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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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weit besser in das Geschick, welches Tochter und
Schwiegersohn betroffen hatte, und während
Bertalda nicht ablassen konnte, Undinen Mör-
derin zu schelten und Zauberin, sagte der alte
Mann gelassen: es konnte nun einmal nichts
anders sein. Ich sehe nichts darin, als die Ge-
richte Gottes, und es ist wohl Niemanden Huld-
brands Tod mehr zu Herzen gegangen, als der,
die ihn verhängen mußte, der armen! verlass-
nen Undine! -- Dabei half er die Begräbniß-
feier anordnen, wie es dem Range des Todten
geziemte. Dieser sollte in einem Kirchdorfe be-
graben werden, auf dessen Gottesacker alle Grä-
ber seiner Ahnherrn standen, und welches sie,
wie er selbst, mit reichlichen Freiheiten und Ga-
ben geehrt hatten. Schild und Helm lagen
bereits auf dem Sarge, um mit in die Gruft
versenkt zu werden, denn Herr Huldbrand von
Ringstetten war als der letzte seines Stammes ver-
storben; die Trauerleute begannen ihren schmerz-
vollen Zug, Klagelieder in das heiter stille Him-
melblau hinaufsingend, Heilmann schritt mit

weit beſſer in das Geſchick, welches Tochter und
Schwiegerſohn betroffen hatte, und waͤhrend
Bertalda nicht ablaſſen konnte, Undinen Moͤr-
derin zu ſchelten und Zauberin, ſagte der alte
Mann gelaſſen: es konnte nun einmal nichts
anders ſein. Ich ſehe nichts darin, als die Ge-
richte Gottes, und es iſt wohl Niemanden Huld-
brands Tod mehr zu Herzen gegangen, als der,
die ihn verhaͤngen mußte, der armen! verlaſſ-
nen Undine! — Dabei half er die Begraͤbniß-
feier anordnen, wie es dem Range des Todten
geziemte. Dieſer ſollte in einem Kirchdorfe be-
graben werden, auf deſſen Gottesacker alle Graͤ-
ber ſeiner Ahnherrn ſtanden, und welches ſie,
wie er ſelbſt, mit reichlichen Freiheiten und Ga-
ben geehrt hatten. Schild und Helm lagen
bereits auf dem Sarge, um mit in die Gruft
verſenkt zu werden, denn Herr Huldbrand von
Ringſtetten war als der letzte ſeines Stammes ver-
ſtorben; die Trauerleute begannen ihren ſchmerz-
vollen Zug, Klagelieder in das heiter ſtille Him-
melblau hinaufſingend, Heilmann ſchritt mit

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[186/0200] weit beſſer in das Geſchick, welches Tochter und Schwiegerſohn betroffen hatte, und waͤhrend Bertalda nicht ablaſſen konnte, Undinen Moͤr- derin zu ſchelten und Zauberin, ſagte der alte Mann gelaſſen: es konnte nun einmal nichts anders ſein. Ich ſehe nichts darin, als die Ge- richte Gottes, und es iſt wohl Niemanden Huld- brands Tod mehr zu Herzen gegangen, als der, die ihn verhaͤngen mußte, der armen! verlaſſ- nen Undine! — Dabei half er die Begraͤbniß- feier anordnen, wie es dem Range des Todten geziemte. Dieſer ſollte in einem Kirchdorfe be- graben werden, auf deſſen Gottesacker alle Graͤ- ber ſeiner Ahnherrn ſtanden, und welches ſie, wie er ſelbſt, mit reichlichen Freiheiten und Ga- ben geehrt hatten. Schild und Helm lagen bereits auf dem Sarge, um mit in die Gruft verſenkt zu werden, denn Herr Huldbrand von Ringſtetten war als der letzte ſeines Stammes ver- ſtorben; die Trauerleute begannen ihren ſchmerz- vollen Zug, Klagelieder in das heiter ſtille Him- melblau hinaufſingend, Heilmann ſchritt mit

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/200>, abgerufen am 23.04.2024.