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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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bellen und wird bellen, daß ganz Sachsenland erschrecken
soll." Der Markgraf aber antwortete: "Ich fürcht nicht das
Brummen eines Bären, geschweige das Bellen eines Hundes."
Am Tangerfluß kam es zur Schlacht, und die Sachsen wurden
geschlagen. Das hatte Mistiwoi der Hund gethan. Die
Unterwerfung, die
924 begonnen hatte, hatte 983
wieder ein Ende.

Der Dom zu Brandenburg wurde zerstört, und auf dem
Harlunger Berge erhob sich das Bild des Triglaff. Von dort
aus sah es noch wieder 150 Jahre lang in wendische Lande
hinein. Die Liutizen waren frei.

Drei Generationen hindurch hielt sich, nach diesem großen
Siege, die Macht der Wenden unerschüttert; Kämpfe fanden
statt, sie rüttelten an der wiedererstandenen Wendenmacht, aber
sie brachen sie nicht. Erst mit dem Eintritt des 12. Jahrhun-
derts gingen die Dinge einer Wandlung entgegen; die Wen-
denstämme, untereinander in Eifersüchteleien sich aufreibend, zum
Theil auch uneins durch die rastlos weiter wirkende Macht des
Christenthums, waren endlich wie ein unterhöhlter Bau, der
bei dem ersten ernsteren Sturme fallen mußte. Die Spree-
und Havellandschaften waren, so scheint es, die letzten Zufluchts-
stätten des alten Wendenthums; Brennibor, nachdem rundum
immer weiteres Terrain verloren gegangen war, war mehr
und mehr der Punkt geworden, an dessen Besitz sich die
Frage knüpfte, wer Herrscher sein solle im Lande, Sachse oder
Wende, Christenthum oder Heidenthum. Das Jahr 1157,
wie Eingangs schon bemerkt, entschied über diese Frage. Albrecht
der Bär erstürmte Brennibor, die letzten Aufstände der Bri-
zaner und Stodoraner wurden niedergeworfen, und mit der
Unterwerfung des Spree- und Havellandes empfing das Wen-
denland zwischen Elbe und Oder überhaupt den Todesstoß.
(Rhetra war schon vorher gefallen, wenigstens seiner höchsten
Macht entkleidet worden. Nur der Swantewittempel auf Arkona
hielt sich um zwanzig Jahre länger, bis König "Waldemar
der Sieger" auch diesen zerstörte.)

bellen und wird bellen, daß ganz Sachſenland erſchrecken
ſoll.“ Der Markgraf aber antwortete: „Ich fürcht nicht das
Brummen eines Bären, geſchweige das Bellen eines Hundes.“
Am Tangerfluß kam es zur Schlacht, und die Sachſen wurden
geſchlagen. Das hatte Miſtiwoi der Hund gethan. Die
Unterwerfung, die
924 begonnen hatte, hatte 983
wieder ein Ende.

Der Dom zu Brandenburg wurde zerſtört, und auf dem
Harlunger Berge erhob ſich das Bild des Triglaff. Von dort
aus ſah es noch wieder 150 Jahre lang in wendiſche Lande
hinein. Die Liutizen waren frei.

Drei Generationen hindurch hielt ſich, nach dieſem großen
Siege, die Macht der Wenden unerſchüttert; Kämpfe fanden
ſtatt, ſie rüttelten an der wiedererſtandenen Wendenmacht, aber
ſie brachen ſie nicht. Erſt mit dem Eintritt des 12. Jahrhun-
derts gingen die Dinge einer Wandlung entgegen; die Wen-
denſtämme, untereinander in Eiferſüchteleien ſich aufreibend, zum
Theil auch uneins durch die raſtlos weiter wirkende Macht des
Chriſtenthums, waren endlich wie ein unterhöhlter Bau, der
bei dem erſten ernſteren Sturme fallen mußte. Die Spree-
und Havellandſchaften waren, ſo ſcheint es, die letzten Zufluchts-
ſtätten des alten Wendenthums; Brennibor, nachdem rundum
immer weiteres Terrain verloren gegangen war, war mehr
und mehr der Punkt geworden, an deſſen Beſitz ſich die
Frage knüpfte, wer Herrſcher ſein ſolle im Lande, Sachſe oder
Wende, Chriſtenthum oder Heidenthum. Das Jahr 1157,
wie Eingangs ſchon bemerkt, entſchied über dieſe Frage. Albrecht
der Bär erſtürmte Brennibor, die letzten Aufſtände der Bri-
zaner und Stodoraner wurden niedergeworfen, und mit der
Unterwerfung des Spree- und Havellandes empfing das Wen-
denland zwiſchen Elbe und Oder überhaupt den Todesſtoß.
(Rhetra war ſchon vorher gefallen, wenigſtens ſeiner höchſten
Macht entkleidet worden. Nur der Swantewittempel auf Arkona
hielt ſich um zwanzig Jahre länger, bis König „Waldemar
der Sieger“ auch dieſen zerſtörte.)

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[11/0029] bellen und wird bellen, daß ganz Sachſenland erſchrecken ſoll.“ Der Markgraf aber antwortete: „Ich fürcht nicht das Brummen eines Bären, geſchweige das Bellen eines Hundes.“ Am Tangerfluß kam es zur Schlacht, und die Sachſen wurden geſchlagen. Das hatte Miſtiwoi der Hund gethan. Die Unterwerfung, die 924 begonnen hatte, hatte 983 wieder ein Ende. Der Dom zu Brandenburg wurde zerſtört, und auf dem Harlunger Berge erhob ſich das Bild des Triglaff. Von dort aus ſah es noch wieder 150 Jahre lang in wendiſche Lande hinein. Die Liutizen waren frei. Drei Generationen hindurch hielt ſich, nach dieſem großen Siege, die Macht der Wenden unerſchüttert; Kämpfe fanden ſtatt, ſie rüttelten an der wiedererſtandenen Wendenmacht, aber ſie brachen ſie nicht. Erſt mit dem Eintritt des 12. Jahrhun- derts gingen die Dinge einer Wandlung entgegen; die Wen- denſtämme, untereinander in Eiferſüchteleien ſich aufreibend, zum Theil auch uneins durch die raſtlos weiter wirkende Macht des Chriſtenthums, waren endlich wie ein unterhöhlter Bau, der bei dem erſten ernſteren Sturme fallen mußte. Die Spree- und Havellandſchaften waren, ſo ſcheint es, die letzten Zufluchts- ſtätten des alten Wendenthums; Brennibor, nachdem rundum immer weiteres Terrain verloren gegangen war, war mehr und mehr der Punkt geworden, an deſſen Beſitz ſich die Frage knüpfte, wer Herrſcher ſein ſolle im Lande, Sachſe oder Wende, Chriſtenthum oder Heidenthum. Das Jahr 1157, wie Eingangs ſchon bemerkt, entſchied über dieſe Frage. Albrecht der Bär erſtürmte Brennibor, die letzten Aufſtände der Bri- zaner und Stodoraner wurden niedergeworfen, und mit der Unterwerfung des Spree- und Havellandes empfing das Wen- denland zwiſchen Elbe und Oder überhaupt den Todesſtoß. (Rhetra war ſchon vorher gefallen, wenigſtens ſeiner höchſten Macht entkleidet worden. Nur der Swantewittempel auf Arkona hielt ſich um zwanzig Jahre länger, bis König „Waldemar der Sieger“ auch dieſen zerſtörte.)

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/29>, abgerufen am 27.04.2024.