Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

kostet, ist denn auch die letzte Spur jedes
innern Widerspruches verwischt. Von nun
an wendet sich die Ergebene, oder Bekehrte,
der entgegengesetzten Richtung zu, der kurze
Wahn wird durch tausend Spöttereien ab-
gebüßt: "die Vernunft ist in ihre Rechte
getreten!" sagt man sich selbst zufrieden.
"Die Thorheit kann von da nicht thöricht
genug gestellt werden! --

Es ist aber damit nicht so völlig ernst,
als man es glaubt. Die Furcht, mit der
Gegenwart zu zerfallen, läßt allzu ängstlich
an diese halten. Der Rückblick wäre ge-
fährlich, deshalb wird der Gesichtskreis ver-
engt, und meist in eine kurze, gerade Linie
zusammengezogen, die nur bis zu dem Näch-
sten hinführt.

Dies Ueberschlagen von einem Aeußer-
sten zum andern, hat den doppelten Nach-
theil, daß man die Art von Glückseeligkeit,
zu der es bei solcher Beschränkung kommen
kann, in ein Heer herabwürdigender Klein-
lichkeiten vergräbt, und daß man sich selbst
zu keiner höheren fähig macht.

*

koſtet, iſt denn auch die letzte Spur jedes
innern Widerſpruches verwiſcht. Von nun
an wendet ſich die Ergebene, oder Bekehrte,
der entgegengeſetzten Richtung zu, der kurze
Wahn wird durch tauſend Spoͤttereien ab-
gebuͤßt: „die Vernunft iſt in ihre Rechte
getreten!‟ ſagt man ſich ſelbſt zufrieden.
„Die Thorheit kann von da nicht thoͤricht
genug geſtellt werden! —

Es iſt aber damit nicht ſo voͤllig ernſt,
als man es glaubt. Die Furcht, mit der
Gegenwart zu zerfallen, laͤßt allzu aͤngſtlich
an dieſe halten. Der Ruͤckblick waͤre ge-
faͤhrlich, deshalb wird der Geſichtskreis ver-
engt, und meiſt in eine kurze, gerade Linie
zuſammengezogen, die nur bis zu dem Naͤch-
ſten hinfuͤhrt.

Dies Ueberſchlagen von einem Aeußer-
ſten zum andern, hat den doppelten Nach-
theil, daß man die Art von Gluͤckſeeligkeit,
zu der es bei ſolcher Beſchraͤnkung kommen
kann, in ein Heer herabwuͤrdigender Klein-
lichkeiten vergraͤbt, und daß man ſich ſelbſt
zu keiner hoͤheren faͤhig macht.

*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0231" n="227"/>
ko&#x017F;tet, i&#x017F;t denn auch die letzte Spur jedes<lb/>
innern Wider&#x017F;pruches verwi&#x017F;cht. Von nun<lb/>
an wendet &#x017F;ich die Ergebene, oder Bekehrte,<lb/>
der entgegenge&#x017F;etzten Richtung zu, der kurze<lb/>
Wahn wird durch tau&#x017F;end Spo&#x0364;ttereien ab-<lb/>
gebu&#x0364;ßt: &#x201E;die Vernunft i&#x017F;t in ihre Rechte<lb/>
getreten!&#x201F; &#x017F;agt man &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zufrieden.<lb/>
&#x201E;Die Thorheit kann von da nicht tho&#x0364;richt<lb/>
genug ge&#x017F;tellt werden! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t aber damit nicht &#x017F;o vo&#x0364;llig ern&#x017F;t,<lb/>
als man es glaubt. Die Furcht, mit der<lb/>
Gegenwart zu zerfallen, la&#x0364;ßt allzu a&#x0364;ng&#x017F;tlich<lb/>
an die&#x017F;e halten. Der Ru&#x0364;ckblick wa&#x0364;re ge-<lb/>
fa&#x0364;hrlich, deshalb wird der Ge&#x017F;ichtskreis ver-<lb/>
engt, und mei&#x017F;t in eine kurze, gerade Linie<lb/>
zu&#x017F;ammengezogen, die nur bis zu dem Na&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten hinfu&#x0364;hrt.</p><lb/>
          <p>Dies Ueber&#x017F;chlagen von einem Aeußer-<lb/>
&#x017F;ten zum andern, hat den doppelten Nach-<lb/>
theil, daß man die Art von Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit,<lb/>
zu der es bei &#x017F;olcher Be&#x017F;chra&#x0364;nkung kommen<lb/>
kann, in ein Heer herabwu&#x0364;rdigender Klein-<lb/>
lichkeiten vergra&#x0364;bt, und daß man &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zu keiner ho&#x0364;heren fa&#x0364;hig macht.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0231] koſtet, iſt denn auch die letzte Spur jedes innern Widerſpruches verwiſcht. Von nun an wendet ſich die Ergebene, oder Bekehrte, der entgegengeſetzten Richtung zu, der kurze Wahn wird durch tauſend Spoͤttereien ab- gebuͤßt: „die Vernunft iſt in ihre Rechte getreten!‟ ſagt man ſich ſelbſt zufrieden. „Die Thorheit kann von da nicht thoͤricht genug geſtellt werden! — Es iſt aber damit nicht ſo voͤllig ernſt, als man es glaubt. Die Furcht, mit der Gegenwart zu zerfallen, laͤßt allzu aͤngſtlich an dieſe halten. Der Ruͤckblick waͤre ge- faͤhrlich, deshalb wird der Geſichtskreis ver- engt, und meiſt in eine kurze, gerade Linie zuſammengezogen, die nur bis zu dem Naͤch- ſten hinfuͤhrt. Dies Ueberſchlagen von einem Aeußer- ſten zum andern, hat den doppelten Nach- theil, daß man die Art von Gluͤckſeeligkeit, zu der es bei ſolcher Beſchraͤnkung kommen kann, in ein Heer herabwuͤrdigender Klein- lichkeiten vergraͤbt, und daß man ſich ſelbſt zu keiner hoͤheren faͤhig macht. *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/231
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/231>, abgerufen am 12.10.2024.