Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684.werffung von daselbst der Bomben / auch 500. pfündiger Mordschläg und steinern Kugeln/ in etwas verhindert worden. In der Nach sind abermal viel Raggeten gleich zumal von St. Stephans-Thurn geworffen worden / welche den agonizirenden Zustand der höchstbedrangten Stadt/ bey dem Durchleuchtigsten Herrn Generalissimo, beweglichst vorbilden solten. Die Parola war: St. Thomas und Florenz. Den 11. schickte der Feind abermal mit schwerem Geschütz einen entsetzlichen und recht barbarischen Morgen-Gruß/ continuirte aber damit nicht über eine Stund/ fuhre dannoch fort mit Bomben- und Stein-Werffen die Stadt zu beunruhigen. Es schiene/ daß die Türkische wilde Säu/ des Wühlens und Grabens etwas müd wären/ derowegen man einige Nachlassung verspührte. Nachmittag gieng das Donnern aus den Canonen wieder an / continuirte aber nur per intervalla. Gegen Abend sahe man den Feind gänzlich aus dem Lager gegen dem Gebürg anrücken/ und mit allem Volk/ so in der Leopoldstadt gewesen/ über seine Brücken dahin anmarchiren. Vermerkte auch/ daß sich einige Trouppen in dem alten und neuen Gebäu des Kahlenbergs versammelt und avancirt hätten/ welches ohne Zweiffel die Vortroppen des Succurses gewesen: Indem man bald hernach die Canonen gegen der Stadt zu / das ist/ gegen des Feinds avancirte Trouppen/ an dem Fuß des Kahlenbergs hat spielen sehen/ und zum öfftern los brennen hören/ auch immer mehr und mehr Volk anrücken; da indessen der Feind allezeit mehrers gegen dem Gebürg sich setzte/ und zusammen zoge / welches bis in die Nacht (deren Parola war: St. Dominicus und Insprugg) continuirte: Jedoch nicht unterliesse seine Arbeit allenthalben ernstlich zu prosequiren/ auch mit Stücken ärger als niemal zu canoniren. Ein Polak/ welcher zehen Jahr Türkische Fessel getragen/ lieff herüber/ welchen als ihn der Feind ersehen/ gaben sie sehr stark Feuer auf ihn/ wurde doch nur in den Fuß getroffen/ berichtend/ daß unter den Türken eine unaussprechliche Forcht zu verspühren sey. In der Nacht vernahm man zu Wienn die so sehnlich verlangte Losung/ der nunmehr unfehlbar vorhandenen Erlösung/ durch den Entsatz der Käiserlichen Alliirten/ welche mit Feuer-Zeichen und Raggeten gegeben worden. Was nun solches vor innerliche Freude und Trost bey allen Anwesenden erwecket/ kan niemand bässer glauben/ weder wer diese neun Wochen über selbsten in diesem Angst-Kerker versperret gewesen/ und alles ersinnliche Elend/ welches je den Menschen begegnen mag/ an seinem eigenem Leibe und Gemüth erfahren und empfunden/ auch so manche Lebens-Gefahr ausgestanden/ und nunmehr den blutigen Untergang seines Ehgatten/ und trauten Kinder / und was sonsten lieb und werth ist/ oder in der Welt hoch und theur geschätzt zu werden pfleget/ vor Augen gesehen; indem nunmehr über acht tausend Bewehrte gemisset wurden/ in allem aber/ von den Inwohnern und Soldaten/ klein und groß/ bis daher theils geblieben / theils sonst gestorben waren 22000. und etlich 100. Menschen: Welches alles nunmehr halb vergessen schiene/ durch die würklich herbeynahende werffung von daselbst der Bomben / auch 500. pfündiger Mordschläg und steinern Kugeln/ in etwas verhindert worden. In der Nach sind abermal viel Raggeten gleich zumal von St. Stephans-Thurn geworffen worden / welche den agonizirenden Zustand der höchstbedrangten Stadt/ bey dem Durchleuchtigsten Herrn Generalissimo, beweglichst vorbilden solten. Die Parola war: St. Thomas und Florenz. Den 11. schickte der Feind abermal mit schwerem Geschütz einen entsetzlichen und recht barbarischen Morgen-Gruß/ continuirte aber damit nicht über eine Stund/ fuhre dannoch fort mit Bomben- und Stein-Werffen die Stadt zu beunruhigen. Es schiene/ daß die Türkische wilde Säu/ des Wühlens und Grabens etwas müd wären/ derowegen man einige Nachlassung verspührte. Nachmittag gieng das Donnern aus den Canonen wieder an / continuirte aber nur per intervalla. Gegen Abend sahe man den Feind gänzlich aus dem Lager gegen dem Gebürg anrücken/ und mit allem Volk/ so in der Leopoldstadt gewesen/ über seine Brücken dahin anmarchiren. Vermerkte auch/ daß sich einige Trouppen in dem alten und neuen Gebäu des Kahlenbergs versammelt und avancirt hätten/ welches ohne Zweiffel die Vortroppen des Succurses gewesen: Indem man bald hernach die Canonen gegen der Stadt zu / das ist/ gegen des Feinds avancirte Trouppen/ an dem Fuß des Kahlenbergs hat spielen sehen/ und zum öfftern los brennen hören/ auch immer mehr und mehr Volk anrücken; da indessen der Feind allezeit mehrers gegen dem Gebürg sich setzte/ und zusammen zoge / welches bis in die Nacht (deren Parola war: St. Dominicus und Insprugg) continuirte: Jedoch nicht unterliesse seine Arbeit allenthalben ernstlich zu prosequiren/ auch mit Stücken ärger als niemal zu canoniren. Ein Polak/ welcher zehen Jahr Türkische Fessel getragen/ lieff herüber/ welchen als ihn der Feind ersehen/ gaben sie sehr stark Feuer auf ihn/ wurde doch nur in den Fuß getroffen/ berichtend/ daß unter den Türken eine unaussprechliche Forcht zu verspühren sey. In der Nacht vernahm man zu Wienn die so sehnlich verlangte Losung/ der nunmehr unfehlbar vorhandenen Erlösung/ durch den Entsatz der Käiserlichen Alliirten/ welche mit Feuer-Zeichen und Raggeten gegeben worden. Was nun solches vor innerliche Freude und Trost bey allen Anwesenden erwecket/ kan niemand bässer glauben/ weder wer diese neun Wochen über selbsten in diesem Angst-Kerker versperret gewesen/ und alles ersinnliche Elend/ welches je den Menschen begegnen mag/ an seinem eigenem Leibe und Gemüth erfahren und empfunden/ auch so manche Lebens-Gefahr ausgestanden/ und nunmehr den blutigen Untergang seines Ehgatten/ und trauten Kinder / und was sonsten lieb und werth ist/ oder in der Welt hoch und theur geschätzt zu werden pfleget/ vor Augen gesehen; indem nunmehr über acht tausend Bewehrte gemisset wurden/ in allem aber/ von den Inwohnern und Soldaten/ klein und groß/ bis daher theils geblieben / theils sonst gestorben waren 22000. und etlich 100. 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Gegen Abend sahe man den Feind gänzlich aus dem Lager gegen dem Gebürg anrücken/ und mit allem Volk/ so in der Leopoldstadt gewesen/ über seine Brücken dahin anmarchiren. Vermerkte auch/ daß sich einige Trouppen in dem alten und neuen Gebäu des Kahlenbergs versammelt und avancirt hätten/ welches ohne Zweiffel die Vortroppen des Succurses gewesen: Indem man bald hernach die Canonen gegen der Stadt zu / das ist/ gegen des Feinds avancirte Trouppen/ an dem Fuß des Kahlenbergs hat spielen sehen/ und zum öfftern los brennen hören/ auch immer mehr und mehr Volk anrücken; da indessen der Feind allezeit mehrers gegen dem Gebürg sich setzte/ und zusammen zoge / welches bis in die Nacht (deren Parola war: St. Dominicus und Insprugg) continuirte: Jedoch nicht unterliesse seine Arbeit allenthalben ernstlich zu prosequiren/ auch mit Stücken ärger als niemal zu canoniren. Ein Polak/ welcher zehen Jahr Türkische Fessel getragen/ lieff herüber/ welchen als ihn der Feind ersehen/ gaben sie sehr stark Feuer auf ihn/ wurde doch nur in den Fuß getroffen/ berichtend/ daß unter den Türken eine unaussprechliche Forcht zu verspühren sey. In der Nacht vernahm man zu Wienn die so sehnlich verlangte Losung/ der nunmehr unfehlbar vorhandenen Erlösung/ durch den Entsatz der Käiserlichen Alliirten/ welche mit Feuer-Zeichen und Raggeten gegeben worden. Was nun solches vor innerliche Freude und Trost bey allen Anwesenden erwecket/ kan niemand bässer glauben/ weder wer diese neun Wochen über selbsten in diesem Angst-Kerker versperret gewesen/ und alles ersinnliche Elend/ welches je den Menschen begegnen mag/ an seinem eigenem Leibe und Gemüth erfahren und empfunden/ auch so manche Lebens-Gefahr ausgestanden/ und nunmehr den blutigen Untergang seines Ehgatten/ und trauten Kinder / und was sonsten lieb und werth ist/ oder in der Welt hoch und theur geschätzt zu werden pfleget/ vor Augen gesehen; indem nunmehr über acht tausend Bewehrte gemisset wurden/ in allem aber/ von den Inwohnern und Soldaten/ klein und groß/ bis daher theils geblieben / theils sonst gestorben waren 22000. und etlich 100. Menschen: Welches alles nunmehr halb vergessen schiene/ durch die würklich herbeynahende</p> </div> <div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0275]
werffung von daselbst der Bomben / auch 500. pfündiger Mordschläg und steinern Kugeln/ in etwas verhindert worden. In der Nach sind abermal viel Raggeten gleich zumal von St. Stephans-Thurn geworffen worden / welche den agonizirenden Zustand der höchstbedrangten Stadt/ bey dem Durchleuchtigsten Herrn Generalissimo, beweglichst vorbilden solten. Die Parola war: St. Thomas und Florenz.
Den 11. schickte der Feind abermal mit schwerem Geschütz einen entsetzlichen und recht barbarischen Morgen-Gruß/ continuirte aber damit nicht über eine Stund/ fuhre dannoch fort mit Bomben- und Stein-Werffen die Stadt zu beunruhigen. Es schiene/ daß die Türkische wilde Säu/ des Wühlens und Grabens etwas müd wären/ derowegen man einige Nachlassung verspührte. Nachmittag gieng das Donnern aus den Canonen wieder an / continuirte aber nur per intervalla. Gegen Abend sahe man den Feind gänzlich aus dem Lager gegen dem Gebürg anrücken/ und mit allem Volk/ so in der Leopoldstadt gewesen/ über seine Brücken dahin anmarchiren. Vermerkte auch/ daß sich einige Trouppen in dem alten und neuen Gebäu des Kahlenbergs versammelt und avancirt hätten/ welches ohne Zweiffel die Vortroppen des Succurses gewesen: Indem man bald hernach die Canonen gegen der Stadt zu / das ist/ gegen des Feinds avancirte Trouppen/ an dem Fuß des Kahlenbergs hat spielen sehen/ und zum öfftern los brennen hören/ auch immer mehr und mehr Volk anrücken; da indessen der Feind allezeit mehrers gegen dem Gebürg sich setzte/ und zusammen zoge / welches bis in die Nacht (deren Parola war: St. Dominicus und Insprugg) continuirte: Jedoch nicht unterliesse seine Arbeit allenthalben ernstlich zu prosequiren/ auch mit Stücken ärger als niemal zu canoniren. Ein Polak/ welcher zehen Jahr Türkische Fessel getragen/ lieff herüber/ welchen als ihn der Feind ersehen/ gaben sie sehr stark Feuer auf ihn/ wurde doch nur in den Fuß getroffen/ berichtend/ daß unter den Türken eine unaussprechliche Forcht zu verspühren sey. In der Nacht vernahm man zu Wienn die so sehnlich verlangte Losung/ der nunmehr unfehlbar vorhandenen Erlösung/ durch den Entsatz der Käiserlichen Alliirten/ welche mit Feuer-Zeichen und Raggeten gegeben worden. Was nun solches vor innerliche Freude und Trost bey allen Anwesenden erwecket/ kan niemand bässer glauben/ weder wer diese neun Wochen über selbsten in diesem Angst-Kerker versperret gewesen/ und alles ersinnliche Elend/ welches je den Menschen begegnen mag/ an seinem eigenem Leibe und Gemüth erfahren und empfunden/ auch so manche Lebens-Gefahr ausgestanden/ und nunmehr den blutigen Untergang seines Ehgatten/ und trauten Kinder / und was sonsten lieb und werth ist/ oder in der Welt hoch und theur geschätzt zu werden pfleget/ vor Augen gesehen; indem nunmehr über acht tausend Bewehrte gemisset wurden/ in allem aber/ von den Inwohnern und Soldaten/ klein und groß/ bis daher theils geblieben / theils sonst gestorben waren 22000. und etlich 100. Menschen: Welches alles nunmehr halb vergessen schiene/ durch die würklich herbeynahende
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Zitationshilfe: | Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684/275>, abgerufen am 30.11.2023. |