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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.

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nicht Briefe von Eduard sein? fragte Luise. Nein, erwiederte Mathilde, das Kästchen verschließend; ein flüchtiger Blick auf die Handschrift hat mich vom Gegentheil überzeugt.

Beide schwiegen eine Zeitlang, in eignen Gedanken verloren. Liebes Kind, hub Mathilde nach einer Weile an, ich sah noch einmal in die Vergangenheit zurück und ließ jene Begebenheiten an Dir vorübergehn, um Dich von dem Glück zu überzeugen, das Deiner in einer Verbindung erwartet, die stille Anhänglichkeit in ungestörtem Fortschreiten gründete. Glaube mir, jene leidenschaftliche Wallungen, die den Sinn aus der Ferne durch ein scheinbar regsames Leben bestechen, welken die eigentliche Frische des Gemüths und geben ihm eine bloß kränkliche Heftigkeit, die aus Mangel an Kraft entspringt. So verwirrt sich der Mensch im Innren und findet niemals wieder das rechte Gleichgewicht. Deine Liebe zu Julius ist mit Dir aufgewachsen und hat sich mit allen andren Kräften Deiner Seele zugleich entwickelt. Ich ließ Dich den Weg ungehindert fortgehn, der Dich einer ruhigen Bestimmung zuführt. Nichts widersprach Deiner Neigung, und reizte sie, ihre Schranken zu überfliegen. Kein ungewöhnliches Ereigniß unterbrach den einfachen Gang Deines Lebens. Die Welt, mit allem was sie Täuschendes enthält, blieb

nicht Briefe von Eduard sein? fragte Luise. Nein, erwiederte Mathilde, das Kästchen verschließend; ein flüchtiger Blick auf die Handschrift hat mich vom Gegentheil überzeugt.

Beide schwiegen eine Zeitlang, in eignen Gedanken verloren. Liebes Kind, hub Mathilde nach einer Weile an, ich sah noch einmal in die Vergangenheit zurück und ließ jene Begebenheiten an Dir vorübergehn, um Dich von dem Glück zu überzeugen, das Deiner in einer Verbindung erwartet, die stille Anhänglichkeit in ungestörtem Fortschreiten gründete. Glaube mir, jene leidenschaftliche Wallungen, die den Sinn aus der Ferne durch ein scheinbar regsames Leben bestechen, welken die eigentliche Frische des Gemüths und geben ihm eine bloß kränkliche Heftigkeit, die aus Mangel an Kraft entspringt. So verwirrt sich der Mensch im Innren und findet niemals wieder das rechte Gleichgewicht. Deine Liebe zu Julius ist mit Dir aufgewachsen und hat sich mit allen andren Kräften Deiner Seele zugleich entwickelt. Ich ließ Dich den Weg ungehindert fortgehn, der Dich einer ruhigen Bestimmung zuführt. Nichts widersprach Deiner Neigung, und reizte sie, ihre Schranken zu überfliegen. Kein ungewöhnliches Ereigniß unterbrach den einfachen Gang Deines Lebens. Die Welt, mit allem was sie Täuschendes enthält, blieb

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[29/0037] nicht Briefe von Eduard sein? fragte Luise. Nein, erwiederte Mathilde, das Kästchen verschließend; ein flüchtiger Blick auf die Handschrift hat mich vom Gegentheil überzeugt. Beide schwiegen eine Zeitlang, in eignen Gedanken verloren. Liebes Kind, hub Mathilde nach einer Weile an, ich sah noch einmal in die Vergangenheit zurück und ließ jene Begebenheiten an Dir vorübergehn, um Dich von dem Glück zu überzeugen, das Deiner in einer Verbindung erwartet, die stille Anhänglichkeit in ungestörtem Fortschreiten gründete. Glaube mir, jene leidenschaftliche Wallungen, die den Sinn aus der Ferne durch ein scheinbar regsames Leben bestechen, welken die eigentliche Frische des Gemüths und geben ihm eine bloß kränkliche Heftigkeit, die aus Mangel an Kraft entspringt. So verwirrt sich der Mensch im Innren und findet niemals wieder das rechte Gleichgewicht. Deine Liebe zu Julius ist mit Dir aufgewachsen und hat sich mit allen andren Kräften Deiner Seele zugleich entwickelt. Ich ließ Dich den Weg ungehindert fortgehn, der Dich einer ruhigen Bestimmung zuführt. Nichts widersprach Deiner Neigung, und reizte sie, ihre Schranken zu überfliegen. Kein ungewöhnliches Ereigniß unterbrach den einfachen Gang Deines Lebens. Die Welt, mit allem was sie Täuschendes enthält, blieb

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/37>, abgerufen am 23.04.2024.