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Fouqué, Caroline de La Motte-: Ueber deutsche Geselligkeit. Berlin, 1814.

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vor, daß ich es wage, auf's neue öffentlich darüber
zu reden. Was ein strebendes Gemüth Jahre lang
wahrhast beschäftigte, was in ihm ward, in ihm
sich nährte und gestaltete, das wird niemals mit
einem paar lobenden oder tadelnden Worten abge-
fertigt. Ganz von selbst macht es sich Bahn unter
den Menschen, ruft sie an, und wirkt und bildet
in mannigfachen Geburten fort, die oftmals ihren
Ursprung nicht sogleich erkennen lassen, obschon sie
in einer nothwendigen Folgereihe bedingt sind.
Frau von Stael hat vieles in Anregung, vieles
zur Sprache gebracht, das seiner Natur nach Nie-
mand kalt läßt, und der Richtung, wie dem Maaße
jedesmaliger Bildung zufolge die Gemüther höchst
widersprechend bewegt. An sich schon interessant,
und ein Spiegel des unruhig arbeitenden Zeitgei-
stes möchte es seyn, den Wiederschein jener ab-
schätzenden Urtheile unserer deutschen Jndividualität
in deutschen Gemüthern zu beleuchten. Die Resul-
tate hiervon würden bestimmt, mehr als alles,
eine Charakteristik gegenwärtiger Nationalbildung
liefern. Und so ist Jedes, was über dieses Buch

vor, daß ich es wage, auf’s neue oͤffentlich daruͤber
zu reden. Was ein ſtrebendes Gemuͤth Jahre lang
wahrhaſt beſchaͤftigte, was in ihm ward, in ihm
ſich naͤhrte und geſtaltete, das wird niemals mit
einem paar lobenden oder tadelnden Worten abge-
fertigt. Ganz von ſelbſt macht es ſich Bahn unter
den Menſchen, ruft ſie an, und wirkt und bildet
in mannigfachen Geburten fort, die oftmals ihren
Urſprung nicht ſogleich erkennen laſſen, obſchon ſie
in einer nothwendigen Folgereihe bedingt ſind.
Frau von Stael hat vieles in Anregung, vieles
zur Sprache gebracht, das ſeiner Natur nach Nie-
mand kalt laͤßt, und der Richtung, wie dem Maaße
jedesmaliger Bildung zufolge die Gemuͤther hoͤchſt
widerſprechend bewegt. An ſich ſchon intereſſant,
und ein Spiegel des unruhig arbeitenden Zeitgei-
ſtes moͤchte es ſeyn, den Wiederſchein jener ab-
ſchaͤtzenden Urtheile unſerer deutſchen Jndividualitaͤt
in deutſchen Gemuͤthern zu beleuchten. Die Reſul-
tate hiervon wuͤrden beſtimmt, mehr als alles,
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liefern. Und ſo iſt Jedes, was uͤber dieſes Buch

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[4/0006] vor, daß ich es wage, auf’s neue oͤffentlich daruͤber zu reden. Was ein ſtrebendes Gemuͤth Jahre lang wahrhaſt beſchaͤftigte, was in ihm ward, in ihm ſich naͤhrte und geſtaltete, das wird niemals mit einem paar lobenden oder tadelnden Worten abge- fertigt. Ganz von ſelbſt macht es ſich Bahn unter den Menſchen, ruft ſie an, und wirkt und bildet in mannigfachen Geburten fort, die oftmals ihren Urſprung nicht ſogleich erkennen laſſen, obſchon ſie in einer nothwendigen Folgereihe bedingt ſind. Frau von Stael hat vieles in Anregung, vieles zur Sprache gebracht, das ſeiner Natur nach Nie- mand kalt laͤßt, und der Richtung, wie dem Maaße jedesmaliger Bildung zufolge die Gemuͤther hoͤchſt widerſprechend bewegt. An ſich ſchon intereſſant, und ein Spiegel des unruhig arbeitenden Zeitgei- ſtes moͤchte es ſeyn, den Wiederſchein jener ab- ſchaͤtzenden Urtheile unſerer deutſchen Jndividualitaͤt in deutſchen Gemuͤthern zu beleuchten. Die Reſul- tate hiervon wuͤrden beſtimmt, mehr als alles, eine Charakteriſtik gegenwaͤrtiger Nationalbildung liefern. Und ſo iſt Jedes, was uͤber dieſes Buch

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Ueber deutsche Geselligkeit. Berlin, 1814, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_geselligkeit_1814/6>, abgerufen am 16.04.2024.