wenigen Stunden zwischen Zeichnungen und Kupferblättern einer kunstfertigen Putzmach- erin gegenüber, heftig und eifernd disser- tirte. Fragt man eine junge Dame über die Wahl ihres Anzuges für diesen oder je- nen Ball, so kann man sicher sein, mit ein- gefrornem Lächeln die verwunderte Ausru- fung zu hören: "Gott! wie soll ich das wissen?" recht als wenn so Armseeliges den hohen Jdeengang der achtzehnjährigen Den- kerin nicht berühren dürfe!
Der affectirte Gleichmuth ist indeß auch noch gerade verbraucht, und da er niemand mehr täuscht, so tritt allmählig eine gewisse künstlerische Jdealität an dessen Stelle, welche die Putzsucht recht artig einwickelt, und po- etisch moderne Männer mit in das Jnteresse der Eitelkeit ziehet. So werden Vorbilder für diese oder jene neue Form von Antiken- Sammlungen und Bildergallerieen bis zu den Rumpelkammern alter Familienschlösser aufgestöbert, und niegestillte Prachtliebe mit gefabelter Hinneigung zu dem Oriente, ge- rechtfertigt. Und alles das nur, um nicht
wenigen Stunden zwiſchen Zeichnungen und Kupferblaͤttern einer kunſtfertigen Putzmach- erin gegenuͤber, heftig und eifernd diſſer- tirte. Fragt man eine junge Dame uͤber die Wahl ihres Anzuges fuͤr dieſen oder je- nen Ball, ſo kann man ſicher ſein, mit ein- gefrornem Laͤcheln die verwunderte Ausru- fung zu hoͤren: „Gott! wie ſoll ich das wiſſen?‟ recht als wenn ſo Armſeeliges den hohen Jdeengang der achtzehnjaͤhrigen Den- kerin nicht beruͤhren duͤrfe!
Der affectirte Gleichmuth iſt indeß auch noch gerade verbraucht, und da er niemand mehr taͤuſcht, ſo tritt allmaͤhlig eine gewiſſe kuͤnſtleriſche Jdealitaͤt an deſſen Stelle, welche die Putzſucht recht artig einwickelt, und po- etiſch moderne Maͤnner mit in das Jntereſſe der Eitelkeit ziehet. So werden Vorbilder fuͤr dieſe oder jene neue Form von Antiken- Sammlungen und Bildergallerieen bis zu den Rumpelkammern alter Familienſchloͤſſer aufgeſtoͤbert, und niegeſtillte Prachtliebe mit gefabelter Hinneigung zu dem Oriente, ge- rechtfertigt. Und alles das nur, um nicht
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wenigen Stunden zwiſchen Zeichnungen und
Kupferblaͤttern einer kunſtfertigen Putzmach-
erin gegenuͤber, heftig und eifernd diſſer-
tirte. Fragt man eine junge Dame uͤber
die Wahl ihres Anzuges fuͤr dieſen oder je-
nen Ball, ſo kann man ſicher ſein, mit ein-
gefrornem Laͤcheln die verwunderte Ausru-
fung zu hoͤren: „Gott! wie ſoll ich das
wiſſen?‟ recht als wenn ſo Armſeeliges den
hohen Jdeengang der achtzehnjaͤhrigen Den-
kerin nicht beruͤhren duͤrfe!
Der affectirte Gleichmuth iſt indeß auch
noch gerade verbraucht, und da er niemand
mehr taͤuſcht, ſo tritt allmaͤhlig eine gewiſſe
kuͤnſtleriſche Jdealitaͤt an deſſen Stelle, welche
die Putzſucht recht artig einwickelt, und po-
etiſch moderne Maͤnner mit in das Jntereſſe
der Eitelkeit ziehet. So werden Vorbilder
fuͤr dieſe oder jene neue Form von Antiken-
Sammlungen und Bildergallerieen bis zu
den Rumpelkammern alter Familienſchloͤſſer
aufgeſtoͤbert, und niegeſtillte Prachtliebe mit
gefabelter Hinneigung zu dem Oriente, ge-
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/105>, abgerufen am 15.05.2024.
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