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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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wie sollst Du es denn machen? Ach richtig, ich ver¬
gesse schon wieder die Hauptsache: Kinder, Putzi ist
über alle Beschreibung! Im Wartesaal war er ja
noch ein bischen zu gesprächig, wißt Ihr, so daß ich
doch heimlich Angst hatte, aber jetzt, im Wagen, das
süßeste stillste Zuckerthier. Wie er in seinem Körb¬
chen sitzt und durch die Löcher guckt mit seinen großen
treuen Augen und keinen Laut von sich gibt, so lange
ich die Hand auf dem Korbdeckel halte und ihn an¬
sehe! Er läßt sich auch durch den Gitterdeckel füt¬
tern wie ein Tiger! Sein kleines schwarzes Schnäuz¬
chen reckt er immer so hoch wie möglich, das arme
Würmchen. Papa fängt schon an, sich damit auszu¬
söhnen, daß er mit ist. Aber er hat so wenig da¬
von. Wie gern hätt' ich ihm das Kaisergebirge ge¬
zeigt, das wir eben gesehen haben, ganz violett, grau
und weiß, gewiß muß es das schönste von allen Ge¬
birgen sein. Nun geht es weiter, Papa hat seinen
Braten auf, und jetzt kommt die Gepäckrevision. Ich
muß Putzi auf den Arm nehmen -- unterm Reise¬
mantel ist es ja leicht -- damit sein Körbchen die
Marke: "Zollfrei" kriegt. Ich zittere, bis wir glück¬
lich damit durch sind. Verzeiht das Geschmiere.

Eure Kläre.

wie ſollſt Du es denn machen? Ach richtig, ich ver¬
geſſe ſchon wieder die Hauptſache: Kinder, Putzi iſt
über alle Beſchreibung! Im Warteſaal war er ja
noch ein bischen zu geſprächig, wißt Ihr, ſo daß ich
doch heimlich Angſt hatte, aber jetzt, im Wagen, das
ſüßeſte ſtillſte Zuckerthier. Wie er in ſeinem Körb¬
chen ſitzt und durch die Löcher guckt mit ſeinen großen
treuen Augen und keinen Laut von ſich gibt, ſo lange
ich die Hand auf dem Korbdeckel halte und ihn an¬
ſehe! Er läßt ſich auch durch den Gitterdeckel füt¬
tern wie ein Tiger! Sein kleines ſchwarzes Schnäuz¬
chen reckt er immer ſo hoch wie möglich, das arme
Würmchen. Papa fängt ſchon an, ſich damit auszu¬
ſöhnen, daß er mit iſt. Aber er hat ſo wenig da¬
von. Wie gern hätt' ich ihm das Kaiſergebirge ge¬
zeigt, das wir eben geſehen haben, ganz violett, grau
und weiß, gewiß muß es das ſchönſte von allen Ge¬
birgen ſein. Nun geht es weiter, Papa hat ſeinen
Braten auf, und jetzt kommt die Gepäckreviſion. Ich
muß Putzi auf den Arm nehmen — unterm Reiſe¬
mantel iſt es ja leicht — damit ſein Körbchen die
Marke: „Zollfrei“ kriegt. Ich zittere, bis wir glück¬
lich damit durch ſind. Verzeiht das Geſchmiere.

Eure Kläre.

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[190/0206] wie ſollſt Du es denn machen? Ach richtig, ich ver¬ geſſe ſchon wieder die Hauptſache: Kinder, Putzi iſt über alle Beſchreibung! Im Warteſaal war er ja noch ein bischen zu geſprächig, wißt Ihr, ſo daß ich doch heimlich Angſt hatte, aber jetzt, im Wagen, das ſüßeſte ſtillſte Zuckerthier. Wie er in ſeinem Körb¬ chen ſitzt und durch die Löcher guckt mit ſeinen großen treuen Augen und keinen Laut von ſich gibt, ſo lange ich die Hand auf dem Korbdeckel halte und ihn an¬ ſehe! Er läßt ſich auch durch den Gitterdeckel füt¬ tern wie ein Tiger! Sein kleines ſchwarzes Schnäuz¬ chen reckt er immer ſo hoch wie möglich, das arme Würmchen. Papa fängt ſchon an, ſich damit auszu¬ ſöhnen, daß er mit iſt. Aber er hat ſo wenig da¬ von. Wie gern hätt' ich ihm das Kaiſergebirge ge¬ zeigt, das wir eben geſehen haben, ganz violett, grau und weiß, gewiß muß es das ſchönſte von allen Ge¬ birgen ſein. Nun geht es weiter, Papa hat ſeinen Braten auf, und jetzt kommt die Gepäckreviſion. Ich muß Putzi auf den Arm nehmen — unterm Reiſe¬ mantel iſt es ja leicht — damit ſein Körbchen die Marke: „Zollfrei“ kriegt. Ich zittere, bis wir glück¬ lich damit durch ſind. Verzeiht das Geſchmiere. Eure Kläre.

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/206>, abgerufen am 29.03.2024.