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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
wie Tochter von Anfang an anzuregen und auf¬
zuheitern gewußt, und diese gute Stimmung dauerte
bis zuletzt. "Dagobert," so hieß es noch beim Ab¬
schied, "Du kommst also zu meinem Polterabend,
und natürlich mit Cortege. Denn nach den Auf¬
führungen (aber kommt mir nicht mit Dienstmann
oder Mausefallenhändler) ist Ball. Und Du mußt
bedenken, mein erster großer Ball ist vielleicht auch
mein letzter. Unter sechs Kameraden -- natürlich
beste Tänzer -- wird gar nicht angenommen. Und
mit dem Frühzug könnt Ihr wieder zurück." Der
Vetter versprach alles, und so trennte man sich.

Gegen Mittag trafen beide Damen an ihrer
havelländischen Bahnstation ein, mitten im Luch, und
fuhren in einer halben Stunde nach Hohen-Cremmen
hinüber. Briest war sehr froh, Frau und Tochter
wieder zu Hause zu haben, und stellte Fragen über
Fragen, deren Beantwortung er meist nicht abwartete.
Statt dessen erging er sich in Mitteilung dessen,
was er inzwischen erlebt. "Ihr habt mir da vorhin
von der Nationalgalerie gesprochen und von der
,Insel der Seligen' -- nun, wir haben hier, während
Ihr fort wart, auch so 'was gehabt: unser Inspektor
Pink und die Gärtnersfrau. Natürlich habe ich
Pink entlassen müssen, übrigens ungern. Es ist sehr
fatal, daß solche Geschichten fast immer in die Ernte¬

Th. Fontane, Effi Briest. 3

Effi Brieſt
wie Tochter von Anfang an anzuregen und auf¬
zuheitern gewußt, und dieſe gute Stimmung dauerte
bis zuletzt. „Dagobert,“ ſo hieß es noch beim Ab¬
ſchied, „Du kommſt alſo zu meinem Polterabend,
und natürlich mit Cortege. Denn nach den Auf¬
führungen (aber kommt mir nicht mit Dienſtmann
oder Mauſefallenhändler) iſt Ball. Und Du mußt
bedenken, mein erſter großer Ball iſt vielleicht auch
mein letzter. Unter ſechs Kameraden — natürlich
beſte Tänzer — wird gar nicht angenommen. Und
mit dem Frühzug könnt Ihr wieder zurück.“ Der
Vetter verſprach alles, und ſo trennte man ſich.

Gegen Mittag trafen beide Damen an ihrer
havelländiſchen Bahnſtation ein, mitten im Luch, und
fuhren in einer halben Stunde nach Hohen-Cremmen
hinüber. Brieſt war ſehr froh, Frau und Tochter
wieder zu Hauſe zu haben, und ſtellte Fragen über
Fragen, deren Beantwortung er meiſt nicht abwartete.
Statt deſſen erging er ſich in Mitteilung deſſen,
was er inzwiſchen erlebt. „Ihr habt mir da vorhin
von der Nationalgalerie geſprochen und von der
,Inſel der Seligen‘ — nun, wir haben hier, während
Ihr fort wart, auch ſo 'was gehabt: unſer Inſpektor
Pink und die Gärtnersfrau. Natürlich habe ich
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[33/0042] Effi Brieſt wie Tochter von Anfang an anzuregen und auf¬ zuheitern gewußt, und dieſe gute Stimmung dauerte bis zuletzt. „Dagobert,“ ſo hieß es noch beim Ab¬ ſchied, „Du kommſt alſo zu meinem Polterabend, und natürlich mit Cortege. Denn nach den Auf¬ führungen (aber kommt mir nicht mit Dienſtmann oder Mauſefallenhändler) iſt Ball. Und Du mußt bedenken, mein erſter großer Ball iſt vielleicht auch mein letzter. Unter ſechs Kameraden — natürlich beſte Tänzer — wird gar nicht angenommen. Und mit dem Frühzug könnt Ihr wieder zurück.“ Der Vetter verſprach alles, und ſo trennte man ſich. Gegen Mittag trafen beide Damen an ihrer havelländiſchen Bahnſtation ein, mitten im Luch, und fuhren in einer halben Stunde nach Hohen-Cremmen hinüber. Brieſt war ſehr froh, Frau und Tochter wieder zu Hauſe zu haben, und ſtellte Fragen über Fragen, deren Beantwortung er meiſt nicht abwartete. Statt deſſen erging er ſich in Mitteilung deſſen, was er inzwiſchen erlebt. „Ihr habt mir da vorhin von der Nationalgalerie geſprochen und von der ,Inſel der Seligen‘ — nun, wir haben hier, während Ihr fort wart, auch ſo 'was gehabt: unſer Inſpektor Pink und die Gärtnersfrau. Natürlich habe ich Pink entlaſſen müſſen, übrigens ungern. Es iſt ſehr fatal, daß ſolche Geſchichten faſt immer in die Ernte¬ Th. Fontane, Effi Brieſt. 3

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/42>, abgerufen am 19.04.2024.