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Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802.

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von Weissenfels den Capellmeistertitel, und im Jahr 1736 den Titel eines Königl. Pohlnischen und Churfürstl. Sächsischen Hof-Compositeurs erhielt, sind eigentlich Nebendinge, nur ist dabey zu bemerken, daß der letztere Titel durch Verhältnisse veranlaßt wurde, in welche Bach durch sein Amt als Cantor an der Thomasschule gekommen war.

Sein zweyter Sohn, Carl Phil. Emanuel, kam im Jahr 1740 in die Dienste Friedrichs des Großen. Der Ruf von der alles übertreffenden Kunst Johann Sebastians war in dieser Zeit so verbreitet, daß auch der König sehr oft davon reden und rühmen hörte. Er wurde dadurch begierig, einen so großen Künstler selbst zu hören und kennen zu lernen. Anfänglich ließ er gegen den Sohn ganz leise den Wunsch merken, daß sein Vater doch einmahl nach Potsdam kommen möchte. Allein nach und nach fing er an, bestimmt zu fragen, warum denn sein Vater nicht einmahl komme? Der Sohn konnte nicht umhin, diese Aeußerungen des Königs seinem Vater zu melden, der aber anfänglich nicht darauf achten konnte, weil er meistens mit zu vielen Geschäften überhäuft war. Als aber die Aeußerungen des Königs in mehrern Briefen des Sohns wiederholt wurden, machte er endlich im Jahr 1747 dennoch Anstalt, diese Reise in Gesellschaft seines ältesten Sohns, Wilh. Friedemann, zu unternehmen. Der König hatte um diese Zeit alle Abende ein Cammerconcert, worin er meistens selbst einige Concerte auf der Flöte bließ. Eines Abends wurde ihm, als er eben seine Flöte zurecht machte, und seine Musiker schon versammelt waren, durch einen Officier der geschriebene Rapport von angekommenen Fremden gebracht. Mit der Flöte in der Hand übersah er das Papier, drehte sich aber sogleich gegen die versammelten Capellisten und sagte mit einer Art von Unruhe: Meine Herren, der alte Bach ist gekommen! Die Flöte wurde hierauf weggelegt, und der alte Bach, der in der Wohnung seines Sohns abgetreten war, sogleich auf das Schloß beordert. Wilh. Friedemann, der seinen Vater begleitete, hat mir diese Geschichte erzählt, und ich muß sagen, daß ich noch heute mit Vergnügen an die Art denke, wie er sie mir erzählt hat. Es wurden in jener Zeit noch etwas weitläuftige Complimente gemacht. Die erste Erscheinung Joh. Seb. Bachs vor einem so großen Könige, der ihm nicht einmahl Zeit ließ, sein Reisekleid mit einem schwarzen Cantor-Rock zu verwechseln, mußte also nothwendig mit vielen Entschuldigungen verknüpft seyn. Ich will die Art dieser Entschuldigungen hier nicht

von Weissenfels den Capellmeistertitel, und im Jahr 1736 den Titel eines Königl. Pohlnischen und Churfürstl. Sächsischen Hof-Compositeurs erhielt, sind eigentlich Nebendinge, nur ist dabey zu bemerken, daß der letztere Titel durch Verhältnisse veranlaßt wurde, in welche Bach durch sein Amt als Cantor an der Thomasschule gekommen war.

Sein zweyter Sohn, Carl Phil. Emanuel, kam im Jahr 1740 in die Dienste Friedrichs des Großen. Der Ruf von der alles übertreffenden Kunst Johann Sebastians war in dieser Zeit so verbreitet, daß auch der König sehr oft davon reden und rühmen hörte. Er wurde dadurch begierig, einen so großen Künstler selbst zu hören und kennen zu lernen. Anfänglich ließ er gegen den Sohn ganz leise den Wunsch merken, daß sein Vater doch einmahl nach Potsdam kommen möchte. Allein nach und nach fing er an, bestimmt zu fragen, warum denn sein Vater nicht einmahl komme? Der Sohn konnte nicht umhin, diese Aeußerungen des Königs seinem Vater zu melden, der aber anfänglich nicht darauf achten konnte, weil er meistens mit zu vielen Geschäften überhäuft war. Als aber die Aeußerungen des Königs in mehrern Briefen des Sohns wiederholt wurden, machte er endlich im Jahr 1747 dennoch Anstalt, diese Reise in Gesellschaft seines ältesten Sohns, Wilh. Friedemann, zu unternehmen. Der König hatte um diese Zeit alle Abende ein Cammerconcert, worin er meistens selbst einige Concerte auf der Flöte bließ. Eines Abends wurde ihm, als er eben seine Flöte zurecht machte, und seine Musiker schon versammelt waren, durch einen Officier der geschriebene Rapport von angekommenen Fremden gebracht. Mit der Flöte in der Hand übersah er das Papier, drehte sich aber sogleich gegen die versammelten Capellisten und sagte mit einer Art von Unruhe: Meine Herren, der alte Bach ist gekommen! Die Flöte wurde hierauf weggelegt, und der alte Bach, der in der Wohnung seines Sohns abgetreten war, sogleich auf das Schloß beordert. Wilh. Friedemann, der seinen Vater begleitete, hat mir diese Geschichte erzählt, und ich muß sagen, daß ich noch heute mit Vergnügen an die Art denke, wie er sie mir erzählt hat. Es wurden in jener Zeit noch etwas weitläuftige Complimente gemacht. Die erste Erscheinung Joh. Seb. Bachs vor einem so großen Könige, der ihm nicht einmahl Zeit ließ, sein Reisekleid mit einem schwarzen Cantor-Rock zu verwechseln, mußte also nothwendig mit vielen Entschuldigungen verknüpft seyn. Ich will die Art dieser Entschuldigungen hier nicht

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[9/0019] von Weissenfels den Capellmeistertitel, und im Jahr 1736 den Titel eines Königl. Pohlnischen und Churfürstl. Sächsischen Hof-Compositeurs erhielt, sind eigentlich Nebendinge, nur ist dabey zu bemerken, daß der letztere Titel durch Verhältnisse veranlaßt wurde, in welche Bach durch sein Amt als Cantor an der Thomasschule gekommen war. Sein zweyter Sohn, Carl Phil. Emanuel, kam im Jahr 1740 in die Dienste Friedrichs des Großen. Der Ruf von der alles übertreffenden Kunst Johann Sebastians war in dieser Zeit so verbreitet, daß auch der König sehr oft davon reden und rühmen hörte. Er wurde dadurch begierig, einen so großen Künstler selbst zu hören und kennen zu lernen. Anfänglich ließ er gegen den Sohn ganz leise den Wunsch merken, daß sein Vater doch einmahl nach Potsdam kommen möchte. Allein nach und nach fing er an, bestimmt zu fragen, warum denn sein Vater nicht einmahl komme? Der Sohn konnte nicht umhin, diese Aeußerungen des Königs seinem Vater zu melden, der aber anfänglich nicht darauf achten konnte, weil er meistens mit zu vielen Geschäften überhäuft war. Als aber die Aeußerungen des Königs in mehrern Briefen des Sohns wiederholt wurden, machte er endlich im Jahr 1747 dennoch Anstalt, diese Reise in Gesellschaft seines ältesten Sohns, Wilh. Friedemann, zu unternehmen. Der König hatte um diese Zeit alle Abende ein Cammerconcert, worin er meistens selbst einige Concerte auf der Flöte bließ. Eines Abends wurde ihm, als er eben seine Flöte zurecht machte, und seine Musiker schon versammelt waren, durch einen Officier der geschriebene Rapport von angekommenen Fremden gebracht. Mit der Flöte in der Hand übersah er das Papier, drehte sich aber sogleich gegen die versammelten Capellisten und sagte mit einer Art von Unruhe: Meine Herren, der alte Bach ist gekommen! Die Flöte wurde hierauf weggelegt, und der alte Bach, der in der Wohnung seines Sohns abgetreten war, sogleich auf das Schloß beordert. Wilh. Friedemann, der seinen Vater begleitete, hat mir diese Geschichte erzählt, und ich muß sagen, daß ich noch heute mit Vergnügen an die Art denke, wie er sie mir erzählt hat. Es wurden in jener Zeit noch etwas weitläuftige Complimente gemacht. Die erste Erscheinung Joh. Seb. Bachs vor einem so großen Könige, der ihm nicht einmahl Zeit ließ, sein Reisekleid mit einem schwarzen Cantor-Rock zu verwechseln, mußte also nothwendig mit vielen Entschuldigungen verknüpft seyn. Ich will die Art dieser Entschuldigungen hier nicht

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Zitationshilfe: Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forkel_bach_1802/19>, abgerufen am 19.04.2024.