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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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französischer Sprache), die zum Theil staatlich-politische Ver-
hältnisse, zum Theil Verhältnisse von privater und sehr intimer
Natur berührten -- wahrscheinlich der Briefwechsel zwischen dem
Günstling-General und der "Gräfin" aus den Jahren her,
die ihrer Vermählung unmittelbar vorausgingen. Die mit Wöll-
ner gewechselten Briefe waren deutsch geschrieben und bezogen
sich zumeist auf das Preß- und das Religions-Edict. Selt-
samer Weise machte man eine Tonne zum Archiv; in diese
wurde Alles, vorläufig ungeordnet, hineingethan.

Dies reiche Material sollte aber nie zur Bearbeitung kom-
men. Die Verstimmung des Generals wuchs, dazu beschlich
ihn die Vorahnung seines herannahenden Todes. Wir finden
darüber unter den Aufzeichnungen eines Mannes, der ihm wäh-
rend der letzten Lebensjahre nahe stand, das Folgende:

"1857 feierte Bischofswerder seinen 62. Geburtstag. Meine
Frau und ich waren geladen. Gegen Ende des Mahls, als
wir seine Gesundheit in gutem "Cliquot veuve" getrunken hat-
ten, nahm er mich bei Seite, küßte mich, bedankte sich für alle
Liebe, die ich ihm und seiner Familie so viele Jahre lang
bewiesen hätte, und sagte dann: "Sie haben heute mit mir
das letzte Glas Champagner getrunken; ich werde in dieser Welt
keinen Geburtstag mehr feiern. Mein Großvater ist im 63. Jahre
gestorben, mein Vater auch, und ich werde ebenfalls im 63. Jahre
sterben. Gehen Sie über's Jahr auf unsern Kirchhof und beten
Sie an meinem Grabe für meine arme Seele."

Und so geschah es. Als sein 63. Geburtstag kam, war
er hinüber. Nicht in der Gartengruft, auch nicht in der Gruft
unterm Altar, sondern auf dem kleinen Friedhofe, der die Kirche
einfaßt, ward er begraben. Zu Häupten des epheu-umzoge-
nen, von einer Esche beschatteten Hügels wurde ein Kreuz errich-
tet, das die Inschrift trägt: "Hier ruht in Gott der Königl.
Generallieutenant Hans Rudolf Wilhelm Ferdinand v. Bischofs-
werder, geb. am 9. Juli 1795, gest. am 24. Mai 1858;"
auf der Rückseite des Kreuzes aber stehen die Worte:

"Der Letzte seines Namens."


franzöſiſcher Sprache), die zum Theil ſtaatlich-politiſche Ver-
hältniſſe, zum Theil Verhältniſſe von privater und ſehr intimer
Natur berührten — wahrſcheinlich der Briefwechſel zwiſchen dem
Günſtling-General und der „Gräfin“ aus den Jahren her,
die ihrer Vermählung unmittelbar vorausgingen. Die mit Wöll-
ner gewechſelten Briefe waren deutſch geſchrieben und bezogen
ſich zumeiſt auf das Preß- und das Religions-Edict. Selt-
ſamer Weiſe machte man eine Tonne zum Archiv; in dieſe
wurde Alles, vorläufig ungeordnet, hineingethan.

Dies reiche Material ſollte aber nie zur Bearbeitung kom-
men. Die Verſtimmung des Generals wuchs, dazu beſchlich
ihn die Vorahnung ſeines herannahenden Todes. Wir finden
darüber unter den Aufzeichnungen eines Mannes, der ihm wäh-
rend der letzten Lebensjahre nahe ſtand, das Folgende:

„1857 feierte Biſchofswerder ſeinen 62. Geburtstag. Meine
Frau und ich waren geladen. Gegen Ende des Mahls, als
wir ſeine Geſundheit in gutem „Cliquot veuve“ getrunken hat-
ten, nahm er mich bei Seite, küßte mich, bedankte ſich für alle
Liebe, die ich ihm und ſeiner Familie ſo viele Jahre lang
bewieſen hätte, und ſagte dann: „Sie haben heute mit mir
das letzte Glas Champagner getrunken; ich werde in dieſer Welt
keinen Geburtstag mehr feiern. Mein Großvater iſt im 63. Jahre
geſtorben, mein Vater auch, und ich werde ebenfalls im 63. Jahre
ſterben. Gehen Sie über’s Jahr auf unſern Kirchhof und beten
Sie an meinem Grabe für meine arme Seele.“

Und ſo geſchah es. Als ſein 63. Geburtstag kam, war
er hinüber. Nicht in der Gartengruft, auch nicht in der Gruft
unterm Altar, ſondern auf dem kleinen Friedhofe, der die Kirche
einfaßt, ward er begraben. Zu Häupten des epheu-umzoge-
nen, von einer Eſche beſchatteten Hügels wurde ein Kreuz errich-
tet, das die Inſchrift trägt: „Hier ruht in Gott der Königl.
Generallieutenant Hans Rudolf Wilhelm Ferdinand v. Biſchofs-
werder, geb. am 9. Juli 1795, geſt. am 24. Mai 1858;“
auf der Rückſeite des Kreuzes aber ſtehen die Worte:

Der Letzte ſeines Namens.“


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[287/0305] franzöſiſcher Sprache), die zum Theil ſtaatlich-politiſche Ver- hältniſſe, zum Theil Verhältniſſe von privater und ſehr intimer Natur berührten — wahrſcheinlich der Briefwechſel zwiſchen dem Günſtling-General und der „Gräfin“ aus den Jahren her, die ihrer Vermählung unmittelbar vorausgingen. Die mit Wöll- ner gewechſelten Briefe waren deutſch geſchrieben und bezogen ſich zumeiſt auf das Preß- und das Religions-Edict. Selt- ſamer Weiſe machte man eine Tonne zum Archiv; in dieſe wurde Alles, vorläufig ungeordnet, hineingethan. Dies reiche Material ſollte aber nie zur Bearbeitung kom- men. Die Verſtimmung des Generals wuchs, dazu beſchlich ihn die Vorahnung ſeines herannahenden Todes. Wir finden darüber unter den Aufzeichnungen eines Mannes, der ihm wäh- rend der letzten Lebensjahre nahe ſtand, das Folgende: „1857 feierte Biſchofswerder ſeinen 62. Geburtstag. Meine Frau und ich waren geladen. Gegen Ende des Mahls, als wir ſeine Geſundheit in gutem „Cliquot veuve“ getrunken hat- ten, nahm er mich bei Seite, küßte mich, bedankte ſich für alle Liebe, die ich ihm und ſeiner Familie ſo viele Jahre lang bewieſen hätte, und ſagte dann: „Sie haben heute mit mir das letzte Glas Champagner getrunken; ich werde in dieſer Welt keinen Geburtstag mehr feiern. Mein Großvater iſt im 63. Jahre geſtorben, mein Vater auch, und ich werde ebenfalls im 63. Jahre ſterben. Gehen Sie über’s Jahr auf unſern Kirchhof und beten Sie an meinem Grabe für meine arme Seele.“ Und ſo geſchah es. Als ſein 63. Geburtstag kam, war er hinüber. Nicht in der Gartengruft, auch nicht in der Gruft unterm Altar, ſondern auf dem kleinen Friedhofe, der die Kirche einfaßt, ward er begraben. Zu Häupten des epheu-umzoge- nen, von einer Eſche beſchatteten Hügels wurde ein Kreuz errich- tet, das die Inſchrift trägt: „Hier ruht in Gott der Königl. Generallieutenant Hans Rudolf Wilhelm Ferdinand v. Biſchofs- werder, geb. am 9. Juli 1795, geſt. am 24. Mai 1858;“ auf der Rückſeite des Kreuzes aber ſtehen die Worte: „Der Letzte ſeines Namens.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/305>, abgerufen am 29.03.2024.