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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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aufkommen lassen und sagte deshalb rasch: "Singen
wir, Frau Dörr. Singen wir. Aber was?"

"Morgenroth . . ."

"Nein, das nicht . . . ,Morgen in das kühle
Grab'," das ist mir zu traurig. Nein, singen wir
"Uebers Jahr, übers Jahr" oder noch lieber "Denkst
Du daran."

"Ja, das is recht, das is schön; das is mein
Leib- und Magenlied."

Und mit gut eingeübter Stimme sangen alle
drei das Lieblingslied der Frau Dörr und man
war schon bis in die Nähe der Gärtnerei gekommen,
als es noch immer über das Feld hinklang: "Ich
denke dran . . . ich danke Dir mein Leben" und dann
von der andren Wegseite her, wo die lange Reihe
der Schuppen und Remisen stand, im Echo wieder¬
hallte.

Die Dörr war überglücklich. Aber Lene und
Botho waren ernst geworden.


aufkommen laſſen und ſagte deshalb raſch: „Singen
wir, Frau Dörr. Singen wir. Aber was?“

„Morgenroth . . .“

„Nein, das nicht . . . ‚Morgen in das kühle
Grab',“ das iſt mir zu traurig. Nein, ſingen wir
„Uebers Jahr, übers Jahr“ oder noch lieber „Denkſt
Du daran.“

„Ja, das is recht, das is ſchön; das is mein
Leib- und Magenlied.“

Und mit gut eingeübter Stimme ſangen alle
drei das Lieblingslied der Frau Dörr und man
war ſchon bis in die Nähe der Gärtnerei gekommen,
als es noch immer über das Feld hinklang: „Ich
denke dran . . . ich danke Dir mein Leben“ und dann
von der andren Wegſeite her, wo die lange Reihe
der Schuppen und Remiſen ſtand, im Echo wieder¬
hallte.

Die Dörr war überglücklich. Aber Lene und
Botho waren ernſt geworden.


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[90/0100] aufkommen laſſen und ſagte deshalb raſch: „Singen wir, Frau Dörr. Singen wir. Aber was?“ „Morgenroth . . .“ „Nein, das nicht . . . ‚Morgen in das kühle Grab',“ das iſt mir zu traurig. Nein, ſingen wir „Uebers Jahr, übers Jahr“ oder noch lieber „Denkſt Du daran.“ „Ja, das is recht, das is ſchön; das is mein Leib- und Magenlied.“ Und mit gut eingeübter Stimme ſangen alle drei das Lieblingslied der Frau Dörr und man war ſchon bis in die Nähe der Gärtnerei gekommen, als es noch immer über das Feld hinklang: „Ich denke dran . . . ich danke Dir mein Leben“ und dann von der andren Wegſeite her, wo die lange Reihe der Schuppen und Remiſen ſtand, im Echo wieder¬ hallte. Die Dörr war überglücklich. Aber Lene und Botho waren ernſt geworden.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/100>, abgerufen am 20.04.2024.