Dem Huldbrand ward es immer ängstlicher und verworrner zu Sinn, je länger er unter den nächtlichen Schatten suchte, ohne zu finden. Der Gedanke, Undine sei nur eine bloße Wald- erscheinung gewesen, bekam auf's Neue Macht über ihn, ja er hätte unter dem Geheul der Wellen und Stürme, dem Krachen der Bäume, der gänzlichen Umgestaltung der kaum noch so still anmuthigen Gegend, die ganze Landzunge samt der Hütte und ihren Bewohnern fast für eine trügrisch neckende Bildung gehalten; aber von fern hörte er doch immer noch des Fischers ängstliches Rufen nach Undinen, der alten Haus- frau lautes Beten und Singen durch das Ge-
Drittes Kapitel.
Wie ſie Undinen wiederfanden.
Dem Huldbrand ward es immer aͤngſtlicher und verworrner zu Sinn, je laͤnger er unter den naͤchtlichen Schatten ſuchte, ohne zu finden. Der Gedanke, Undine ſei nur eine bloße Wald- erſcheinung geweſen, bekam auf’s Neue Macht uͤber ihn, ja er haͤtte unter dem Geheul der Wellen und Stuͤrme, dem Krachen der Baͤume, der gaͤnzlichen Umgeſtaltung der kaum noch ſo ſtill anmuthigen Gegend, die ganze Landzunge ſamt der Huͤtte und ihren Bewohnern faſt fuͤr eine truͤgriſch neckende Bildung gehalten; aber von fern hoͤrte er doch immer noch des Fiſchers aͤngſtliches Rufen nach Undinen, der alten Haus- frau lautes Beten und Singen durch das Ge-
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Drittes Kapitel.
Wie ſie Undinen wiederfanden.
Dem Huldbrand ward es immer aͤngſtlicher
und verworrner zu Sinn, je laͤnger er unter den
naͤchtlichen Schatten ſuchte, ohne zu finden.
Der Gedanke, Undine ſei nur eine bloße Wald-
erſcheinung geweſen, bekam auf’s Neue Macht
uͤber ihn, ja er haͤtte unter dem Geheul der
Wellen und Stuͤrme, dem Krachen der Baͤume,
der gaͤnzlichen Umgeſtaltung der kaum noch ſo
ſtill anmuthigen Gegend, die ganze Landzunge
ſamt der Huͤtte und ihren Bewohnern faſt fuͤr
eine truͤgriſch neckende Bildung gehalten; aber
von fern hoͤrte er doch immer noch des Fiſchers
aͤngſtliches Rufen nach Undinen, der alten Haus-
frau lautes Beten und Singen durch das Ge-
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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/42>, abgerufen am 10.12.2023.
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