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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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"Ja, ja," sagte die Dörr, "so was hab' ich die
Nimptschen auch schon sagen hören. Und hat auch
ganz recht. Das heißt, wie man's nehmen will und
nach'm Katechismus is doch eigentlich immer noch
besser und so zu sagen überhaupt das Beste. Das
kannst Du mir schon glauben. Aber ich weiß woll,
es geht nich immer und mancher will auch nich.
Und wenn einer nich will, na, denn will er nich
un denn muß es auch so gehn und geht auch
mehrstens, man blos, daß man ehrlich is un an¬
ständig und Wort hält. Un natürlich, was denn
kommt, das muß man aushalten un darf sich nicht
wundern. Un wenn man all so was weiß und sich
immer wieder zu Gemüthe führt, na, denn is es
nich so schlimm. Un schlimm is eigentlich man
blos das Einbilden."

"Ach, liebe Frau Dörr," lachte Lene, "was Sie
nur denken. Einbilden! Ich bilde mir garnichts
ein. Wenn ich einen liebe, dann lieb' ich ihn.
Und das ist mir genug. Und will weiter garnichts
von ihm, nichts, garnichts, und daß mir mein Herze
so schlägt und ich die Stunden zähle bis er kommt,
und nicht abwarten kann, bis er wieder da ist, das
macht mich glücklich, das ist mir genug."

"Ja," schmunzelte die Dörr vor sich hin, "das
is das Richtige, so muß es sein. Aber is es denn
wahr, Lene, daß er Botho heißt? So kann doch

„Ja, ja,“ ſagte die Dörr, „ſo was hab' ich die
Nimptſchen auch ſchon ſagen hören. Und hat auch
ganz recht. Das heißt, wie man's nehmen will und
nach'm Katechismus is doch eigentlich immer noch
beſſer und ſo zu ſagen überhaupt das Beſte. Das
kannſt Du mir ſchon glauben. Aber ich weiß woll,
es geht nich immer und mancher will auch nich.
Und wenn einer nich will, na, denn will er nich
un denn muß es auch ſo gehn und geht auch
mehrſtens, man blos, daß man ehrlich is un an¬
ſtändig und Wort hält. Un natürlich, was denn
kommt, das muß man aushalten un darf ſich nicht
wundern. Un wenn man all ſo was weiß und ſich
immer wieder zu Gemüthe führt, na, denn is es
nich ſo ſchlimm. Un ſchlimm is eigentlich man
blos das Einbilden.“

„Ach, liebe Frau Dörr,“ lachte Lene, „was Sie
nur denken. Einbilden! Ich bilde mir garnichts
ein. Wenn ich einen liebe, dann lieb' ich ihn.
Und das iſt mir genug. Und will weiter garnichts
von ihm, nichts, garnichts, und daß mir mein Herze
ſo ſchlägt und ich die Stunden zähle bis er kommt,
und nicht abwarten kann, bis er wieder da iſt, das
macht mich glücklich, das iſt mir genug.“

„Ja,“ ſchmunzelte die Dörr vor ſich hin, „das
is das Richtige, ſo muß es ſein. Aber is es denn
wahr, Lene, daß er Botho heißt? So kann doch

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[25/0035] „Ja, ja,“ ſagte die Dörr, „ſo was hab' ich die Nimptſchen auch ſchon ſagen hören. Und hat auch ganz recht. Das heißt, wie man's nehmen will und nach'm Katechismus is doch eigentlich immer noch beſſer und ſo zu ſagen überhaupt das Beſte. Das kannſt Du mir ſchon glauben. Aber ich weiß woll, es geht nich immer und mancher will auch nich. Und wenn einer nich will, na, denn will er nich un denn muß es auch ſo gehn und geht auch mehrſtens, man blos, daß man ehrlich is un an¬ ſtändig und Wort hält. Un natürlich, was denn kommt, das muß man aushalten un darf ſich nicht wundern. Un wenn man all ſo was weiß und ſich immer wieder zu Gemüthe führt, na, denn is es nich ſo ſchlimm. Un ſchlimm is eigentlich man blos das Einbilden.“ „Ach, liebe Frau Dörr,“ lachte Lene, „was Sie nur denken. Einbilden! Ich bilde mir garnichts ein. Wenn ich einen liebe, dann lieb' ich ihn. Und das iſt mir genug. Und will weiter garnichts von ihm, nichts, garnichts, und daß mir mein Herze ſo ſchlägt und ich die Stunden zähle bis er kommt, und nicht abwarten kann, bis er wieder da iſt, das macht mich glücklich, das iſt mir genug.“ „Ja,“ ſchmunzelte die Dörr vor ſich hin, „das is das Richtige, ſo muß es ſein. Aber is es denn wahr, Lene, daß er Botho heißt? So kann doch

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/35>, abgerufen am 19.04.2024.