Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

und als diese Julius erkannte, rief sie neu belebt: Gott Lob, mein Sohn, mein lieber Sohn! Julius Festigkeit erlag bei dem ernsten Ton dieser gebrochnen Stimme. Seine Thränen rannen unaufhaltsam, er konnte kein Wort hervorbringen, und als er beim unsichren Schein der Lampe nach und nach die verfallnen Züge des geliebten Gesichtes wahrnahm, barg er seinen Kopf in die Kissen und gab sich ohne Widerstand dem heftigsten Schmerze hin. In diesem Augenblick war Mathilde für ihn todt, und was nachher wirklich erfolgte, erregte nur den Wiederschein jenes ersten heftigen Gefühls in ihm. Der Doktor näherte sich jetzt und wünschte, man möge jede Erschütterung vermeiden. Wozu das? fragte Mathilde. Lassen Sie doch die letzten, freien Ergießungen durch keine Rücksicht hemmen. Man erwägt ja das Leben hindurch Vortheil und Schaden; in dieser Stunde darf uns dergleichen wohl nicht stören.

Ihre Augen belebten sich, während sie sprach und fachten in Luisen neue Hoffnung an. Allein sie selbst fühlte wohl, daß dieser rückkehrende Lebensblitz nur ein Wiederschein des schwindenden Geistes sei, der noch einmal der lieben, befreundeten Welt Lebewohl sagte; daher eilte sie, die gegönnte Frist zu benutzen und wandte sich zu ihren Kindern, die, von tausend Gefühlen zerrissen, sich

und als diese Julius erkannte, rief sie neu belebt: Gott Lob, mein Sohn, mein lieber Sohn! Julius Festigkeit erlag bei dem ernsten Ton dieser gebrochnen Stimme. Seine Thränen rannen unaufhaltsam, er konnte kein Wort hervorbringen, und als er beim unsichren Schein der Lampe nach und nach die verfallnen Züge des geliebten Gesichtes wahrnahm, barg er seinen Kopf in die Kissen und gab sich ohne Widerstand dem heftigsten Schmerze hin. In diesem Augenblick war Mathilde für ihn todt, und was nachher wirklich erfolgte, erregte nur den Wiederschein jenes ersten heftigen Gefühls in ihm. Der Doktor näherte sich jetzt und wünschte, man möge jede Erschütterung vermeiden. Wozu das? fragte Mathilde. Lassen Sie doch die letzten, freien Ergießungen durch keine Rücksicht hemmen. Man erwägt ja das Leben hindurch Vortheil und Schaden; in dieser Stunde darf uns dergleichen wohl nicht stören.

Ihre Augen belebten sich, während sie sprach und fachten in Luisen neue Hoffnung an. Allein sie selbst fühlte wohl, daß dieser rückkehrende Lebensblitz nur ein Wiederschein des schwindenden Geistes sei, der noch einmal der lieben, befreundeten Welt Lebewohl sagte; daher eilte sie, die gegönnte Frist zu benutzen und wandte sich zu ihren Kindern, die, von tausend Gefühlen zerrissen, sich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0044" n="36"/>
und als diese Julius erkannte, rief sie neu belebt: Gott Lob, mein Sohn, mein lieber Sohn! Julius Festigkeit erlag bei dem ernsten Ton dieser gebrochnen Stimme. Seine Thränen rannen unaufhaltsam, er konnte kein Wort hervorbringen, und als er beim unsichren Schein der Lampe nach und nach die verfallnen Züge des geliebten Gesichtes wahrnahm, barg er seinen Kopf in die Kissen und gab sich ohne Widerstand dem heftigsten Schmerze hin. In diesem Augenblick war Mathilde für ihn todt, und was nachher wirklich erfolgte, erregte nur den Wiederschein jenes ersten heftigen Gefühls in ihm. Der Doktor näherte sich jetzt und wünschte, man möge jede Erschütterung vermeiden. Wozu das? fragte Mathilde. Lassen Sie doch die letzten, freien Ergießungen durch keine Rücksicht hemmen. Man erwägt ja das Leben hindurch Vortheil und Schaden; in dieser Stunde darf uns dergleichen wohl nicht stören.</p>
        <p>Ihre Augen belebten sich, während sie sprach und fachten in Luisen neue Hoffnung an. Allein sie selbst fühlte wohl, daß dieser rückkehrende Lebensblitz nur ein Wiederschein des schwindenden Geistes sei, der noch einmal der lieben, befreundeten Welt Lebewohl sagte; daher eilte sie, die gegönnte Frist zu benutzen und wandte sich zu ihren Kindern, die, von tausend Gefühlen zerrissen, sich
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0044] und als diese Julius erkannte, rief sie neu belebt: Gott Lob, mein Sohn, mein lieber Sohn! Julius Festigkeit erlag bei dem ernsten Ton dieser gebrochnen Stimme. Seine Thränen rannen unaufhaltsam, er konnte kein Wort hervorbringen, und als er beim unsichren Schein der Lampe nach und nach die verfallnen Züge des geliebten Gesichtes wahrnahm, barg er seinen Kopf in die Kissen und gab sich ohne Widerstand dem heftigsten Schmerze hin. In diesem Augenblick war Mathilde für ihn todt, und was nachher wirklich erfolgte, erregte nur den Wiederschein jenes ersten heftigen Gefühls in ihm. Der Doktor näherte sich jetzt und wünschte, man möge jede Erschütterung vermeiden. Wozu das? fragte Mathilde. Lassen Sie doch die letzten, freien Ergießungen durch keine Rücksicht hemmen. Man erwägt ja das Leben hindurch Vortheil und Schaden; in dieser Stunde darf uns dergleichen wohl nicht stören. Ihre Augen belebten sich, während sie sprach und fachten in Luisen neue Hoffnung an. Allein sie selbst fühlte wohl, daß dieser rückkehrende Lebensblitz nur ein Wiederschein des schwindenden Geistes sei, der noch einmal der lieben, befreundeten Welt Lebewohl sagte; daher eilte sie, die gegönnte Frist zu benutzen und wandte sich zu ihren Kindern, die, von tausend Gefühlen zerrissen, sich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI von TextGrid (2013-03-15T15:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus TextGrid entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-15T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-15T15:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/44
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Erstes Bändchen. Berlin, 1810, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins01_1810/44>, abgerufen am 19.04.2024.