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Fouqué, Caroline de La Motte-: Ueber deutsche Geselligkeit. Berlin, 1814.

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sigkeit der Gesellschaftssprache hervorgeht. Erwei-
tern sich nun Herz und Gemüth nach dem Maaße,
wie beide im Laufe des Gesprächs berührt werden,
macht sich die Natur zwischen dem ängstlichen
Kampf einmal Bahn, so fährt wohl plötzlich so
ein Werkeltagswort heraus, das mit einemmal allen
Putz der Bildung wegwischt. Kurz es ist keine
frei herausgebildete Einheit in der Lebenssprache.
Wir schwanken zwischen Feierlichkeit und Triviali-
tät, zwischen Verkünstelung und unerzogener Natur.

Da es indessen für den Deutschen kein andres
Centrum äußerer Ausbildung giebt, als die Befrei-
ung und Selbstständigkeit des Jnnern, da der Genius
der Sprache mit kühnem und frischem Flügelschlag
aus der Verpuppung und dem Gewebe des Ge-
danken hervorgeht, und Wissenschaft und Kunst die
Formen des Ausdrucks weisen: so sollten Dich-
ter und Schriftsteller im geselligen Lustspiel
und Roman
die Sprache nach dem Maaße ei-
genthümlicher Fähigkeit gesellig bilden, und Ein-
heit wie gediegene Vollendung aus ihr entwickeln.
Denn hier ganz besonders wird es wahr, daß die
Strafe der Sünden von Kind auf Kindeskind fort-

ſigkeit der Geſellſchaftsſprache hervorgeht. Erwei-
tern ſich nun Herz und Gemuͤth nach dem Maaße,
wie beide im Laufe des Geſpraͤchs beruͤhrt werden,
macht ſich die Natur zwiſchen dem aͤngſtlichen
Kampf einmal Bahn, ſo faͤhrt wohl ploͤtzlich ſo
ein Werkeltagswort heraus, das mit einemmal allen
Putz der Bildung wegwiſcht. Kurz es iſt keine
frei herausgebildete Einheit in der Lebensſprache.
Wir ſchwanken zwiſchen Feierlichkeit und Triviali-
taͤt, zwiſchen Verkuͤnſtelung und unerzogener Natur.

Da es indeſſen fuͤr den Deutſchen kein andres
Centrum aͤußerer Ausbildung giebt, als die Befrei-
ung und Selbſtſtaͤndigkeit des Jnnern, da der Genius
der Sprache mit kuͤhnem und friſchem Fluͤgelſchlag
aus der Verpuppung und dem Gewebe des Ge-
danken hervorgeht, und Wiſſenſchaft und Kunſt die
Formen des Ausdrucks weiſen: ſo ſollten Dich-
ter und Schriftſteller im geſelligen Luſtſpiel
und Roman
die Sprache nach dem Maaße ei-
genthuͤmlicher Faͤhigkeit geſellig bilden, und Ein-
heit wie gediegene Vollendung aus ihr entwickeln.
Denn hier ganz beſonders wird es wahr, daß die
Strafe der Suͤnden von Kind auf Kindeskind fort-

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[29/0031] ſigkeit der Geſellſchaftsſprache hervorgeht. Erwei- tern ſich nun Herz und Gemuͤth nach dem Maaße, wie beide im Laufe des Geſpraͤchs beruͤhrt werden, macht ſich die Natur zwiſchen dem aͤngſtlichen Kampf einmal Bahn, ſo faͤhrt wohl ploͤtzlich ſo ein Werkeltagswort heraus, das mit einemmal allen Putz der Bildung wegwiſcht. Kurz es iſt keine frei herausgebildete Einheit in der Lebensſprache. Wir ſchwanken zwiſchen Feierlichkeit und Triviali- taͤt, zwiſchen Verkuͤnſtelung und unerzogener Natur. Da es indeſſen fuͤr den Deutſchen kein andres Centrum aͤußerer Ausbildung giebt, als die Befrei- ung und Selbſtſtaͤndigkeit des Jnnern, da der Genius der Sprache mit kuͤhnem und friſchem Fluͤgelſchlag aus der Verpuppung und dem Gewebe des Ge- danken hervorgeht, und Wiſſenſchaft und Kunſt die Formen des Ausdrucks weiſen: ſo ſollten Dich- ter und Schriftſteller im geſelligen Luſtſpiel und Roman die Sprache nach dem Maaße ei- genthuͤmlicher Faͤhigkeit geſellig bilden, und Ein- heit wie gediegene Vollendung aus ihr entwickeln. Denn hier ganz beſonders wird es wahr, daß die Strafe der Suͤnden von Kind auf Kindeskind fort-

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Ueber deutsche Geselligkeit. Berlin, 1814, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_geselligkeit_1814/31>, abgerufen am 28.03.2024.