Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

wenig Dank, daß er über Politik und französische
Zeitungen die Visiten und Toiletten vergißt.

Was mir allein eine Sorge machte, war Deine
neue masurische Heimat, ein Stück Land, das ich mir
immer als einen einzigen großen Wald mit hundert
Seen und Sümpfen vorgestellt habe. Da dacht ich
denn, diese neue Heimat könne Dich leicht in ein
melancholisches Träumen versetzen, das dann immer
der Anfang zu Heimweh oder wohl gar zu Trauer
und Thränen ist. Und davor, so hab ich mir sagen
lassen, erschrecken die Männer. Aber ich sehe zu
meiner herzlichen Freude, daß Du auch dieser Ge¬
fahr entgangen bist, und daß die Birken, die Dein
Schloß umstehn, grüne Pfingstmaien und keine
Trauerbirken sind. A propos über das Birkenwasser
mußt Du mir gelegentlich schreiben. Es gehört zu
den Dingen, die mich immer neugierig gemacht haben,
und die kennen zu lernen mir bis diesen Augenblick
versagt geblieben ist.

Und nun soll ich Dir über uns berichten. Du
frägst teilnehmend nach all und jedem, und verlangst
sogar von Tante Margueritens neuester Prinzessin
und neuester Namensverwechslung zu hören. Ich
könnte Dir gerade davon erzählen, denn es sind
keine drei Tage, daß wir (wenigstens von diesen Ver¬
wechslungen) ein gerüttelt und geschüttelt Maß gehabt
haben.

wenig Dank, daß er über Politik und franzöſiſche
Zeitungen die Viſiten und Toiletten vergißt.

Was mir allein eine Sorge machte, war Deine
neue maſuriſche Heimat, ein Stück Land, das ich mir
immer als einen einzigen großen Wald mit hundert
Seen und Sümpfen vorgeſtellt habe. Da dacht ich
denn, dieſe neue Heimat könne Dich leicht in ein
melancholiſches Träumen verſetzen, das dann immer
der Anfang zu Heimweh oder wohl gar zu Trauer
und Thränen iſt. Und davor, ſo hab ich mir ſagen
laſſen, erſchrecken die Männer. Aber ich ſehe zu
meiner herzlichen Freude, daß Du auch dieſer Ge¬
fahr entgangen biſt, und daß die Birken, die Dein
Schloß umſtehn, grüne Pfingſtmaien und keine
Trauerbirken ſind. A propos über das Birkenwaſſer
mußt Du mir gelegentlich ſchreiben. Es gehört zu
den Dingen, die mich immer neugierig gemacht haben,
und die kennen zu lernen mir bis dieſen Augenblick
verſagt geblieben iſt.

Und nun ſoll ich Dir über uns berichten. Du
frägſt teilnehmend nach all und jedem, und verlangſt
ſogar von Tante Margueritens neueſter Prinzeſſin
und neueſter Namensverwechslung zu hören. Ich
könnte Dir gerade davon erzählen, denn es ſind
keine drei Tage, daß wir (wenigſtens von dieſen Ver¬
wechslungen) ein gerüttelt und geſchüttelt Maß gehabt
haben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0074" n="62"/>
wenig Dank, daß er über Politik und franzö&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Zeitungen die Vi&#x017F;iten und Toiletten vergißt.</p><lb/>
        <p>Was mir allein eine Sorge machte, war Deine<lb/>
neue ma&#x017F;uri&#x017F;che Heimat, ein Stück Land, das ich mir<lb/>
immer als einen einzigen großen Wald mit hundert<lb/>
Seen und Sümpfen vorge&#x017F;tellt habe. Da dacht ich<lb/>
denn, die&#x017F;e neue Heimat könne Dich leicht in ein<lb/>
melancholi&#x017F;ches Träumen ver&#x017F;etzen, das dann immer<lb/>
der Anfang zu Heimweh oder wohl gar zu Trauer<lb/>
und Thränen i&#x017F;t. Und davor, &#x017F;o hab ich mir &#x017F;agen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, er&#x017F;chrecken die Männer. Aber ich &#x017F;ehe zu<lb/>
meiner herzlichen Freude, daß Du auch <hi rendition="#g">die&#x017F;er</hi> Ge¬<lb/>
fahr entgangen bi&#x017F;t, und daß die Birken, die Dein<lb/>
Schloß um&#x017F;tehn, grüne Pfing&#x017F;tmaien und keine<lb/>
Trauerbirken &#x017F;ind. <hi rendition="#aq">A propos</hi> über das Birkenwa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
mußt Du mir gelegentlich &#x017F;chreiben. Es gehört zu<lb/>
den Dingen, die mich immer neugierig gemacht haben,<lb/>
und die kennen zu lernen mir bis die&#x017F;en Augenblick<lb/>
ver&#x017F;agt geblieben i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Und nun &#x017F;oll ich Dir über <hi rendition="#g">uns</hi> berichten. Du<lb/>
fräg&#x017F;t teilnehmend nach all und jedem, und verlang&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ogar von Tante Margueritens neue&#x017F;ter Prinze&#x017F;&#x017F;in<lb/>
und neue&#x017F;ter Namensverwechslung zu hören. Ich<lb/>
könnte Dir gerade <hi rendition="#g">davon</hi> erzählen, denn es &#x017F;ind<lb/>
keine drei Tage, daß wir (wenig&#x017F;tens von die&#x017F;en Ver¬<lb/>
wechslungen) ein gerüttelt und ge&#x017F;chüttelt Maß gehabt<lb/>
haben.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0074] wenig Dank, daß er über Politik und franzöſiſche Zeitungen die Viſiten und Toiletten vergißt. Was mir allein eine Sorge machte, war Deine neue maſuriſche Heimat, ein Stück Land, das ich mir immer als einen einzigen großen Wald mit hundert Seen und Sümpfen vorgeſtellt habe. Da dacht ich denn, dieſe neue Heimat könne Dich leicht in ein melancholiſches Träumen verſetzen, das dann immer der Anfang zu Heimweh oder wohl gar zu Trauer und Thränen iſt. Und davor, ſo hab ich mir ſagen laſſen, erſchrecken die Männer. Aber ich ſehe zu meiner herzlichen Freude, daß Du auch dieſer Ge¬ fahr entgangen biſt, und daß die Birken, die Dein Schloß umſtehn, grüne Pfingſtmaien und keine Trauerbirken ſind. A propos über das Birkenwaſſer mußt Du mir gelegentlich ſchreiben. Es gehört zu den Dingen, die mich immer neugierig gemacht haben, und die kennen zu lernen mir bis dieſen Augenblick verſagt geblieben iſt. Und nun ſoll ich Dir über uns berichten. Du frägſt teilnehmend nach all und jedem, und verlangſt ſogar von Tante Margueritens neueſter Prinzeſſin und neueſter Namensverwechslung zu hören. Ich könnte Dir gerade davon erzählen, denn es ſind keine drei Tage, daß wir (wenigſtens von dieſen Ver¬ wechslungen) ein gerüttelt und geſchüttelt Maß gehabt haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/74
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/74>, abgerufen am 18.04.2024.