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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Hut, das geht nicht mehr. Der is ja schon fuchs¬
blank und eigentlich schimpfierlich. Sie müssen ihn
ihm wegnehmen und einen andern hinstellen. Viel¬
leicht merkt er es nich . . Und nu rücken Sie 'ran
hier, liebe Frau Dörr, oder lieber da drüben auf
die Hutsche . . Lene, na Sie wissen ja, is ausge¬
flogen un hat mich mal wieder in Stich gelassen."

"Er war woll hier?"

"Freilich war er. Und Beide sind nu ein Bis¬
chen auf Wilmersdorf zu; den Fußweg 'lang, da
kommt keiner. Aber jeden Augenblick können sie
wieder hier sein."

"Na, da will ich doch lieber gehn."

"O nich doch, liebe Frau Dörr. Er bleibt ja
nich. Und wenn er auch bliebe, Sie wissen ja, der
is nicht so."

"Weiß, weiß. Und wie steht es denn?"

"Ja, wie soll es stehn? Ich glaube, sie denkt
so was, wenn sie's auch nich wahr haben will, und
bildet sich was ein."

"O Du meine Güte," sagte Frau Dörr, während
sie, statt der ihr angebotenen Fußbank, einen etwas
höheren Schemel heranschob: "O Du meine Güte,
denn is es schlimm. Immer wenn das Einbilden
anfängt, fängt auch das Schlimme an. Das is wie
Amen in der Kirche. Sehen Sie, liebe Frau
Nimptsch, mit mir war es ja eigentlich ebenso, man

Hut, das geht nicht mehr. Der is ja ſchon fuchs¬
blank und eigentlich ſchimpfierlich. Sie müſſen ihn
ihm wegnehmen und einen andern hinſtellen. Viel¬
leicht merkt er es nich . . Und nu rücken Sie 'ran
hier, liebe Frau Dörr, oder lieber da drüben auf
die Hutſche . . Lene, na Sie wiſſen ja, is ausge¬
flogen un hat mich mal wieder in Stich gelaſſen.“

„Er war woll hier?“

„Freilich war er. Und Beide ſind nu ein Bis¬
chen auf Wilmersdorf zu; den Fußweg 'lang, da
kommt keiner. Aber jeden Augenblick können ſie
wieder hier ſein.“

„Na, da will ich doch lieber gehn.“

„O nich doch, liebe Frau Dörr. Er bleibt ja
nich. Und wenn er auch bliebe, Sie wiſſen ja, der
is nicht ſo.“

„Weiß, weiß. Und wie ſteht es denn?“

„Ja, wie ſoll es ſtehn? Ich glaube, ſie denkt
ſo was, wenn ſie's auch nich wahr haben will, und
bildet ſich was ein.“

„O Du meine Güte,“ ſagte Frau Dörr, während
ſie, ſtatt der ihr angebotenen Fußbank, einen etwas
höheren Schemel heranſchob: „O Du meine Güte,
denn is es ſchlimm. Immer wenn das Einbilden
anfängt, fängt auch das Schlimme an. Das is wie
Amen in der Kirche. Sehen Sie, liebe Frau
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[4/0014] Hut, das geht nicht mehr. Der is ja ſchon fuchs¬ blank und eigentlich ſchimpfierlich. Sie müſſen ihn ihm wegnehmen und einen andern hinſtellen. Viel¬ leicht merkt er es nich . . Und nu rücken Sie 'ran hier, liebe Frau Dörr, oder lieber da drüben auf die Hutſche . . Lene, na Sie wiſſen ja, is ausge¬ flogen un hat mich mal wieder in Stich gelaſſen.“ „Er war woll hier?“ „Freilich war er. Und Beide ſind nu ein Bis¬ chen auf Wilmersdorf zu; den Fußweg 'lang, da kommt keiner. Aber jeden Augenblick können ſie wieder hier ſein.“ „Na, da will ich doch lieber gehn.“ „O nich doch, liebe Frau Dörr. Er bleibt ja nich. Und wenn er auch bliebe, Sie wiſſen ja, der is nicht ſo.“ „Weiß, weiß. Und wie ſteht es denn?“ „Ja, wie ſoll es ſtehn? Ich glaube, ſie denkt ſo was, wenn ſie's auch nich wahr haben will, und bildet ſich was ein.“ „O Du meine Güte,“ ſagte Frau Dörr, während ſie, ſtatt der ihr angebotenen Fußbank, einen etwas höheren Schemel heranſchob: „O Du meine Güte, denn is es ſchlimm. Immer wenn das Einbilden anfängt, fängt auch das Schlimme an. Das is wie Amen in der Kirche. Sehen Sie, liebe Frau Nimptſch, mit mir war es ja eigentlich ebenſo, man

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/14>, abgerufen am 20.04.2024.