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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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seiner Erzählungen: das Meer, abgerechnet - viel an sich zu haben. In Deutschland ruht man nicht eher, als bis man einen Dichter oder Schriftsteller durch Aufklebung solches Zettels, wohl oder übel, untergebracht hat. Es spricht sich, wenig schmeichelhaft für uns, das Zugeständnis einer Untergeordnetheit und Abhängigkeit darin aus, sonst hätte solcher Brauch nie Mode werden können. Am meisten hat Jean Paul darunter zu leiden gehabt, dem gleich eine Gesamtähnlichkeit mit der Gruppe der englischen Humoristen des vorigen Jahrhunderts angeredet wurde. Dabei hat er fast gar keine Aehnlichkeit mit ihnen und ist - je nachdem - teils weniger, teils mehr.

Heinrich Smidt, war ein Holsteiner, in Altona 1798 geboren und wurde Seemann. Als solcher führte er ein eigenes Schiff und war wohl schon über dreißig Jahre alt, als er Veranlassung nahm, das unsichere Meer da draußen aufzugeben, um es mit einem für die meisten Sterblichen noch unsicherern Aktionsfelde zu vertauschen. Ihm aber glückte es; er fuhr nicht schlecht dabei; seine Gaben und Nicht-Gaben - diese fast noch mehr als jene - halfen ihm.

Als ich in den Tunnel eintrat, war er wohl schon zehn Jahre Mitglied und einer von denen, die mir sofort freundlich ihre Hand entgegenstreckten. Da sich's aber um Heinrich Smidt handelt, muß ich,

seiner Erzählungen: das Meer, abgerechnet – viel an sich zu haben. In Deutschland ruht man nicht eher, als bis man einen Dichter oder Schriftsteller durch Aufklebung solches Zettels, wohl oder übel, untergebracht hat. Es spricht sich, wenig schmeichelhaft für uns, das Zugeständnis einer Untergeordnetheit und Abhängigkeit darin aus, sonst hätte solcher Brauch nie Mode werden können. Am meisten hat Jean Paul darunter zu leiden gehabt, dem gleich eine Gesamtähnlichkeit mit der Gruppe der englischen Humoristen des vorigen Jahrhunderts angeredet wurde. Dabei hat er fast gar keine Aehnlichkeit mit ihnen und ist – je nachdem – teils weniger, teils mehr.

Heinrich Smidt, war ein Holsteiner, in Altona 1798 geboren und wurde Seemann. Als solcher führte er ein eigenes Schiff und war wohl schon über dreißig Jahre alt, als er Veranlassung nahm, das unsichere Meer da draußen aufzugeben, um es mit einem für die meisten Sterblichen noch unsicherern Aktionsfelde zu vertauschen. Ihm aber glückte es; er fuhr nicht schlecht dabei; seine Gaben und Nicht-Gaben – diese fast noch mehr als jene – halfen ihm.

Als ich in den Tunnel eintrat, war er wohl schon zehn Jahre Mitglied und einer von denen, die mir sofort freundlich ihre Hand entgegenstreckten. Da sich’s aber um Heinrich Smidt handelt, muß ich,

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[383/0392] seiner Erzählungen: das Meer, abgerechnet – viel an sich zu haben. In Deutschland ruht man nicht eher, als bis man einen Dichter oder Schriftsteller durch Aufklebung solches Zettels, wohl oder übel, untergebracht hat. Es spricht sich, wenig schmeichelhaft für uns, das Zugeständnis einer Untergeordnetheit und Abhängigkeit darin aus, sonst hätte solcher Brauch nie Mode werden können. Am meisten hat Jean Paul darunter zu leiden gehabt, dem gleich eine Gesamtähnlichkeit mit der Gruppe der englischen Humoristen des vorigen Jahrhunderts angeredet wurde. Dabei hat er fast gar keine Aehnlichkeit mit ihnen und ist – je nachdem – teils weniger, teils mehr. Heinrich Smidt, war ein Holsteiner, in Altona 1798 geboren und wurde Seemann. Als solcher führte er ein eigenes Schiff und war wohl schon über dreißig Jahre alt, als er Veranlassung nahm, das unsichere Meer da draußen aufzugeben, um es mit einem für die meisten Sterblichen noch unsicherern Aktionsfelde zu vertauschen. Ihm aber glückte es; er fuhr nicht schlecht dabei; seine Gaben und Nicht-Gaben – diese fast noch mehr als jene – halfen ihm. Als ich in den Tunnel eintrat, war er wohl schon zehn Jahre Mitglied und einer von denen, die mir sofort freundlich ihre Hand entgegenstreckten. Da sich’s aber um Heinrich Smidt handelt, muß ich,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/392>, abgerufen am 29.03.2024.