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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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sie wie militärisch ein und verlängerten die Front
derer, die hier schon still und regungslos und die
Schnäbel unter dem Gefieder verborgen, wie vor
Anker lagen. Nur das Rohr bewegte sich leis in
ihrem Rücken. So verging eine geraume Zeit. End¬
lich aber erschien einer in unmittelbarer Nähe des
Balkons, und reckte den Hals, als ob er etwas
sagen wollte.

"Wem gilt es?" fragte Sander. "Dem Prinzen
oder Dussek oder der Sinumbralampe."

"Natürlich dem Prinzen," antwortete Dussek.

"Und warum?"

"Weil er nicht blos Prinz ist, sondern auch Dussek
und ,sine umbra'."

Alles lachte (der Prinz mit), während Sander
allerförmlichst "zum Hofkapellmeister" gratulierte. "Und
wenn unser Freund," so schloß er, "in Zukunft wieder
Strohalme sammelt, um an ihnen zu sehen, "woher
der Wind weht," so wird dieser Wind ihm allemal
aus dem Lande geheiligter Traditionen und nicht mehr
aus dem Lande der Vorurteile zu kommen scheinen."

Als Sander noch so sprach, setzte sich die Schwanen¬
flotille, die wohl durch die Dusseksche Musik herbei¬
gelockt sein mußte, wieder in Bewegung, und segelte
flußabwärts, wie sie bis dahin flußaufwärts gekommen
war. Nur der Schwan, der den Obman gemacht,

ſie wie militäriſch ein und verlängerten die Front
derer, die hier ſchon ſtill und regungslos und die
Schnäbel unter dem Gefieder verborgen, wie vor
Anker lagen. Nur das Rohr bewegte ſich leis in
ihrem Rücken. So verging eine geraume Zeit. End¬
lich aber erſchien einer in unmittelbarer Nähe des
Balkons, und reckte den Hals, als ob er etwas
ſagen wollte.

„Wem gilt es?“ fragte Sander. „Dem Prinzen
oder Duſſek oder der Sinumbralampe.“

„Natürlich dem Prinzen,“ antwortete Duſſek.

„Und warum?“

„Weil er nicht blos Prinz iſt, ſondern auch Duſſek
und ‚sine umbra‘.“

Alles lachte (der Prinz mit), während Sander
allerförmlichſt „zum Hofkapellmeiſter“ gratulierte. „Und
wenn unſer Freund,“ ſo ſchloß er, „in Zukunft wieder
Strohalme ſammelt, um an ihnen zu ſehen, „woher
der Wind weht,“ ſo wird dieſer Wind ihm allemal
aus dem Lande geheiligter Traditionen und nicht mehr
aus dem Lande der Vorurteile zu kommen ſcheinen.“

Als Sander noch ſo ſprach, ſetzte ſich die Schwanen¬
flotille, die wohl durch die Duſſekſche Muſik herbei¬
gelockt ſein mußte, wieder in Bewegung, und ſegelte
flußabwärts, wie ſie bis dahin flußaufwärts gekommen
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[96/0108] ſie wie militäriſch ein und verlängerten die Front derer, die hier ſchon ſtill und regungslos und die Schnäbel unter dem Gefieder verborgen, wie vor Anker lagen. Nur das Rohr bewegte ſich leis in ihrem Rücken. So verging eine geraume Zeit. End¬ lich aber erſchien einer in unmittelbarer Nähe des Balkons, und reckte den Hals, als ob er etwas ſagen wollte. „Wem gilt es?“ fragte Sander. „Dem Prinzen oder Duſſek oder der Sinumbralampe.“ „Natürlich dem Prinzen,“ antwortete Duſſek. „Und warum?“ „Weil er nicht blos Prinz iſt, ſondern auch Duſſek und ‚sine umbra‘.“ Alles lachte (der Prinz mit), während Sander allerförmlichſt „zum Hofkapellmeiſter“ gratulierte. „Und wenn unſer Freund,“ ſo ſchloß er, „in Zukunft wieder Strohalme ſammelt, um an ihnen zu ſehen, „woher der Wind weht,“ ſo wird dieſer Wind ihm allemal aus dem Lande geheiligter Traditionen und nicht mehr aus dem Lande der Vorurteile zu kommen ſcheinen.“ Als Sander noch ſo ſprach, ſetzte ſich die Schwanen¬ flotille, die wohl durch die Duſſekſche Muſik herbei¬ gelockt ſein mußte, wieder in Bewegung, und ſegelte flußabwärts, wie ſie bis dahin flußaufwärts gekommen war. Nur der Schwan, der den Obman gemacht,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/108>, abgerufen am 24.04.2024.