ſeinen Memoiren zu
ſchreiben: „Um 1710 wurde v. Printzen zum Oberhof-
marſchall
ernannt. Seine Verdienſte machten ihn dieſer
Stelle vollkommen würdig. Der Hof, bei welchem er ſchon
ſehr jung angeſtellt worden war, hatte weder ſeine Sitten noch
ſein Herz verdorben. Treue und Redlichkeit waren die Trieb-
federn aller ſeiner Handlungen, und man kann mit Wahrheit
ſagen, daß unter allen Miniſtern des Königs er derjenige war,
der den Meinders und Fuchs, welche Deutſchland unter ſeine
größten Männer rechnete, am meiſten gleichkam. Seine Auf-
richtigkeit hatte ihm Jedermanns Liebe zugezogen. Selbſt der
Kronprinz, der ein geborener Feind aller Miniſter war, konnte
ihm ſeine Hochachtung nicht verſagen, ſo daß er, als der
Prinz zur Regierung kam, der Einzige war, der ſeine Stelle
behielt.“

So Poellnitz über v. Printzen. Ein Glück, daß ſieben
Hof- und Staatsämter ihn bei Lebzeiten ſchadlos hielten
für die Undankbarkeit der Nachwelt. Er bezog 40,000 Thlr.
jährlich. Unter ſeinen vielen Aemtern war auch das eines
„Direktors des Lehnsweſens,“ was die Anhäufung von Lehns-
briefen des geſammten Havellandes im Marquardter Archive
erklären mag.

v. Printzen ſtarb 1725; ſchon ſechs Jahre früher (1719)
war das anmuthige Schorin, nunmehr Marquardt, in die Hände
der Familie v. Wykerslot übergegangen, die, zu Anfang des
Jahrhunderts, vom Niederrhein, dem Jülichſchen und Cleveſchen
her, ins Land gekommen war. Vater und Sohn folgten
einander im Beſitz, jagten und proceſſirten ein halbes Jahr-
hundert lang und erwarben ſich das im engſten Zuſammenhang
damit ſtehende fragwürdige Verdienſt, das Gutsarchiv mit den

Fontane, Wanderungen. III. 17
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[257/0275] An v. Printzen, der ſieben hohe Staatsämter bekleidete und eben ſo viele Titel führte, läßt ſich die Phraſe vom „un- ſterblichen Namen“ muſtergültig ſtudiren. Wer kennt ihn noch? Und doch war der Ruhm, den er ſeiner Zeit genoß, ein ſo allgemeiner und wohlverdienter, daß ſelbſt der mediſante Herr v. Poellnitz nicht umhin konnte, in ſeinen Memoiren zu ſchreiben: „Um 1710 wurde v. Printzen zum Oberhof- marſchall ernannt. Seine Verdienſte machten ihn dieſer Stelle vollkommen würdig. Der Hof, bei welchem er ſchon ſehr jung angeſtellt worden war, hatte weder ſeine Sitten noch ſein Herz verdorben. Treue und Redlichkeit waren die Trieb- federn aller ſeiner Handlungen, und man kann mit Wahrheit ſagen, daß unter allen Miniſtern des Königs er derjenige war, der den Meinders und Fuchs, welche Deutſchland unter ſeine größten Männer rechnete, am meiſten gleichkam. Seine Auf- richtigkeit hatte ihm Jedermanns Liebe zugezogen. Selbſt der Kronprinz, der ein geborener Feind aller Miniſter war, konnte ihm ſeine Hochachtung nicht verſagen, ſo daß er, als der Prinz zur Regierung kam, der Einzige war, der ſeine Stelle behielt.“ So Poellnitz über v. Printzen. Ein Glück, daß ſieben Hof- und Staatsämter ihn bei Lebzeiten ſchadlos hielten für die Undankbarkeit der Nachwelt. Er bezog 40,000 Thlr. jährlich. Unter ſeinen vielen Aemtern war auch das eines „Direktors des Lehnsweſens,“ was die Anhäufung von Lehns- briefen des geſammten Havellandes im Marquardter Archive erklären mag. v. Printzen ſtarb 1725; ſchon ſechs Jahre früher (1719) war das anmuthige Schorin, nunmehr Marquardt, in die Hände der Familie v. Wykerslot übergegangen, die, zu Anfang des Jahrhunderts, vom Niederrhein, dem Jülichſchen und Cleveſchen her, ins Land gekommen war. Vater und Sohn folgten einander im Beſitz, jagten und proceſſirten ein halbes Jahr- hundert lang und erwarben ſich das im engſten Zuſammenhang damit ſtehende fragwürdige Verdienſt, das Gutsarchiv mit den Fontane, Wanderungen. III. 17

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/275>, abgerufen am 29.04.2024.