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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.

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Schirm, der ihr indeß nicht die leiseste Bewegung im Zimmer entzog. Oft konnte sie es auch da nicht aushalten; sie schlich leise zu der Kranken und harrte mit zurückgehaltnem Athem auf jede ihrer Bewegungen. Mathilde reichte ihr dann, wehmüthig lächelnd, die Hand, und Beide wandten das Gesicht ab, um die hervorbrechende Thränen zu verbergen.

So schlichen die Stunden langsam hin; niemand wagte seine innre Angst auszusprechen. Jeder ahndete und schob dennoch die Gewißheit des nahen Unglücks schaudernd zurück.

Gegen Abend bemerkte Luise, daß ihre Mutter ganz still werde. Mariane glaubte, sie schlafe, und saß ruhig zu ihren Füßen. Nach einer Weile öffnete sie dennoch die Gardinen, und da sie Mathilden wachend fand, fragte sie, ob sie leide und ob nichts zu ihrer Erleichterung geschehen könne? Nein, gutes Kind, antwortete diese mit ihrer gewohnten Milde, mir fehlt nichts, ich wünsche auch nichts mehr -- aber die lange, lange Trennung! -- Hier schlug eine Uhr, die Viola einst, ihres künstlichen Glockenspiels wegen, Luisen schenkte, sieben. Sieben, wiederholte die Kranke langsam zählend, ach nun muß ich noch siebenmal sterben. -- Hier hielt sich Luise nicht länger; sie eilte hinaus in den Garten und warf sich laut weinend auf den

Schirm, der ihr indeß nicht die leiseste Bewegung im Zimmer entzog. Oft konnte sie es auch da nicht aushalten; sie schlich leise zu der Kranken und harrte mit zurückgehaltnem Athem auf jede ihrer Bewegungen. Mathilde reichte ihr dann, wehmüthig lächelnd, die Hand, und Beide wandten das Gesicht ab, um die hervorbrechende Thränen zu verbergen.

So schlichen die Stunden langsam hin; niemand wagte seine innre Angst auszusprechen. Jeder ahndete und schob dennoch die Gewißheit des nahen Unglücks schaudernd zurück.

Gegen Abend bemerkte Luise, daß ihre Mutter ganz still werde. Mariane glaubte, sie schlafe, und saß ruhig zu ihren Füßen. Nach einer Weile öffnete sie dennoch die Gardinen, und da sie Mathilden wachend fand, fragte sie, ob sie leide und ob nichts zu ihrer Erleichterung geschehen könne? Nein, gutes Kind, antwortete diese mit ihrer gewohnten Milde, mir fehlt nichts, ich wünsche auch nichts mehr — aber die lange, lange Trennung! — Hier schlug eine Uhr, die Viola einst, ihres künstlichen Glockenspiels wegen, Luisen schenkte, sieben. Sieben, wiederholte die Kranke langsam zählend, ach nun muß ich noch siebenmal sterben. — Hier hielt sich Luise nicht länger; sie eilte hinaus in den Garten und warf sich laut weinend auf den

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[34/0042] Schirm, der ihr indeß nicht die leiseste Bewegung im Zimmer entzog. Oft konnte sie es auch da nicht aushalten; sie schlich leise zu der Kranken und harrte mit zurückgehaltnem Athem auf jede ihrer Bewegungen. Mathilde reichte ihr dann, wehmüthig lächelnd, die Hand, und Beide wandten das Gesicht ab, um die hervorbrechende Thränen zu verbergen. So schlichen die Stunden langsam hin; niemand wagte seine innre Angst auszusprechen. Jeder ahndete und schob dennoch die Gewißheit des nahen Unglücks schaudernd zurück. Gegen Abend bemerkte Luise, daß ihre Mutter ganz still werde. Mariane glaubte, sie schlafe, und saß ruhig zu ihren Füßen. Nach einer Weile öffnete sie dennoch die Gardinen, und da sie Mathilden wachend fand, fragte sie, ob sie leide und ob nichts zu ihrer Erleichterung geschehen könne? Nein, gutes Kind, antwortete diese mit ihrer gewohnten Milde, mir fehlt nichts, ich wünsche auch nichts mehr — aber die lange, lange Trennung! — Hier schlug eine Uhr, die Viola einst, ihres künstlichen Glockenspiels wegen, Luisen schenkte, sieben. Sieben, wiederholte die Kranke langsam zählend, ach nun muß ich noch siebenmal sterben. — Hier hielt sich Luise nicht länger; sie eilte hinaus in den Garten und warf sich laut weinend auf den

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/42>, abgerufen am 16.04.2024.