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Fontane, Theodor: Gedichte. Berlin, 1851.

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Begeistrung! ja, bei Gott, auf allen Gassen
Und aller Orten macht sie jetzt sich breit,
Und wessen Herz sich will begeistern lassen,
Der eile sich -- jetzt ist die rechte Zeit,
Es ist die Zeit, wo sich die deutsche Jugend,
Unwürdig, vor den Künstlerwagen spannt; *)
Sie stempelt auch die Mode 'mal zur Tugend,
Und schwärmt für Einigkeit im Vaterland.
Ach, Einigkeit! die Liebe kann sich regen
In einem Herzen, das der Haß verzehrt,
Es schlägt dem Feinde zornentbrannt entgegen,
Und hält ihn dennoch seines Mitleids werth.
Wer hat von Euch die namenlosen Schmerzen
Zerschossner Feinde frohen Muth's erblickt?
So hassenswerth lebt nie der Haß im Herzen,
Daß er des Mitleids Stimme selbst erstickt.
*) Franz Lißzt wurde gerade damals im Triumph durch
die Straßen gezogen.
Begeiſtrung! ja, bei Gott, auf allen Gaſſen
Und aller Orten macht ſie jetzt ſich breit,
Und weſſen Herz ſich will begeiſtern laſſen,
Der eile ſich — jetzt iſt die rechte Zeit,
Es iſt die Zeit, wo ſich die deutſche Jugend,
Unwürdig, vor den Künſtlerwagen ſpannt; *)
Sie ſtempelt auch die Mode ’mal zur Tugend,
Und ſchwärmt für Einigkeit im Vaterland.
Ach, Einigkeit! die Liebe kann ſich regen
In einem Herzen, das der Haß verzehrt,
Es ſchlägt dem Feinde zornentbrannt entgegen,
Und hält ihn dennoch ſeines Mitleids werth.
Wer hat von Euch die namenloſen Schmerzen
Zerſchoſſner Feinde frohen Muth’s erblickt?
So haſſenswerth lebt nie der Haß im Herzen,
Daß er des Mitleids Stimme ſelbſt erſtickt.
*) Franz Lißzt wurde gerade damals im Triumph durch
die Straßen gezogen.
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[226/0240] Begeiſtrung! ja, bei Gott, auf allen Gaſſen Und aller Orten macht ſie jetzt ſich breit, Und weſſen Herz ſich will begeiſtern laſſen, Der eile ſich — jetzt iſt die rechte Zeit, Es iſt die Zeit, wo ſich die deutſche Jugend, Unwürdig, vor den Künſtlerwagen ſpannt; *) Sie ſtempelt auch die Mode ’mal zur Tugend, Und ſchwärmt für Einigkeit im Vaterland. Ach, Einigkeit! die Liebe kann ſich regen In einem Herzen, das der Haß verzehrt, Es ſchlägt dem Feinde zornentbrannt entgegen, Und hält ihn dennoch ſeines Mitleids werth. Wer hat von Euch die namenloſen Schmerzen Zerſchoſſner Feinde frohen Muth’s erblickt? So haſſenswerth lebt nie der Haß im Herzen, Daß er des Mitleids Stimme ſelbſt erſtickt. *) Franz Lißzt wurde gerade damals im Triumph durch die Straßen gezogen.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Gedichte. Berlin, 1851, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_gedichte_1851/240>, abgerufen am 07.05.2024.