Vergängliches und Ewiges zu sagen wissen, und doch weder das Erstere fahren lassen, noch das Andre festhalten wollen. Der Frie- de einer schönen, reinen Natur beruhet auf unbewußtem Selbstvergessen, auf einem sol- chen, das wirklich nicht von sich weiß, das mit ungekünstelter Bescheidenheit die guten Gaben des Himmels und der Welt freudig, ja überrascht empfängt, und es dankbar würdigt, mit bei der Vertheilung von Er- dengütern noch so vieles den Einzelnen zu Erkenntlichkeit auffodert, wenn gleich unzäh- lige Fehlschlagungen die Reihe unsrer Wün- sche zerreissen.
Zu einer solchen Ansicht des irdischen Daseins gelangt man entweder sehr spät, und nach mannigfach reifenden Erfahrungen, oder die schöne Gewöhnung der Kindheit und Jugend hat das Jnnre so glücklich gestimmt, daß ein wahrer, tiefer Grund der De- muth das ganze Wesen erfüllt, und die Ein- drücke von Außen wohl zuweilen stürmend andringen, doch nie den festen Bau erschüt- tern können.
Vergaͤngliches und Ewiges zu ſagen wiſſen, und doch weder das Erſtere fahren laſſen, noch das Andre feſthalten wollen. Der Frie- de einer ſchoͤnen, reinen Natur beruhet auf unbewußtem Selbſtvergeſſen, auf einem ſol- chen, das wirklich nicht von ſich weiß, das mit ungekuͤnſtelter Beſcheidenheit die guten Gaben des Himmels und der Welt freudig, ja uͤberraſcht empfaͤngt, und es dankbar wuͤrdigt, mit bei der Vertheilung von Er- denguͤtern noch ſo vieles den Einzelnen zu Erkenntlichkeit auffodert, wenn gleich unzaͤh- lige Fehlſchlagungen die Reihe unſrer Wuͤn- ſche zerreiſſen.
Zu einer ſolchen Anſicht des irdiſchen Daſeins gelangt man entweder ſehr ſpaͤt, und nach mannigfach reifenden Erfahrungen, oder die ſchoͤne Gewoͤhnung der Kindheit und Jugend hat das Jnnre ſo gluͤcklich geſtimmt, daß ein wahrer, tiefer Grund der De- muth das ganze Weſen erfuͤllt, und die Ein- druͤcke von Außen wohl zuweilen ſtuͤrmend andringen, doch nie den feſten Bau erſchuͤt- tern koͤnnen.
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Vergaͤngliches und Ewiges zu ſagen wiſſen,
und doch weder das Erſtere fahren laſſen,
noch das Andre feſthalten wollen. Der Frie-
de einer ſchoͤnen, reinen Natur beruhet auf
unbewußtem Selbſtvergeſſen, auf einem ſol-
chen, das wirklich nicht von ſich weiß, das
mit ungekuͤnſtelter Beſcheidenheit die guten
Gaben des Himmels und der Welt freudig,
ja uͤberraſcht empfaͤngt, und es dankbar
wuͤrdigt, mit bei der Vertheilung von Er-
denguͤtern noch ſo vieles den Einzelnen zu
Erkenntlichkeit auffodert, wenn gleich unzaͤh-
lige Fehlſchlagungen die Reihe unſrer Wuͤn-
ſche zerreiſſen.
Zu einer ſolchen Anſicht des irdiſchen
Daſeins gelangt man entweder ſehr ſpaͤt,
und nach mannigfach reifenden Erfahrungen,
oder die ſchoͤne Gewoͤhnung der Kindheit und
Jugend hat das Jnnre ſo gluͤcklich geſtimmt,
daß ein wahrer, tiefer Grund der De-
muth das ganze Weſen erfuͤllt, und die Ein-
druͤcke von Außen wohl zuweilen ſtuͤrmend
andringen, doch nie den feſten Bau erſchuͤt-
tern koͤnnen.
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/123>, abgerufen am 15.05.2024.
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