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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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In einer Nachschrift, die länger als der Brief selbst
war, war hinzugefügt, "daß er durch eine Krisis ge¬
gangen sei; diese Krisis aber liege jetzt hinter ihm,
und er hoffe sagen zu dürfen, ein Grund an ihm
oder seinem Rechtsgefühle zu zweifeln, werde nicht
wiederkehren. Er lebe nur noch dem einen Wunsch
und Gedanken, alles was geschehen sei, durch Gesetz¬
lichkeit auszugleichen. Über ein Mehr leg er sich vor¬
läufig Schweigen auf."

Dies Billet, das der kleine Groom überbrachte,
wurde, trotz der schon vorgerückten Stunde, von Frau
von Carayon auf der Stelle beantwortet. Sie freue
sich, in seinen Zeilen einer so versöhnlichen Sprache
zu begegnen. Über alles, was seinem Briefe nach
als ein nunmehr Zurückliegendes anzusehen sei, werd
es am besten sein zu schweigen; auch sie fühle, daß
sie ruhiger und rücksichtsvoller hätte handeln sollen,
sie habe sich hinreißen lassen, und nur das Eine
werd ihr vielleicht zur Entschuldigung dienen dürfen,
daß sie von jenen hämischen Angriffen in Wort und
Bild, die sein Benehmen im Laufe der letzten Woche
bestimmt zu haben schienen, erst seit zwei Tagen Kennt¬
nis habe. Hätte sie diese Kenntnis früher gehabt,
so würde sie vieles milder beurteilt, jedenfalls aber
eine abwartende Haltung ihm und seinem Schweigen
gegenüber eingenommen haben. Sie hoffe jetzt, daß
alles wieder einklingen werde. Victoirens große Liebe

In einer Nachſchrift, die länger als der Brief ſelbſt
war, war hinzugefügt, „daß er durch eine Kriſis ge¬
gangen ſei; dieſe Kriſis aber liege jetzt hinter ihm,
und er hoffe ſagen zu dürfen, ein Grund an ihm
oder ſeinem Rechtsgefühle zu zweifeln, werde nicht
wiederkehren. Er lebe nur noch dem einen Wunſch
und Gedanken, alles was geſchehen ſei, durch Geſetz¬
lichkeit auszugleichen. Über ein Mehr leg er ſich vor¬
läufig Schweigen auf.“

Dies Billet, das der kleine Groom überbrachte,
wurde, trotz der ſchon vorgerückten Stunde, von Frau
von Carayon auf der Stelle beantwortet. Sie freue
ſich, in ſeinen Zeilen einer ſo verſöhnlichen Sprache
zu begegnen. Über alles, was ſeinem Briefe nach
als ein nunmehr Zurückliegendes anzuſehen ſei, werd
es am beſten ſein zu ſchweigen; auch ſie fühle, daß
ſie ruhiger und rückſichtsvoller hätte handeln ſollen,
ſie habe ſich hinreißen laſſen, und nur das Eine
werd ihr vielleicht zur Entſchuldigung dienen dürfen,
daß ſie von jenen hämiſchen Angriffen in Wort und
Bild, die ſein Benehmen im Laufe der letzten Woche
beſtimmt zu haben ſchienen, erſt ſeit zwei Tagen Kennt¬
nis habe. Hätte ſie dieſe Kenntnis früher gehabt,
ſo würde ſie vieles milder beurteilt, jedenfalls aber
eine abwartende Haltung ihm und ſeinem Schweigen
gegenüber eingenommen haben. Sie hoffe jetzt, daß
alles wieder einklingen werde. Victoirens große Liebe

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[204/0216] In einer Nachſchrift, die länger als der Brief ſelbſt war, war hinzugefügt, „daß er durch eine Kriſis ge¬ gangen ſei; dieſe Kriſis aber liege jetzt hinter ihm, und er hoffe ſagen zu dürfen, ein Grund an ihm oder ſeinem Rechtsgefühle zu zweifeln, werde nicht wiederkehren. Er lebe nur noch dem einen Wunſch und Gedanken, alles was geſchehen ſei, durch Geſetz¬ lichkeit auszugleichen. Über ein Mehr leg er ſich vor¬ läufig Schweigen auf.“ Dies Billet, das der kleine Groom überbrachte, wurde, trotz der ſchon vorgerückten Stunde, von Frau von Carayon auf der Stelle beantwortet. Sie freue ſich, in ſeinen Zeilen einer ſo verſöhnlichen Sprache zu begegnen. Über alles, was ſeinem Briefe nach als ein nunmehr Zurückliegendes anzuſehen ſei, werd es am beſten ſein zu ſchweigen; auch ſie fühle, daß ſie ruhiger und rückſichtsvoller hätte handeln ſollen, ſie habe ſich hinreißen laſſen, und nur das Eine werd ihr vielleicht zur Entſchuldigung dienen dürfen, daß ſie von jenen hämiſchen Angriffen in Wort und Bild, die ſein Benehmen im Laufe der letzten Woche beſtimmt zu haben ſchienen, erſt ſeit zwei Tagen Kennt¬ nis habe. Hätte ſie dieſe Kenntnis früher gehabt, ſo würde ſie vieles milder beurteilt, jedenfalls aber eine abwartende Haltung ihm und ſeinem Schweigen gegenüber eingenommen haben. Sie hoffe jetzt, daß alles wieder einklingen werde. Victoirens große Liebe

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/216>, abgerufen am 19.04.2024.