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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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Räuspern und keine tadelnde Rede. So oft
die Braut ihres Lieblings Unzufriedenheit merk-
te, -- und das geschah einigemal, -- ward sie
freilich stiller, setzte sich neben ihn, streichelte ihn,
flüsterte ihm lächelnd etwas in das Ohr, und
glättete so die aufsteigenden Falten seiner Stirn.
Aber gleich darauf riß sie irgend ein toller Ein-
fall wieder in das gaukelnde Treiben hinein,
und es ging nur ärger, als zuvor. Da sagte
der Priester sehr ernsthaft und sehr freundlich:
mein anmuthiges junges Mägdlein, man kann
Euch zwar nicht ohne Ergötzen ansehn, aber
denkt darauf, Eure Seele beizeiten so zu stim-
men, daß sie immer die Harmonie zu der Seele
Eures angetrauten Bräutigams anklingen las-
se. -- Seele! lachte ihn Undine an; das klingt
recht hübsch, und mag auch für die mehrsten
Leute eine gar erbauliche und nutzreiche Regel
sein. Aber wenn nun Eins gar keine Seele
hat, bitt' Euch, was soll es denn da stimmen?
Und so geht es mir. -- Der Priester schwieg
tiefverletzt, im frommen Zürnen, und kehrte sein

Raͤuspern und keine tadelnde Rede. So oft
die Braut ihres Lieblings Unzufriedenheit merk-
te, — und das geſchah einigemal, — ward ſie
freilich ſtiller, ſetzte ſich neben ihn, ſtreichelte ihn,
fluͤſterte ihm laͤchelnd etwas in das Ohr, und
glaͤttete ſo die aufſteigenden Falten ſeiner Stirn.
Aber gleich darauf riß ſie irgend ein toller Ein-
fall wieder in das gaukelnde Treiben hinein,
und es ging nur aͤrger, als zuvor. Da ſagte
der Prieſter ſehr ernſthaft und ſehr freundlich:
mein anmuthiges junges Maͤgdlein, man kann
Euch zwar nicht ohne Ergoͤtzen anſehn, aber
denkt darauf, Eure Seele beizeiten ſo zu ſtim-
men, daß ſie immer die Harmonie zu der Seele
Eures angetrauten Braͤutigams anklingen laſ-
ſe. — Seele! lachte ihn Undine an; das klingt
recht huͤbſch, und mag auch fuͤr die mehrſten
Leute eine gar erbauliche und nutzreiche Regel
ſein. Aber wenn nun Eins gar keine Seele
hat, bitt’ Euch, was ſoll es denn da ſtimmen?
Und ſo geht es mir. — Der Prieſter ſchwieg
tiefverletzt, im frommen Zuͤrnen, und kehrte ſein

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[72/0086] Raͤuspern und keine tadelnde Rede. So oft die Braut ihres Lieblings Unzufriedenheit merk- te, — und das geſchah einigemal, — ward ſie freilich ſtiller, ſetzte ſich neben ihn, ſtreichelte ihn, fluͤſterte ihm laͤchelnd etwas in das Ohr, und glaͤttete ſo die aufſteigenden Falten ſeiner Stirn. Aber gleich darauf riß ſie irgend ein toller Ein- fall wieder in das gaukelnde Treiben hinein, und es ging nur aͤrger, als zuvor. Da ſagte der Prieſter ſehr ernſthaft und ſehr freundlich: mein anmuthiges junges Maͤgdlein, man kann Euch zwar nicht ohne Ergoͤtzen anſehn, aber denkt darauf, Eure Seele beizeiten ſo zu ſtim- men, daß ſie immer die Harmonie zu der Seele Eures angetrauten Braͤutigams anklingen laſ- ſe. — Seele! lachte ihn Undine an; das klingt recht huͤbſch, und mag auch fuͤr die mehrſten Leute eine gar erbauliche und nutzreiche Regel ſein. Aber wenn nun Eins gar keine Seele hat, bitt’ Euch, was ſoll es denn da ſtimmen? Und ſo geht es mir. — Der Prieſter ſchwieg tiefverletzt, im frommen Zuͤrnen, und kehrte ſein

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/86>, abgerufen am 25.04.2024.