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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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tutti quanti, lieber Dussek. Keine Einwendungen.
Aber was trinken Sie? Sie haben die Wahl. Asti,
Montefiascone, Tokayer."

"Irgend einen Ungar."

"Herben?"

Dussek lächelte.

"Thörichte Frage," korrigierte sich der Prinz
und fuhr in gesteigerter guter Laune fort: "Aber nun,
Dussek, erzählen Sie. Theaterleute haben, die Tugend
selber ausgenommen, allerlei Tugenden, und unter diesen
auch die der Mitteilsamkeit. Sie bleiben einem auf
die Frage ,was Neues' selten eine Antwort schuldig."

"Und auch heute nicht, Königliche Hoheit," ant¬
wortete Dussek, der, nachdem er genippt hatte, eben sein
Bärtchen putzte.

"Nun, so lassen Sie hören. Was schwimmt
obenauf?"

"Die ganze Stadt ist in Aufregung. Versteht
sich, wenn ich sage, ,die ganze Stadt', so mein ich
das Theater."

"Das Theater ist die Stadt. Sie sind also ge¬
rechtfertigt. Und nun weiter."

"Königliche Hoheit befehlen. Nun denn, wir
sind in unsrem Haupt und Führer empfindlich ge¬
kränkt worden und haben denn auch aus eben diesem
Grunde nicht viel weniger als eine kleine Theater¬
emeute gehabt.

tutti quanti, lieber Duſſek. Keine Einwendungen.
Aber was trinken Sie? Sie haben die Wahl. Aſti,
Montefiascone, Tokayer.“

„Irgend einen Ungar.“

„Herben?“

Duſſek lächelte.

„Thörichte Frage,“ korrigierte ſich der Prinz
und fuhr in geſteigerter guter Laune fort: „Aber nun,
Duſſek, erzählen Sie. Theaterleute haben, die Tugend
ſelber ausgenommen, allerlei Tugenden, und unter dieſen
auch die der Mitteilſamkeit. Sie bleiben einem auf
die Frage ‚was Neues‛ ſelten eine Antwort ſchuldig.“

„Und auch heute nicht, Königliche Hoheit,“ ant¬
wortete Duſſek, der, nachdem er genippt hatte, eben ſein
Bärtchen putzte.

„Nun, ſo laſſen Sie hören. Was ſchwimmt
obenauf?“

„Die ganze Stadt iſt in Aufregung. Verſteht
ſich, wenn ich ſage, ‚die ganze Stadt‛, ſo mein ich
das Theater.“

„Das Theater iſt die Stadt. Sie ſind alſo ge¬
rechtfertigt. Und nun weiter.“

„Königliche Hoheit befehlen. Nun denn, wir
ſind in unſrem Haupt und Führer empfindlich ge¬
kränkt worden und haben denn auch aus eben dieſem
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emeute gehabt.

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[82/0094] tutti quanti, lieber Duſſek. Keine Einwendungen. Aber was trinken Sie? Sie haben die Wahl. Aſti, Montefiascone, Tokayer.“ „Irgend einen Ungar.“ „Herben?“ Duſſek lächelte. „Thörichte Frage,“ korrigierte ſich der Prinz und fuhr in geſteigerter guter Laune fort: „Aber nun, Duſſek, erzählen Sie. Theaterleute haben, die Tugend ſelber ausgenommen, allerlei Tugenden, und unter dieſen auch die der Mitteilſamkeit. Sie bleiben einem auf die Frage ‚was Neues‛ ſelten eine Antwort ſchuldig.“ „Und auch heute nicht, Königliche Hoheit,“ ant¬ wortete Duſſek, der, nachdem er genippt hatte, eben ſein Bärtchen putzte. „Nun, ſo laſſen Sie hören. Was ſchwimmt obenauf?“ „Die ganze Stadt iſt in Aufregung. Verſteht ſich, wenn ich ſage, ‚die ganze Stadt‛, ſo mein ich das Theater.“ „Das Theater iſt die Stadt. Sie ſind alſo ge¬ rechtfertigt. Und nun weiter.“ „Königliche Hoheit befehlen. Nun denn, wir ſind in unſrem Haupt und Führer empfindlich ge¬ kränkt worden und haben denn auch aus eben dieſem Grunde nicht viel weniger als eine kleine Theater¬ emeute gehabt.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/94>, abgerufen am 24.04.2024.